BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15495 21. Wahlperiode 18.12.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider, Cansu Özdemir und Dr. Carola Ensslen (DIE LINKE) vom 10.12.18 und Antwort des Senats Betr.: Schließung der Schutzeinrichtung für geflüchtete Frauen am Kaltenkircher Platz In der Bürgerschaftssitzung vom 28.11.18 bestätigte Sozialsenatorin Leonhard , dass die Innenbehörde beabsichtigt, die Schutzeinrichtung für geflüchtete Frauen und Frauen mit Kindern am Kaltenkircher Platz „zurückzubauen“. Die Erstaufnahmeeinrichtung war 2016 ausschließlich für Frauen und ihre Kinder errichtet worden. Damit trug die Freie und Hansestadt Hamburg der Tatsache Rechnung, dass Frauen oftmals einen besonderen Schutzbedarf haben, da sie häufig in ihrem Herkunftsland, während ihrer Flucht oder in Deutschland sexualisierter und/oder körperlicher Gewalt ausgesetzt waren, (sexuell) ausgebeutet wurden oder von Menschenhandel bedroht sind. Die Einrichtung am Kaltenkircher Platz bietet diesen Frauen diesen Schutz- und Rückzugsraum, damit sie und ihre Kinder sich nach traumatischen Erfahrungen stabilisieren können. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Dem Senat ist der Schutz von Frauen und ihren Kindern, die von Gewalt betroffen sind, ein großes Anliegen. Dies gilt auch für die Gruppe der geflüchteten Frauen. Zum verbesserten Schutz dieser Frauen sowie den einrichtungsspezifischen Gewaltschutzkonzepten siehe Drs. 21/4174, Drs. 21/5359, Drs. 21/6163, Drs. 21/6548, Drs. 21/6891, Drs. 21/7485, Drs. 21/9660, Drs. 21/10457, Drs. 21/10582 und Drs. 21/11908. In der Kaltenkirchener Straße befindet sich eine Erstaufnahmeeinrichtung (EA) mit 150 Plätzen für schutzbedürftige Frauen mit und ohne Kindern. Infolge sinkender Zugangszahlen von Geflüchteten wird das dortige Platzkontingent für besonders schutzbedürftige Personen seit Längerem nicht mehr ausgeschöpft. Der Bedarf an Schutzplätzen ist seit 2017 rückläufig und die Ausnutzung der vorhandenen Kapazität, insbesondere in den EA, ist auch in der Zukunft nicht zu erwarten. Hinzu kommt, dass die Unterbringung in einer EA die Frauen in ihrer Selbständigkeit, insbesondere durch die Cateringversorgung, stark einschränkt. Die zuständigen Behörden sind gemeinsam mit f & w fördern und wohnen AöR (f & w) und der Koordinierungsstelle savîa steps against violence (savîa) bereits auf der Suche nach alternativen Standorten für eine öffentlich-rechtliche Unterkunft (örU), die den Schutzbedarf der Frauen weiterhin gewährleisten. Alle Beteiligten sind sich dabei einig, dass Frauen, die in ihrem Herkunftsland, auf der Flucht oder seit ihrer Ankunft von Gewalt betroffen sind, einen besonderen Schutz- und Unterbringungsbedarf haben , der auch in einer örU speziell berücksichtigt werden muss. Daher ist nicht jede örU für eine entsprechende Unterbringung geeignet. Drucksache 21/15495 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Aktuell werden mögliche Standorte geprüft. Die Planungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen. Auch für die Zielgruppe der übrigen Betroffenen (Alleinstehende mit und ohne Kinder, Personen mit psychischen oder physischen Beeinträchtigungen), die aktuell in der EA Kaltenkirchener Straße untergebracht sind, sollen unter Berücksichtigung der Bewohnerstruktur von f & w und savîa in jedem Einzelfall individuelle Lösungen bei einer Verlegung in örU gefunden werden. Vor diesem Hintergrund wird derzeit geprüft, die EA in der bisherigen Form nicht weiterzuführen. Die Planungen dazu sind noch nicht abgeschlossen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften von f & w wie folgt: 1. Wann soll die Schutzeinrichtung am Kaltenkircher Platz nach den bisherigen Plänen geschlossen werden? 