BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15456 21. Wahlperiode 11.12.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 05.12.18 und Antwort des Senats Betr.: Meldungen der Gewaltvorfälle und von „Mobbing“ in Schulen – Wie ist der aktuelle Stand? Im August 2015 ist die „Richtlinie zur Bearbeitung und Meldung von Gewaltvorfällen in Schulen“ vom Senat überarbeitet worden und findet seit dem nur noch auf Straftaten wie zum Beispiel Raub, Erpressung, gefährliche Körperverletzung und Straftaten gegen das Leben Anwendung. Andere einzelne Delikte sind aus der Neufassung gestrichen worden. Dabei muss Gewalttätigkeiten frühzeitig begegnet werden. Einen Antrag der FDP-Fraktion1 zur Rückkehr zur Regelung aus dem Jahr 2009 hatten die Fraktionen SPD, DIE GRÜNEN und DIE LINKE abgelehnt. Im Schuljahr 2010/2011 wurden noch 883 Gewaltvorfälle an Schulen gemeldet und im Jahr 2015 war ein Anstieg auf 1.888 Meldungen zu verzeichnen.2 Die Beratungsstelle Gewaltprävention hat im Schuljahr 2016/2017 85 Anfragen bearbeitet, die sich auf Verdacht und konkrete Mobbingfälle beziehen.3 In Schleswig-Holstein müssen die Schulen mittlerweile alle Fälle von Gewalt und „Mobbing“ mit dem gesamten Konfliktgrund melden.4 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Das bis zum Schuljahr 2014/2015 geltende Meldeverfahren mit der Einteilung der gemeldeten Vorfälle in die Deliktkategorien 1 und 2 hatte sich nicht bewährt, weil sich die Erstbeurteilungen durch pädagogische Kräfte in den Schulen von den Ergebnissen der polizeilichen Ermittlungen oft erheblich unterschieden und in vielen Fällen als nicht angemessen eingestuft werden mussten. Aufgrund von Empfehlungen einer überbehördlichen Expertengruppe (siehe Drs. 21/5677 und Drs. 21/10344) erfolgte in der für Bildung zuständigen Behörde eine Überarbeitung der Richtlinie und des Meldebogens. Der Meldebogen erhielt mit der Aktualisierung eine inhaltliche Fokussierung auf anzeigepflichtige Straftaten, auf den anlassbezogenen, dringenden Unterstützungsbedarf der meldenden Schule, eine Konkretisierung der gewünschten Hilfestellung und eine stärkere Differenzierung in Maßnahmen für die geschädigten Personen und die Tatverdächtigen. Zudem wurde der Meldebogen im Hinblick auf eine transparentere Struktur, eine eindeutige Handlungs - und Zuständigkeitsfolge und der zusätzlichen Berücksichtigung von Maßnahmen beim Opferschutz überarbeitet. Um eine Vergleichbarkeit mit der Polizeilichen 1 Vergleiche Antrag Drs. 21/2225 vom 11.11.2015. 2 Vergleiche Antrag Drs. 21/2225 vom 11.11.2015; Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/1917 vom 20.10.2015. 3 Vergleiche Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/10344 vom 19.09.2017. 4 Vergleiche https://www.german-news.net/kn-schulen-in-schleswig-holstein-muessen-gewaltund -mobbing-kuenftig-melden/. Drucksache 21/15456 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Kriminalstatistik (PKS) herzustellen, sind seit dem Schuljahr 2015/2016 folgende Delikte gegenüber der für Bildung zuständigen Behörde meldepflichtig und gegenüber der Polizei Hamburg anzeigepflichtig: Straftaten gegen das Leben, Sexualdelikte, Raub/Erpressung und gefährliche Körperverletzung. Vorfälle und Straftaten, die nicht zur Definition der Gewaltkriminalität gehören, werden schulintern dokumentiert. Sie werden auch der Polizei mitgeteilt, wenn dies nicht wegen der geringen Schwere der Tat, dem Lebensalter oder der Einsichtsfähigkeit