BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/1542 21. Wahlperiode 15.09.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels und Jennyfer Dutschke (FDP) vom 09.09.2015 und Antwort des Senats Betr.: Salafistische Aktivitäten rund um Flüchtlingsunterkünfte Der Salafismus als Form des gewaltbereiten religiösen Extremismus ist eine Gefährdung für unsere freiheitliche Demokratie. Das auf Initiative der FDPFraktion im Mai 2014 beschlossene Präventionsprogramm ist immer noch nicht vollständig umgesetzt worden. Umso wichtiger ist es, dass akut auf unmittelbare Vorfälle reagiert wird. Laut Presseberichterstattung hat es in den letzten Tagen mehrere Aktivitäten von Salafisten direkt vor und teils auf dem Gelände von Flüchtlingsunterkünften gegeben. In der Sozialbehörde sind offenbar schon länger mehrere solcher Vorgänge bekannt („Salafisten wollen junge Flüchtlinge für sich gewinnen“, in: „Hamburger Abendblatt“ vom 8. September 2015, Seite 8). Erst kürzlich, am 21. August 2015, hat der Senat in der Beantwortung auf eine Anfrage mitgeteilt, es gebe keine Aktivitäten von Salafisten an Flüchtlingsheimen (Drs. 21/1306, Frage 6.). Offenbar handelt es sich also um ein gänzlich neues Phänomen. Unter dem Aspekt, dass viele Menschen in den Flüchtlingsunterkünften gerade erst vor islamistischen Terroristen geflohen sind, ist dies eine inakzeptable Zumutung. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie viele Fälle von salafistischen Aktivitäten in der Nähe von Flüchtlingsunterkünften hat es seit der Beantwortung der Drs. 21/1306 (und gegebenenfalls nach neueren Erkenntnissen auch schon vorher) gegeben ? Bitte genau aufschlüsseln nach Ort, Datum und Umfang der Aktivität . Ehrenamtliche Helfer und Mitarbeiter des zuständigen Sicherheitsunternehmens haben der Polizei drei entsprechende Sachverhalte geschildert:  Am 5. September 2015 gegen 19 Uhr haben fünf südländisch/arabisch aussehende Personen Korane und Flyer von außen durch den Zaun des Messegeländes an Flüchtlinge gereicht.  Am 6. September 2015 gegen 16 Uhr ist im Eingangsbereich Süd der Messehallen eine Kontaktaufnahme von fünf als südländisch/arabisch beschriebenen Personen mit Flüchtlingen beobachtet worden.  Am 6. September 2015 gegen 19.30 Uhr verteilte eine südländisch/arabisch aussehende Personengruppe im Eingangsbereich Süd der Messehallen Sachspenden . In allen drei Sachverhalten sind die Personen durch ehrenamtliche Helfer beziehungsweise Mitarbeiter des Sicherheitsunternehmens angesprochen und gebeten worden, das Gelände zu verlassen. Erkenntnisse, dass die beschriebenen Personen Drucksache 21/1542 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 tatsächlich dem salafistischen Spektrum zuzuordnen sind, liegen der Polizei derzeit nicht vor. Darüber hinaus sind zwei weitere Fälle aus dem Umfeld des Standortes der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung im Jenfelder Moorpark bekannt. Am 4. September 2015 und am 8. September 2015 verteilten Personen Korane und Kleidung an Flüchtlinge im öffentlichen Raum in der Nähe der Unterkunft. 2. Welche konkreten Angebote und Möglichkeiten zur Religionsausübung (Gebetsräume et cetera) gibt es derzeit in den Flüchtlingsunterkünften? Bitte aufschlüsseln nach Standort sowie Religionen und Konfessionen. 3. Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Religionsvertretern und Kirchen mit den Flüchtlingsunterkünften? Bieten Kirchengemeinden und Religionsgemeinschaften eine regelmäßige Betreuung für Flüchtlinge an? Wenn ja: welche genau? Bitte aufschlüsseln nach Religionen beziehungsweise Konfessionen. 4. Wie wird dabei sichergestellt, dass keine Salafisten oder andere religiöse Extremisten unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit Zugang zu Flüchtlingen und Flüchtlingsunterkünften erhalten? Siehe Drs. 21/1306. Darüber hinaus werden auch ehrenamtlich tätige Personen darauf hingewiesen, dass in den Einrichtungen der Unterbringung von Flüchtlingen Werbung für Glaubensrichtungen beziehungsweise missionarische Tätigkeiten nicht geduldet werden. Die Ausübung der Religion ist auf den eigenen Wohnraum zu beschränken. Die Bewohner können sich diesbezüglich an die Gemeinden außerhalb der Einrichtungen wenden. Hierüber sind die Mitarbeiter von f & w fördern und wohnen AöR informiert und sensibilisiert. Sie sind gehalten, die Vorgaben in den Unterkünften durchzusetzen. 