2. Wann soll die Verlegung abgeschlossen sein? 3. Aus welchen Gründen soll die Schutzeinrichtung geschlossen werden? a. Sofern Kostengründe eine Rolle spielen: Welche Möglichkeiten wurden geprüft, Kosten zu senken, ohne die Schutzfunktion der Einrichtung zu gefährden? Siehe Vorbemerkung. Darüber hinaus sind bei den Überlegungen die Kosten als ein Aspekt eingeflossen. Die Gesamtkosten der Einrichtung setzen sich zusammen aus den Personal- und Betriebskosten sowie den Kostenfaktoren Reinigung, Catering und Wachdienst. Diese Faktoren werden regelmäßig geprüft und ins Verhältnis zur Belegung gesetzt. Im Ergebnis liegen die Kosten pro Platz deutlich über dem Durchschnitt, siehe Drs. 21/8908. 4. Wie viele Bewohner/-innen lebten mit Stichtag 31.8.18 und 30.11.18 in der Schutzeinrichtung? a. Wie viele sind zwischen dem 31.8. und dem 30.11.18 in eine andere Unterkunft verlegt worden? b. In welche Wohnunterkünfte wurden die Betroffenen verlegt? c. Inwiefern wurde ihr besonderer Schutzbedarf berücksichtigt? Welche Schutzkonzepte sind in den betreffenden Unterkünften realisiert ? d. Inwiefern trifft zu, dass mindestens zwei Frauen, die vom Kaltenkircher Platz verlegt wurden, sich inzwischen in stationärer Psychiatrie befinden? e. Wie viele wurden zwischen dem 31.8. und 30.11.18 neu in die Einrichtung am Kaltenkircher Platz verlegt? f. Für wie viele geflüchtete Frauen und Frauen mit Kindern ist in Hamburg nach dem 31.8.18 ein besonderer Schutzbedarf festgestellt worden? Zum Stichtag 31. August 2018 lebten 99 Bewohnerinnen und deren Kinder in der EA, zum Stichtag 30. November 2018 79. Es sind 41 Personen in 19 örU verlegt worden. Um die Mütter und Kinder zu schützen, wird davon abgesehen, konkrete Örtlichkeiten zu nennen. Dies gilt auch für die insgesamt zur Verfügung stehenden Einrichtungen mit besonderen Schutzkonzepten oder örU mit separierten Bereichen für Frauen und Kinder. Darüber hinaus werden in allen örU bei Bedarf baulich abgeschlossene Bereiche (komplette Flure, komplette abgeschlossene Wohnungen, komplette Häuser/ Pavillons) nur mit alleinstehenden Frauen beziehungsweise Frauen mit Kindern belegt. Insgesamt gibt es 303 Plätze in Einrichtungen, in denen nur Frauen mit ihren Kindern untergebracht sind. Davon waren zum 31. Oktober 2018 284 Plätze belegt. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15495 3 Außerdem gibt es 66 Plätze in Unterkünften mit separierten Bereichen für Frauen und deren Kinder und Unterkünfte, die baulich abgeschlossene Bereiche ermöglichen. In die EA wurden im selben Zeitraum 35 Personen neu aufgenommen. Die individuellen Schutz-/Bedarfe der Personen wurden dem Belegungsmanagement im Rahmen der üblichen Verlegungsplanung mitgeteilt (Siehe Drs. 21/15179). Sollten die Bedarfe im Rahmen der Transferplanung nicht ausreichend berücksichtigt worden sein, können die Betroffenen einen Antrag auf Verlegung stellen. In allen örU wird das einrichtungsspezifische Schutzkonzept angewendet – siehe auch Vorbemerkung. Informationen zum Aufenthalt von Personen in stationären Einrichtungen werden aus Datenschutzgründen statistisch nicht erfasst. Im Ankunftszentrums Rahlstedt und den EA wurden seit Juli 2016 50 Anträge auf Verlegung aufgrund des Merkmals „alleinstehende belastete Frau“ gestellt. Außerdem lässt sich eine Anzahl von schutzbedürftigen Frauen aus den belegten Schutzplätzen in EA und örU ableiten. Darüber hinaus können