der Schülerin oder des Schülers oder sonstigen Umständen unverhältnismäßig wäre. In allen Fällen können die Schulen weiterhin geeignete Beratungs- und Unterstützungsleistungen der Schulaufsicht, der regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBZ), des Beratungs- und Unterstützungszentrums Berufliche Schulen (BZBS) sowie der Beratungsstelle Gewaltprävention in Anspruch nehmen, die regelhaft auf die polizeiliche Anzeige in der Beratung hinweisen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele anzeigepflichtige Gewalttaten sind im Schuljahr 2017/2018 jeweils a. von welcher Schule, b. an welcher Schulform, c. in welchem Bezirk/Stadtteil gegenüber welcher zuständigen Stelle warum gemeldet worden? 2. Wie viele der unter 1. anzeigepflichtigen Gewalttaten sind im Schuljahr 2017/2018 a. Straftaten gegen das Leben (§§ 211 bis 222 StGB), b. Sexualdelikte oder Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184 c StGB), c. Raub oder Erpressung (§§ 249 bis 256 StGB), d. gefährliche Körperverletzung (§§ 223 bis 231 StGB), e. schwerer Fall der Bedrohung (§ 241 StGB), f. Verstöße gegen das Waffengesetz (§§ 51 bis 53 Waffengesetz), g. Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, h. besonders schwerer Fall des Diebstahls, Diebstahl mit Waffen (§§ 243 bis 244 a StGB)? 3. Wie viele und welche weitere Straftaten sind im Schuljahr 2017/2018 a. von welcher Schule, b. an welcher Schulform, c. in welchem Bezirk/Stadtteil gegenüber welcher zuständigen Stelle warum gemeldet worden? 4. Wie viele Personen an Schulen wurden im Schuljahr 2017/2018 Opfer von Gewaltvorfällen? Bitte aufschlüsseln nach Schülern, Lehrern und sonstigen Bediensteten. Siehe Vorbemerkung und Drs. 21/14576. 5. Wie werden Fälle von „Mobbing“ oder von „Stalking“ an Hamburger Schulen in welcher Form, von welcher zuständigen Stelle und seit wann erfasst? 6. Wie viele Vorfälle wegen „Mobbings“ insbesondere „Cybermobbings“ und „Stalkings“ sind im Schuljahr 2017/2018 a. von welcher Schule, Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15456 3 b. an welcher Schulform, c. in welchem Bezirk/Stadtteil gegenüber welcher zuständigen Stelle warum gemeldet worden? Die Polizei erfasst Straftaten gemäß dem Straftatenkatalog der Richtlinien für die Erfassung und Verarbeitung der Daten in der PKS. In der PKS werden Delikte fest definierten PKS-Schlüsselzahlen zugewiesen. Das Merkmal „Stalking“ wird als Nachstellung gemäß § 238 Strafgesetzbuch in der PKS seit 2008 unter der Schlüsselzahl 232400 erfasst. Das Phänomen „Mobbing“ ist kein eigener Straftatbestand und wird daher von der Polizei nicht gesondert erfasst. Infrage kommende Delikte wie Beleidigung , üble Nachrede oder Verleumdung werden in der PKS jeweils unter den ihnen zugewiesenen Schlüsselzahlen erfasst, ohne dass hierbei eine Zuordnung zu einem bestimmten Phänomenbereich wie „Mobbing“ erfolgt. Die PKS ist auf Jahresauswertungen ausgelegt. Innerhalb eines Berichtsjahres unterliegt der PKS-Datenbestand einer ständigen Pflege, zum Beispiel durch Hinzufügen von nachträglich ermittelten Tatverdächtigen oder der Herausnahme von Taten, die sich im Nachhinein nicht als Straftat erwiesen haben. In der PKS wird ein Fall in dem Monat gezählt, in dem er erfasst wurde. Die Tatzeit bleibt dabei unberücksichtigt. Jahresübergreifende Daten können anhand der PKS nicht dargestellt werden, somit kann keine Aussage zu Schuljahren getroffen werden. Auf einzelne Monate