BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15428 21. Wahlperiode 11.12.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Jörg Hamann (CDU) vom 03.12.18 und Antwort des Senats Betr.: Soziale Erhaltungsverordnung und Anwendung des Vorkaufsrechts In Hamburg gibt es elf Gebiete, in denen die Soziale Erhaltungsverordnung gilt. Das vordringliche Ziel der Sozialen Erhaltungsverordnung ist, Verdrängungseffekte vor allem in innerstädtischen Altbauquartieren, die unter einem starken Aufwertungs- und Verdrängungsdruck stehen, zu entschärfen. So müssen Vorhaben, wie beispielsweise der Abbruch von Gebäuden oder Gebäudeteilen, Bau- beziehungsweise Modernisierungsmaßnahmen oder die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, beantragt werden. Im Falle von beantragten Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen prüft das zuständige Bezirksamt, inwieweit spekulative Absichten verfolgt werden und Nachteile für Mieter entstehen. In Sozialen Erhaltungsgebieten haben die Finanzbehörde und das jeweils zuständige Bezirksamt letztendlich ein Vorkaufsrecht. Aktuell prüfen die Bezirksämter Altona, Eimsbüttel und Mitte in mehreren Fällen von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen. Zuletzt wurde das Instrument für ein Gebäude in der Hein-Hoyer-Straße im Bezirksamtsbereich Mitte angewendet. Der potenzielle Käufer hatte die Abwendungsvereinbarung des Bezirks nicht akzeptiert und die Finanzbehörde machte von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Sozialen Erhaltungsverordnungen flankieren als zentrales Mittel der Wohnungsbestandspolitik die Neubaustrategie des Senats. Insbesondere für innerstädtische Gebiete, die unter einem starken Aufwertungs- und Verdrängungsdruck stehen, werden zum Schutz der Bewohnerstrukturen derartige Verordnungen erlassen. Mit Inkrafttreten einer Sozialen Erhaltungsverordnung und der damit verbundenen Umwandlungsverordnung stehen in den betreffenden Quartieren bauliche Maßnahmen (der Rückbau, die Änderung und die Nutzungsänderung baulicher Anlagen) und Begründungen von Wohnungseigentum im Bestand unter Genehmigungsvorbehalt. Zum Schutz der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung kann die Freie und Hansestadt Hamburg im Geltungsbereich einer Sozialen Erhaltungsverordnung auch das Vorkaufsrecht nach § 24 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 BauGB ausüben. Durch die Hamburger Notariate werden alle Grundstückskaufverträge dem Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) zugeleitet. Diese leitet der Landesbetrieb dem jeweils zuständigen Bezirksamt, Fachamt für Stadt- und Landschaftsplanung , zu, das die Prüfung nach der Zielsetzung der Sozialen Erhaltungsverordnung (§ 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Satz 4 BauGB) vornimmt und das Ergebnis dem LIG mitteilt. In diesem Rahmen findet auch eine Anhörung und Information der Kaufvertragspartner statt. Die Käuferin beziehungsweise der Käufer kann die Ausübung des Vorkaufsrechts abwenden, wenn sie beziehungsweise er in der Lage ist, das Grundstück binnen Drucksache 21/15428 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 angemessener Frist entsprechend dem Ziel der Sozialen Erhaltungsverordnung zu nutzen und sich vor Ablauf der Frist von zwei Monaten zur Ausübung des Vorkaufsrechts hierzu verpflichtet. Ist die Käuferin beziehungsweise der Käufer hierzu nicht bereit, kann das Vorkaufsrecht ausgeübt werden. Da die gesetzliche Frist nur zwei Monate beträgt und die Käuferin beziehungsweise der Käufer bis zum Ablauf der Frist das Vorkaufsrecht abwenden kann, ist parallel bereits die Ausübung des Vorkaufsrechts vorzubereiten. Aktuell gibt es Gebiete mit Sozialer Erhaltungsverordnung in den Bezirken Hamburg- Mitte, Altona und Eimsbüttel. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. In wie vielen Fällen prüft die Freie und Hansestadt Hamburg aktuell die Anwendung des Vorkaufsrechts und um welche Objekte handelt es sich dabei? Bitte nach Belegenheiten und Bezirken aufschlüsseln. Die zuständige Behörde prüft aktuell in 4 Fällen die Anwendung des Vorkaufsrechts auf Basis einer Sozialen Erhaltungsverordnung. Belegenheit Bezirk Nernstweg 19 Altona Schulterblatt 92/Rosenhofstraße 17 Altona Suttnerstraße 8 Altona Friedensallee 72 Altona 2. Sind bei den in Prüfung befindlichen Vorkaufsrechten bereits Abwendungsvereinbarungs -Angebote eingegangen und welche konkreten Punkte der Sozialen Erhaltungsverordnung finden hier Anwendung? In allen vier Fällen hat das Bezirksamt den Käuferinnen beziehungsweise Käufern Entwürfe von Abwendungsvereinbarungen zugesandt. Zusammengefasst finden folgende konkrete Punkte der Sozialen Erhaltungsverordnung hier Anwendung: auf die Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum an dem Gebäude zu verzichten, es sei denn, die Käuferin verpflichtet sich innerhalb von sieben Jahren ab der Begründung von Wohnungseigentum, Wohnungen nur an die Mieterinnen und Mieter zu veräußern, bauliche Änderungen auf dem Kaufgrundstück zu unterlassen, das heißt keine Grundrissänderungen und Modernisierungen der Wohnungen durchzuführen oder durchführen zu lassen, die über die Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustandes einer durchschnittlichen Wohnung im Quartier unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen hinausgehen, keine umfassenden Modernisierungen der Wohneinheiten vorzunehmen, die eine Gleichstellung mit Neubauten rechtfertigen, energetische Modernisierungen zu unterlassen, die über die Mindestanforderungen der Energieeinsparverordnung hinausgehen, einen Rückbau oder teilweisen Rückbau der Gebäude zu unterlassen, es sei denn, die Erhaltung der Gebäude ist auch unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls nachweislich wirtschaftlich nicht zumutbar oder die Verdrängungswirkung des Rückbaus im Gebiet der Sozialen Erhaltungsverordnung wird dadurch ausgeschlossen und kompensiert, dass vergleichbarer Ersatzwohnraum oder entsprechender Sozialer Mietwohnungsbau in dem Gebiet der Sozialen Erhaltungsverordnung neu gebaut wird, eine Änderung der Nutzung von Wohn- in Gewerbeimmobilien zu unterlassen, bei der Vermietung von Wohnraum auf dem Kaufgrundstück in der Regel die Forderung einer Nettokaltmiete zu unterlassen, die den Mittelwert des einschlägigen Rasterfeldes des jeweils gültigen Hamburger Mietenspiegels überschreitet (soweit die Miete den Mittelwert bereits übersteigt: Verzicht auf Mieterhöhungen, solange dies der Fall ist), Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15428 3 leer stehende und frei werdende Wohnungen gemäß den Bestimmungen des Hamburgischen Wohnraumschutzgesetzes nicht länger als vier Monate leer stehen zu lassen, auf den Abschluss von Staffelmietverträgen zu verzichten, auf eigen- oder betriebsbedarfsbedingte Kündigungen zu verzichten. 3. In wie vielen und welchen Fällen gab es in den vergangenen zwei Jahren eine Abwendung des Vorkaufsrechts (nach § 27 BauGB) durch die Unterzeichnung einer Abwendungsvereinbarung? Bitte um Nennung der Anzahl, Belegenheit und des jeweiligen Bezirks. Abwendungsvereinbarungen wurden zwischen dem 3.12.16 und dem 3.12.18 für folgende Belegenheiten geschlossen: Belegenheit Bezirk Martin-Luther-Straße 20/Krayenkamp 15, 15a Hamburg-Mitte Lappenbergsallee 41 Eimsbüttel Max-Brauer-Allee 88 Altona Hohenzollernring 107/109 Altona Barnerstraße 59/61 Altona Bahrenfelder Straße 133 Altona 4. In dem oben skizzierten Sachverhalt (Hein-Hoyer-Straße) konnte keine Abwendungsvereinbarung erzielt werden. Wie stellt sich das Abwendungsvereinbarungs -Angebot im vorliegenden Fall im Detail dar und welche Ziele der Sozialen Erhaltungsverordnung wurden darin konkretisiert ? In dem vorliegenden Fall wurde nach Prüfung des Bezirksamtes eine Gefährdung des Allgemeinwohls durch den Kaufvorgang festgestellt. Der Käuferin wurde daher der Entwurf einer Abwendungsvereinbarung mit den im Grundsatz üblichen Verpflichtungen nach erfolgter schriftlicher Anhörung zugesandt und dessen Inhalte im Zuge eines Gesprächs gemeinsam erörtert: siehe hierzu Antwort zu 2. 5. Welche Gründe wurden seitens des Käufers angeführt, die Vereinbarung nicht zu unterzeichnen, sodass letztendlich der Vorkaufsrechtsfall eintrat ? Keine.