BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15177 21. Wahlperiode 07.12.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 29.11.18 und Antwort des Senats Betr.: Nur für eine Nacht hinter Gittern – Und dann? Immer wieder nimmt die Polizei Personen, bei denen der Verdacht des illegalen Aufenthalts beziehungsweise des Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz besteht, fest und überstellt sie der Untersuchungshaftanstalt. Da in den seltensten Fällen ein Abschiebehaftbefehl gemäß § 62 Aufenthaltsgesetz erlassen wird, werden die Personen regelmäßig bereits am kommenden Tag aus der Untersuchungshaftanstalt mit einer Meldeauflage entlassen. Im Übrigen ist Deutschland seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17. Juli 2014 auch verpflichtet, Abschiebungshäftlinge nicht mehr wie bisher in gewöhnlichen Justizvollzugsanstalten, sondern in separaten Abschiebungshaftanstalten unterzubringen; in Hamburg ist hierfür der Ausreisegewahrsam am Flughafen zuständig, sofern keine Inanspruchnahme von Abschiebehaftplätzen anderer Bundesländer in Amtshilfe erfolgt. Gerade in Zeiten knapper Haftplatzkapazitäten und einer angespannten Personalsituation stellt sich die Frage nach dem mit der sehr kurzzeitigen Unterbringung der Festgenommenen in der Untersuchungshaftanstalt verbundenen Aufwand für die Justiz. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Entscheidung, ob Personen, bei denen der Verdacht des illegalen Aufenthalts besteht, festgenommen und der Untersuchungshaftanstalt zugeführt werden, obliegt der Polizei. Der Justizvollzug nimmt diese Personen in Amtshilfe für die Behörde für Inneres und Sport in Gewahrsam. Eine eigene Entscheidungsbefugnis über die Aufnahme solcher Personen obliegt dem Justizvollzug im Einzelfall nicht. Die von der Ausländerbehörde oder der Polizei zugeführten Personen werden dementsprechend als „Polizeigefangene“ geführt. Sofern gegen die zugeführte Person gemäß § 62 Aufenthaltsgesetz Abschiebungshaft angeordnet wird, wird die zugeführte Person – den Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs entsprechend – umgehend in einer separaten Abschiebungshafteinrichtung untergebracht. 1. Wie viele Personen, bei denen der Verdacht des Verstoßes gegen § 95 Aufenthaltsgesetz besteht, wurden im Jahr 2017 sowie bislang im Jahr 2018 auf jeweils welcher Rechtsgrundlage festgenommen und der Untersuchungshaftanstalt überstellt? Eine statistische Erfassung der Personen, die aufgrund des Verdachts des Verstoßes gegen § 95 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) der Untersuchungshaftanstalt zugeführt werden, erfolgt erst seit Mai 2018. Eine Ermittlung früherer Zahlen ist nicht mehr möglich . Drucksache 21/15177 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Im Zeitraum vom 1. Mai bis 30. November 2018 erfolgten insgesamt 616 Zuführungen wegen des Verdachts des illegalen Aufenthalts. Davon lag in 154 Fällen die Zuständigkeit bei der Ausländerbehörde Hamburg, in 284 Fällen bei einer auswärtigen Ausländerbehörde und in 178 Fällen war noch keine ausländerrechtliche Erfassung erfolgt. In diesen Zahlen sind auch Personen enthalten, die mehrfach in diesem Zeitraum zugeführt wurden. 2. Wie viele dieser Personen wurden ohne Antrag auf Erlass a. eines Haftbefehls, b. eines Abschiebehaftbefehls wieder aus der Untersuchungshaftanstalt entlassen? Eine statistische Erfassung, ob entsprechende Haftbeschlüsse beantragt wurden, erfolgt nicht. Insgesamt wurden 540 Personen wieder entlassen. aa) Welche Auflagen erhielten sie wann durch welche Stelle? Personen, bei denen die Beantragung von Abschiebungshaft nicht infrage kommt, werden mit der Auflage entlassen, sich in der Regel innerhalb eines Tages bei der zuständigen Ausländerbehörde zu melden. 