aufgegliederte Fallzahlen sind in der PKS nicht valide. Zum Erhalt der größtmöglichen Validität wurden für 2018 die ersten drei Quartale gewählt. Im Jahr 2017 wurden in der PKS zwei Fälle und im Jahr 2018 bis zum 30. September ein Fall von „Stalking“ unter der Schlüsselzahl 232400 mit der Tatörtlichkeit „Schule“ erfasst. Bei der Schulaufsicht der für Bildung zuständigen Behörde lagen im Schuljahr 2017/ 2018 insgesamt zwei Fälle von Mobbing beziehungsweise Cybermobbing beziehungsweise Stalking vor. Der Senat sieht in ständiger Praxis von der öffentlichen Benennung von Schulnamen, Standorten oder weiteren Informationen zu Beratungsund Vermittlungsanfragen ab, um eine Stigmatisierung einzelner Schulen zu verhindern , die Vertraulichkeit der fallbezogenen Beratungsarbeit zu wahren und eine Identifizierung einzelner Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte zu verhindern. Die Beratungsstelle Gewaltprävention der für Bildung zuständigen Behörde berät Eltern, Vertreterinnen und Vertreter aus Schulen und auch externe Ratsuchende bei Fragen zum Thema Mobbingintervention. Die Beratung hat den Anspruch der Vertraulichkeit und der Lösungsorientierung. Ziel ist, dass unter Wahrung des Opferschutzes eine Handlungskette entwickelt wird, die dazu führt die Mobbingprozesse zu stoppen. Einige Anfragen beziehen sich auch auf den Verdacht auf Mobbing oder den Umgang mit komplexeren Konfliktstrukturen. Die Anfragen lassen sich für das Schuljahr 2017/2018 nach Schulformen wie folgt differenzieren: • Grundschule: 28, • Gymnasien: 32, • Stadtteilschulen: 26, • Sonstige: fünf (anonyme Anfragen). Meldungen zu Stalking lagen der Beratungsstelle Gewaltprävention im Schuljahr 2017/2018 nicht vor. Eine Zuordnung nach Bezirk/Stadtteil wird nicht erfasst (ergänzend siehe Antwort zu 8 a. bis c.). Im Übrigen siehe Drs. 21/14809. Das BZBS des Hamburger Instituts für Berufliche Bildung berät Vertreterinnen und Vertreter aus berufsbildenden Schulen, externe Schülerinnen und Schüler, Auszubildende sowie deren Sorgeberechtigte bei Fragen zu dem Thema Mobbingintervention. Die Beratung erfolgt vertraulich und hat den Anspruch der Lösungsorientierung. Ziel ist, dass unter Wahrung des Opferschutzes eine Handlungskette entwickelt wird, die dazu führt die Mobbingprozesse zu stoppen. Einige Anfragen beziehen sich auf den Verdacht auf Mobbing oder den Umgang mit komplexeren Konfliktsituationen. Eine Drucksache 21/15456 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 zentrale Erfassung der Meldeerlasse „Mobbing“ und „Stalking“ findet im BZBS nicht statt. 7. Sind dem Senat die Vorhaben der Regierung in Schleswig-Holstein bekannt, wonach ein neues System zur Erfassung von Gewalt und „Mobbing“ an Schulen etabliert werden soll? a. Wenn ja, wie bewertet der Senat diese Planungen im Hinblick auf Hamburger Schulen? b. Wenn ja, plant der Senat eine ähnliche Datenbank einzurichten, wonach alle gemeldeten Fälle von Gewalt und „Mobbing“ an Hamburger Schulen erfasst werden? c. Wenn nein, warum hat sich der Senat dazu bisher noch nicht befasst? Der Beratungsstelle Gewaltprävention der für Bildung zuständigen Behörde ist das Vorhaben des Bildungsministeriums in Schleswig-Holstein bekannt. Im Sommer 2018 gab es einen persönlichen fachlichen Austausch zwischen einem ministeriellen Vertreter in Kiel und dem Leiter der Beratungsstelle Gewaltprävention in dieser Angelegenheit . Die konkrete Umsetzung in Schleswig-Holstein wird