BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15452 21. Wahlperiode 11.12.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Alexander Wolf (AfD) 04.12.18 und Antwort des Senats Betr.: Verstoß gegen das Neutralitätsgebot an der Stadtteilschule Stellingen? Die AfD-Bürgerschaftsfraktion hat Hinweise auf den folgenden Vorgang an der Stadtteilschule Stellingen erhalten: Im Rahmen des Projektes „Karolonia – Stadtlabor für temporäre Weltverbesserung“ fertigte der Kunstkurs der Jahrgangsstufe 11 der Stadtteilschule Stellingen im zweiten Halbjahr des Schuljahres 2017/2018 unter Betreuung der Kunstlehrerin Frau*1 (Projektleiterin ) sowie der Kulturagentin Frau O. und der Grafikdesignerin Frau B. das Projektmagazin „New Renaissance“ an. Die öffentlich zugängliche und verkäufliche Druckausgabe des Magazins (Preis 1,50 Euro) liegt der AfD- Bürgerschaftsfraktion vor.2 In dem Magazin posieren verschiedene Schülerinnen mit weißen oder hellgrauen T-Shirts, auf denen politisch-gesellschaftliche Statements aufgedruckt sind. Auf Seite 12 posiert auf einer ganzen Seite eine Schülerin im Großportrait mit dem T-Shirt-Aufdruck: „AFD Alternative für Dummheit“. Der Homepage der Stadtteilschule Stellingen ist zu entnehmen, dass die Schüler für das Projekt „hintergründige, intelligente Statements für Shirts entwickelt, gedruckt und zur großen Parade in der Markstraße im Schaufenster präsentiert “ haben.3 Auf Seite 14 des Magazins werden Gegenstände, Personen und Gruppen genannt, die man im fiktiven Stadtteil „Karolonia“ nicht haben möchte. In einer Textzeile werden unter anderem folgende Begriffe nebeneinander genannt: „AfD, Spinner, Schimmel, Müll“; des Weiteren werden in dieser Begriffszusammenstellung unter anderem folgende Begriffe in einem Atemzug mit der AfD genannt: „unfreundliche Menschen, Nazis, Ratten, Pedophile, böse Menschen, Hundesch***, Polizei“. Auf Seite 8 des Magazins werden Begriffe genannt, die man im Stadtteil „Karolina“ dagegen begrüßen würde. Darunter wird unter anderem ein „grüner Staat“ gezählt. Auf Seite 11 des Magazins ist das Symbol der „Antifa“ abgedruckt (Kreis mit integriertem „A“). Verschiedene Hamburger Antifa-Gruppen werden vom Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg beobachtet und der linksextremistischen, autonomen und gewaltorientierten Szene zugeordnet.4 Das Projekt „Karolonia“ wurde mitorganisiert und unterstützt von den Kulturagenten für kreative Schulen. Die „Kulturagenten“ sind ein „Projekt“ der conecco gUG – Gesellschaft zur Förderung von Kultur, Entwicklung und 1 Der vollständige Name liegt der AfD-Bürgerschaftsfraktion vor. 2 Online kann das Magazin unter folgendem Link eingesehen werden: https://www.karolonia.com/die-stadtlabore/wandzeitung/ (abgerufen am 25.11.2018). 3 https://stadtteilschule-stellingen.schulhomepages.hamburg.de/new-renaissance/ (abgerufen am 25.11.2018). 4 Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz 2017, Seite 80 fortfolgende. Drucksache 21/15452 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Management, gefördert durch das Land Hamburg, vertreten durch die Behörde für Schule und Berufsbildung und die Kulturbehörde, die MUTIK gGmbH sowie die Kulturstiftung des Bundes und die Stiftung Mercator.5 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Beschäftigen sich Schülerinnen und Schüler eines elften Jahrgangs im Unterricht mit Kunst, verantworten sie die von ihnen erstellten Produkte selbst. Sie unterliegen lediglich der Bewertung in Bezug auf ihre gestalterische Qualität durch die Lehrkraft nach den entsprechenden Prüfungsordnungen. Die für Bildung zuständige Behörde enthält sich einer Bewertung der Vorstellungen von einem fiktiven Stadtteil. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen, wie folgt: 1. Wie viele T-Shirts, Taschen oder sonstige Gegenstände mit politischgesellschaftlichen Statements wurden im Rahmen der Projekttage „Karolonia “ für das Projekt des Kunstkurses der Jahrgangsstufe 11 der Stadtteilschule Stellingen und für die Produktion des Projektmagazin „New Renaissance“ mit welchen Textaufdrucken angefertigt? Folgende Prototypen sind im Rahmen des Karolonia Projektes entstanden: ein T-Shirt „AfD-Alternative für Dummheit“ (weder Typo noch Farbigkeit im Corporate der Partei AfD, sondern in Pink und Rosa), ein T-Shirt „Mensch MACHT Bildung“, ein T-Shirt „Bildung ohne Manipulation“, ein T-Shirt als Prototyp „Fakten kann ich auch nicht ändern“, ein T-Shirt als Prototyp „Asyl ungleich Tourismus“, ein Sweatshirt „Feminismus , Substantiv, der maskulin“ und ein Kissen „Feminismus, Substantiv, der maskulin “. Der favorisierte Entwurf des Shirts „Feminismus, Substantiv, der maskulin“ ist in Serie gegangen (aktuelle Kollektion des Ladens „Elternhaus“). Außerdem wurden insgesamt 60 Beutel mit dem Schriftzug Karolonia (Wortmarke ohne Botschaft) angefertigt. 2. Welche Kosten sind durch den Ankauf und die Bedruckung des/der T-Shirts mit dem Aufdruck „AFD Alternative für Dummheit“ entstanden und wer hat die Kosten dafür getragen? Der Pauschalbetrag von 300 Euro für Workshopbetreuung und Aufwandsentschädigung an das Atelier „Elternhaus“ wurde von den Kulturagenten für kreative Schulen, Hamburg, entrichtet und aus Projektmitteln des Programms „Kulturagenten für kreative Schulen“ finanziert. 3. Inwieweit handelt es sich bei dem Aufdruck „AFD Alternative für Dummheit “ um eines dieser „hintergründigen, intelligenten Statements“, wie es auf der Homepage der Stadtteilschule Stellingen dargelegt wird? Diese Attribute treffen auf den nach Umfrage unter den Projektbeteiligten, das heißt den Schülerinnen, den zwei Künstlerinnen und der begleitenden Kunstlehrerin, favorisierten Sieger-Entwurf „Feminismus Substantiv, der maskulin“ zu, der dann auch in Serie gegangen ist. 4. Wer hat bezugnehmend auf die T-Shirt-Aufdrucke den Text auf der Homepage der Stadtteilschule Stellingen („hintergründige, intelligente Statements“) verfasst und veröffentlicht? Verfasst wurde der Text von der Kulturagentin der Stadtteilschule Stellingen, veröffentlicht von der Stadtteilschule Stellingen. 5. Wurde das T-Shirt mit dem Aufdruck „AFD Alternative für Dummheit“ in einem Schaufenster der Marktstraße während der großen Parade oder zu einem anderen Zeitpunkt der Projekttage präsentiert? 5 https://www.karolonia.com/ (abgerufen am 25.11.2018). Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15452 3 Nein. 6. Nach den §§ 1 – 3 Hamburgisches Schulgesetz (HmbSG) hat jeder Schüler das Recht auf eine seinen Fähigkeiten und Neigungen entsprechende Bildung und Erziehung. Dies gilt ungeachtet seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen (!) oder einer Behinderung. In Drs. 21/10700 bestätigt der Senat im Fall eines „F** AfD“-Schildes, welches von Schülern im Rahmen einer schulischen Diskussionsveranstaltung gezeigt wurde, dass Lehrkräfte bei Schüler-Bekundungen, die von der Wortwahl her beleidigend und geschmacklos sind, im Sinne einer Versachlichung der Debatte gemäß des Bildungs- und Erziehungsauftrages (§§ 1 – 3 Hamburgisches Schulgesetz (HmbSG)) hinwirken sollen. Hat die betreuende Lehrerin auf eine Versachlichung der Darstellung, insbesondere mit Blick auf den T-Shirt- Aufdruck „AFD Alternative für Dummheit“, hingewirkt? Die Lehrkraft hat im Rahmen ihrer Rolle als pädagogische Begleitung des Projekts Karolonia auf eine Versachlichung der Darstellung gemäß dem Bildungs- und Erziehungsauftrag (§§ 1 bis 3 Hamburgisches Schulgesetz) insbesondere mit Blick auf das T-Shirt „AfD-Alternative für Dummheit“ hingewirkt. Dieses T-Shirt gibt eine Schülermeinung wieder. Im Fokus und Vordergrund der Umsetzungen standen die künstlerisch-gestaltenden Beiträge der Schülerinnen zum Thema eines fiktiven Labors für temporäre Weltverbesserung in Zusammenarbeit mit den beteiligten Künstlerinnen. 