210 Personen erhielten eine Meldeauflage für die Ausländerbehörde Hamburg und 330 Personen eine Meldeauflage für eine auswärtige Ausländerbehörde. bb) Wer kontrolliert wann die Einhaltung der Auflagen auf welche Weise? Die Kontrolle der Einhaltung der Meldeauflagen erfolgt durch die jeweils zuständige Ausländerbehörde im Rahmen der Sachbearbeitung. cc) Welche Maßnahmen werden wann von wem bei Nichteinhaltung der Auflagen ergriffen? Wird der Meldeauflage nicht nachgekommen, veranlasst die Ausländerbehörde in Hamburg eine Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung. Sofern im weiteren Verlauf eine Rückführung der betroffenen Person möglich wird, erfolgt eine Ausschreibung zur Festnahme. Die Polizei trifft im Rahmen ihrer Zuständigkeit die im konkreten Einzelfall erforderlichen Maßnahmen im Sinne der Fragestellung. Bei festgestellten Verstößen gegen Auflagen erhält die ausschreibende Stelle unverzüglich auf dem Berichtswege Kenntnis . 3. Bei wie vielen der in den Jahren 2017 sowie 2018 Zugeführten wurde der Erlass eines Abschiebehaftbefehls beantragt? Wie viele Abschiebehaftbefehle wurden daraufhin im Jahr 2017 sowie bislang im Jahr 2018 erlassen? Gemäß einer händischen Erfassung wurden im Jahr 2017 von der Hamburger Ausländerbehörde insgesamt 151 Anträge auf Abschiebungshaft gestellt, davon wurde in 144 Fällen Abschiebungshaft richterlich angeordnet. Im Jahr 2018 ergingen nach insgesamt 204 Anträgen bislang (Stand: 30. November 2018) 198 richterliche Anordnungen von Abschiebungshaft. Die Auswertung steht unter dem Vorbehalt der vollständigen Erfassung der Sachverhalte, wobei eine gesonderte statistische Erfassung, wie viele dieser Personen zuvor der Untersuchungshaftanstalt zugeführt wurden, nicht erfolgt. Eine Erfassung der Entscheidungen, die auch Personen in auswärtiger Zuständigkeit betreffen, erfolgt erst seit Mai 2018. Bei der Untersuchungshaftanstalt wurden folgende Zahlen erfasst: 2017: 167 Abschiebungshaft-Anordnungen; in dieser Zahl sind auch solche aufgrund von Anträgen auswärtiger Ausländerbehörden enthalten; 2018 (bis 30.11.): 160 Abschiebungshaft-Anordnungen; die Abweichung zu der von der Hamburger Ausländerbehörde erfassten Zahl ließ sich in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15177 3 zur Verfügung stehenden Zeit nicht aufklären; Eine händische Auswertung der insgesamt 355 Ausländerakten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 4. Wie ist das Aufnahme- und Entlassungsverfahren in der Untersuchungshaftanstalt konkret ausgestaltet? Die von der Ausländerbehörde oder der Polizei zugeführten Personen werden mit einem Haft-begleitzettel als „Polizeigefangene“ geführt. Im IT-basierten Fachverfahren werden sie in der sogenannten Durchgangsmaske eingebucht. Die Unterbringung erfolgt in regulären Hafträumen, sofern es keine Besonderheiten gibt. Ergeben sich Anhaltspunkte für das Bestehen eines Drogen- oder Alkoholentzugs, einer Gewaltproblematik oder psychischen Auffälligkeit, werden entsprechende besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet und die Personen auf der Beobachtungsstation untergebracht. Dort stehen sie unter regelmäßiger Beobachtung, es erfolgt eine ärztliche Untersuchung und gegebenenfalls erfolgt eine Medikation. Am nächsten Morgen werden diese Personen im Rahmen des täglichen Rundganges von der zuständigen Vollzugsabteilungsleitung und einem Arzt aufgesucht. Gegebenenfalls folgt eine weitere notwendige medizinische Behandlung. Darüber hinaus erfolgen gegebenenfalls die Benachrichtigung von Angehörigen, Maßnahmen der Suizidprävention , psychologische Gespräche oder weitere angezeigte Maßnahmen. Im Verlauf des Vormittags wird von der Ausländerbehörde entschieden, ob Abschiebungshaft beantragt wird oder ob die Personen mit Meldeauflagen wieder entlassen werden. Im letzteren Fall werden die Personen wieder aus dem Bestand gebucht. Genauere Daten, außer dem Zeitpunkt des Verlassens der Anstalt, werden nicht erfasst, weil eine reguläre Aufnahme in diesen Fällen nicht erfolgt. Erst wenn ein Haftbefehl erlassen wird, werden alle bekannten Daten erfasst und die Personen regelhaft im IT-basierten Fachverfahren gebucht. Die Ausländerbehörde Hamburg ist mit einem eigenen Büro in der Untersuchungshaftanstalt vertreten. Hier erfolgen zeitnah die Überprüfung des aufenthaltsrechtlichen Status der betroffenen Personen und die Entscheidung über das weitere Vorgehen. Bei Personen in auswärtiger ausländerbehördlicher Zuständigkeit wird mit der zuständigen Ausländerhörde Kontakt aufgenommen, damit dort über das weitere Vorgehen entschieden werden kann.