zurzeit noch geplant, sodass zum jetzigen Zeitpunkt das Vorhaben nicht genau eingeschätzt werden kann. Die für Bildung zuständige Behörde hält aufgrund der Erfahrung mit der Richtlinie „Meldung und Bearbeitung von Gewaltvorfällen an Schulen“ an der eigenen Vorgehensweise fest. Die Fokussierung auf Delikte der Gewaltkriminalität hat sich bewährt (siehe Drs. 21/14576). Hamburger Schulen erhalten bei einem Vorfall in der Schule Unterstützung von den schulbehördlichen Institutionen (ReBBZ, Schulaufsicht, Beratungsstelle Gewaltprävention) sowie der Polizei Hamburg. Insbesondere bei Meldungen von Gewaltvorfällen greift diese Hilfestellung zeitnah und konsequent. Gleich gilt für das Phänomen Mobbing der Schulen und die entsprechende Unterstützung durch die Fachstellen. 8. In wie vielen Fällen sind von welcher Schule, in welchem Stadtteil/Bezirk Beratungs- und Unterstützungsleistungen a. der Schulaufsicht, b. der ReBBZ/BZBS, c. der Beratungsstelle Gewaltprävention in Anspruch genommen worden (bitte genau begründen)? Die Schulaufsicht steht in vielseitigen Beratungszusammenhängen mit den Schulleitungen in Kontakt. Dabei wird die Häufigkeit der Beratung einzelner Schülerinnen und Schüler nicht statistisch erfasst. Für das Schuljahr wurden insgesamt zehn Beratungs- und Unterstützungsleistungen im Schuljahr 2017/2018 erbracht. Der Senat sieht in ständiger Praxis von der öffentlichen Benennung von Schulnamen, Standorten oder weiteren Informationen zu Beratungs - und Vermittlungsanfragen ab, um eine Stigmatisierung einzelner Schulen zu verhindern, die Vertraulichkeit der fallbezogenen Beratungsarbeit zu wahren und eine Identifizierung einzelner Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte zu verhindern. In den ReBBZ-Beratungsabteilungen wurden in 119 Fällen Beratungs- und Unterstützungsleistungen im Schuljahr 2017/2018 aufgrund von eingegangenen Gewaltmeldung erbracht. Eine Auswertung nach Schulen und Bezirken erfolgt nicht. Für die Beantwortung wäre eine manuelle Aktenauswertung erforderlich. Dies ist in der für Parlamentarische Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im BZBS wurden in neun Fällen Beratungs- und Unterstützungsleistungen im Schuljahr 2017/2018 aufgrund von eingegangen Gewaltmeldungen erbracht. Eine Auswertung nach Schulen und Bezirken erfolgt nicht. Im Übrigen siehe Drs. 21/14576. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15456 5 9. In welcher Weise ist das Handlungskonzept „Handeln gegen Jugendgewalt “ (Drs. 19/8174) seit 2015 umgesetzt und weiterentwickelt worden (Drs. 20/5972)? Bitte konkret ausführen. Mit der Fortführung des Handlungskonzepts „Handeln gegen Jugendgewalt“ wird weiterhin das Ziel verfolgt, delinquentes, insbesondere gewalttätiges Verhalten von Kindern , Jugendlichen und Heranwachsenden zu verhindern beziehungsweise zu dessen Reduzierung beizutragen. Das Handlungskonzept „Handeln gegen Jugendgewalt“ wird fortlaufend situationsbezogen weiterentwickelt. Ein wesentliches Schwerpunktthema war Ende 2014/Anfang 2015 die Integration der unbegleitet geflüchteten Kinder und Jugendlichen, die polizeilich auffällig waren. Im Übrigen siehe Drs. 20/9444 sowie Controllingberichte 2015 bis 2017 im Transparenzportal Hamburg (http://transparenz.hamburg.de/). Regelmäßige Referenten, Amtsleiter- und Staatsräterunden beschäftigen sich mit aktuellen Problemlagen, neuen Konzeptansätzen und dem fortlaufenden Controlling der einzelnen bestehenden Maßnahmen.