7. Verstoßen die Anfertigung des T-Shirts mit dem Aufdruck „AFD Alternative für Dummheit“, seine Veröffentlichung in dem zum Verkauf angebotenen Projektmagazin „New Renaissance“, das mögliche Ausstellen des T-Shirts während der großen Parade in der Markstraße im Schaufenster – jeweils unter Berücksichtigung der Betreuung des Projektes durch die Kunstlehrerin des Kunstkurses der Jahrgangsstufe 11 der Stadtteilschule Stellingen, der Nennung der Stadtteilschule Stellingen als betreuende Einrichtung des Kunstprojektes (zum Beispiel im veröffentlichten Projektmagazin ), der öffentlichen Förderung des Projektes durch die Behörde für Schule und Berufsbildung sowie der Kunstbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg und die öffentliche Förderung durch Bundesmittel – gegen folgende Rechtsvorschriften und/oder Vorgaben aus den Bildungsplänen : a) die aus dem Grundgesetz (GG, Artikel 3 Absatz 1, Artikel 20 und Artikel 21 Absatz 1) abgeleitete Verpflichtung zur Neutralität, b) §§ 1 – 3 Hamburgisches Schulgesetz (HmbSG) (Hinwirken auf eine sachliche Debatte), c) der Beutelsbacher Konsens, d) die Geschäftsordnungsbestimmung Nummer 14 der BSB? Bitte buchstabenweise umfassend erläutern. 8. Gelten die Antworten der Fragen 6. und 7. auch, wenn der Aufdruck auf dem T-Shirt gelautet hätte: „SPD S**dumme Partei Deutschlands“? Siehe Vorbemerkung. 9. Hat die betreuende Lehrerin auf eine Versachlichung der Darstellung mit Blick auf das in dem Projektmagazin veröffentlichte Symbol der linksextremistischen „Antifa“ hingewirkt? Das „Elternhaus“ als Kooperationspartner des Projektes hat vier Schülerinnen des Kunstkurses der Stadtteilschule Stellingen seine Atelierräume zum Gestalten zur Verfügung gestellt. Als Anerkennung für die unentgeltliche Raumnutzung wurde im Projektmagazin eine Anzeige (siehe Hinweis „Anzeige“ rechts oben) des „Elternhaus“ Drucksache 21/15452 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 geschaltet. Der „Elternhaus“-Schriftzug inklusive des Zeichens (A im Kreis) ist Teil des Corporate Designs der Manufaktur. In diesem Projektzusammenhang der Gründung einer fiktiven Mikronation Karolonia wurde unter anderem auch über die Bedeutung des Anarchiesymbols mit den Schülerinnen diskutiert gemäß Bildungsauftrag nach §§ 1 bis 3 des Hamburgischen Schulgesetzes . 10. Verstößt die (positiv konnotierte) Veröffentlichung des „Antifa“-Symbols in dem Projektmagazin „New Renaissance“ unter Berücksichtigung der Betreuung des Projektes durch die Kunstlehrerin des Kunstkurses der Jahrgangsstufe 11 der Stadtteilschule Stellingen, der Nennung der Stadtteilschule Stellingen als betreuende Einrichtung des Kunstprojektes (zum Beispiel im veröffentlichten Projektmagazin), der öffentlichen Förderung des Projektes durch die Behörde für Schule und Berufsbildung sowie der Kunstbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg und die öffentliche Förderung durch Bundesmittel – gegen folgende Rechtsvorschriften und/oder Vorgaben aus den Bildungsplänen: a) die aus dem Grundgesetz (GG, Artikel 3 Absatz 1, Artikel 20 und Artikel 21 Absatz 1) abgeleitete Verpflichtung zur Neutralität, b) §§ 1 – 3 Hamburgisches Schulgesetz (HmbSG) (Hinwirken auf eine sachliche Debatte), c) die Geschäftsordnungsbestimmung Nummer 14 der BSB? Bitte buchstabenweise umfassend erläutern. 11. Gilt die Antwort aus Frage 10. auch, wenn in dem Projektmagazin das Symbol einer vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch und gewaltorientiert eingestuften Gruppe/Organisation veröffentlicht worden wäre? Siehe Vorbemerkung.