5. Welche speziellen Präventionsmaßnahmen für Flüchtlinge und rund um Flüchtlingsunterkünfte gibt es gegen Salafisten oder andere religiöse Extremisten? Sind das Wachpersonal und andere Mitarbeiter, insbesondere ehrenamtliche, geschult, um mit dieser spezifischen Herausforderung umgehen zu können? Das in den Einrichtungen tätige Personal von f & w fördern und wohnen AöR ist über Fortbildungen in dieser Frage sensibilisiert, über die unter Fragen 2.,3. und 4. genannten Regularien unterrichtet und gehalten, diese durchzusetzen. Aufgrund von Erkenntnissen, dass Salafisten in Hamburg ihre Ideologie auch unter Flüchtlingen verbreiten beziehungsweise ihre Spendenbereitschaft gegebenenfalls zur Inszenierung nutzen wollen, ergreift die Polizei Maßnahmen zur Prävention und Information. Die Dienststelle „Prävention gewaltzentrierter Ideologien“ im Landeskriminalamt (LKA 702) analysiert derzeit die Sachverhalte und befindet sich im Austausch mit Vertretern von muslimischen Religionsgemeinschaften, die selbst eine seelsorgerische Unterstützung von traumatisierten Flüchtlingen anbieten wollen. Es ist beabsichtigt, die Problematik in das Beratungsnetzwerk Prävention & Deradikalisierung (siehe Drs. 20/13460) einzubringen, um eine behördenübergreifende Strategie abzustimmen. Das LKA 702 steht sowohl anlassbezogen als auch anlassunabhängig städtischen sowie nicht städtischen Institutionen als polizeilicher Ansprechpartner zum Thema „Prävention von religiös motiviertem Extremismus“ zur Verfügung. So wurde bereits im April dieses Jahres auf Anfrage des Einwohnerzentralamtes eine Informationsveranstaltung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Erstaufnahmeeinrichtungen durchgeführt. Dem Einwohnerzentralamt liegt zudem ein Angebot des LKA 702 zur Durchführung einer weiteren Fortbildungsveranstaltung vor. f & w fördern und wohnen AöR ist bereits mit der Beratungsstelle legato (Träger: Vereinigung Pestalozzi gem.GmbH in Zusammenarbeit mit Ambulante Maßnahmen Altona e.V.) im Gespräch, um im Bedarfsfall angemessene Angebote (Beratung, Fort- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1542 3 bildungen) für Haupt- und Ehrenamtliche in der öffentlichen Unterbringung bereithalten zu können. Im Einzelfall steht die Beratungsstelle jetzt schon zur Verfügung, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Angehörige von Radikalisierten zu beraten oder mit Radikalisierten zu arbeiten. Das Team reagiert dabei unmittelbar auf Beratungsbedarfe . Flächendeckende Schulungen sind derzeit nicht erforderlich, da die in den Einrichtungen arbeitenden Fachkräfte ausreichend für problematische Verhaltensweisen sensibilisiert sind. Darüber hinaus siehe Drs. 20/13460, Drs. 21/476 und Drs. 21/954. 6. Was unternimmt die Polizei und das Landesamt für Verfassungsschutz konkret, wenn Fälle von salafistischen Aktivitäten in der Nähe Flüchtlingsheimen bekannt werden? Wenn dem LfV Hamburg entsprechende Vorhaben von Salafisten bekannt werden, werden Polizei und andere zuständige Behörden gemäß § 14 Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz (HmbVerfSchG) unterrichtet. Bei entsprechenden Hinweisen auf aktuelle Aktivitäten wird die Polizei vor Ort mit Sofortmaßnahmen tätig. Die Polizei trifft grundsätzlich alle erforderlichen Maßnahmen zur Strafverfolgung und Gefahrenabwehr. Wenn Hinweise auf Fälle im Sinne der Fragestellung bei der Polizei eingehen, prüft die Staatsschutzabteilung des LKA diese Sachverhalte auch hinsichtlich der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung und des Anwerbens für fremde Wehrdienste und trifft alle jeweils erforderlichen Maßnahmen. Sofern keine Straf- oder Gefahrensachverhalte vorliegen, werden Präventionsmaßnahmen im Rahmen der Präventionskonzeption des LKA 702 geprüft und gegebenenfalls umgesetzt; siehe auch Antwort zu 5.