keine Aussagen zur Anzahl besonders schutzbedürftiger Frauen und Frauen mit Kindern in EA oder örU getroffen werden , da sich Schutzbedarfe im weiteren zeitlichen Verlauf (zum Beispiel Stabilisierung durch psychotherapeutische Behandlung) ändern können. Aktuell liegen in den EA und dem Ankunftszentrum keine offenen Anträge auf Unterbringung schutzbedürftiger Frauen vor. Im Rahmen des Verfahrens „Geschützte Unterkunft“ wurden seit dem 31. August 2018 für fünf Frauen Anträge auf Verlegung aufgrund des Merkmals „alleinstehende belastete Frau“ gestellt. 5. Bitte machen Sie für den 30.11.18 oder einen Stichtag im Dezember Angaben über: a. die Anzahl der Mütter mit Kindern, b. die Anzahl schwangerer Frauen, c. die Anzahl der Kinder, darunter Kinder unter drei, Kinder von drei bis sechs Jahren, Kinder von sieben bis zwölf Jahren, Kinder/ Jugendliche über zwölf Jahre, d. die Anzahl der Bewohner/-innen aus einem sogenannten sicheren Herkunftsland e. die Anzahl der B,ewohner/-innen, die aus einem anderen Dublin- Staat in die Bundesrepublik eingereist sind, f. Verweildauer der Frauen in der Einrichtung nach Quartalen. Am 30. November 2018 lebten 20 Mütter mit insgesamt 38 Kindern sowie vier schwangere Frauen in der EA. Die Anzahl der Kinder ist der folgenden Tabelle zu entnehmen: Alter der Kinder nach Jahren Anzahl Kinder gesamt unter drei 17 3 bis 6 9 7 bis 12 8 über 12 4 gesamt 38 Quelle: Zentraler Koordinierungsstab Flüchtlinge (ZKF)/Quartiersmanagement (QMM) Die 27 Bewohnerinnen und gegebenenfalls deren Kinder kommen aus folgenden Herkunftsländern : Deutschland, Albanien, Mazedonien (ehemals jugoslawische Republik), Serbien (Republik) oder Ghana. Nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge sind 29 Personen über einen anderen Dublin-Staat nach Deutschland eingereist. Die durchschnittliche Verweildauer nach Quartalen der Bewohnerinnen und gegebenenfalls deren Kinder in Monaten ist der folgenden Übersicht zu entnehmen: Drucksache 21/15495 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Quartal IV 2017 I 2018 II 2018 III 2018 IV 2018 Monate 12,9 12,4 12,8 13 9,4 Quelle: ZKF/QMM 6. Welcher Betreuungsschlüssel gilt für die Schutzeinrichtung am Kaltenkircher Platz? Der Betreibervertrag sieht für diese Einrichtung je fünf Mitarbeitende im Unterkunftsund Sozialmanagement, drei Mitarbeitende im Technischen Dienst und eine Teamleitung vor. 7. Welche spezifischen Angebote gibt es, insbesondere Therapien, Erziehungshilfen ? In der Einrichtung werden Stabilisierungs- und Hebammensprechstunden angeboten. Weiterhin besteht eine enge Anbindung an die Mütterberatung des Gesundheitsamts Altona und an die Frühen Hilfen Altona. Darüber hinaus bestehen zahlreiche Freizeitangebote für Kinder, um die Mütter zeitweise von der Kinderbetreuung zu entlasten. Das Gesundheitsamt des Bezirksamtes Altona bietet weiterhin einmal wöchentlich eine allgemeinmedizinische Sprechstunde an. Diese wird durch ein Medizinteam aus dem Universitätsklinikum Eppendorf, Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, durchgeführt. Für Kinder, die noch keine Versicherungskarte besitzen, bietet ein Kinderarzt an, diese bei Bedarf auf Honorarbasis in seiner Praxis zu versorgen. 8. Werden alle Bewohner/-innen in Folgeunterkünfte transferiert oder werden Bewohner/-innen auch in andere Erstaufnahmen verlegt? a. Wenn Verlegung auch in andere EAs: Wie wird entschieden, wer wohin kommt? b. Welche Kriterien/Bedarfe werden bei der Verlegung der Bewohner/ -innen berücksichtigt? Werden psychische Erkrankungen berücksichtigt ? Bei Verlegungen zwischen Einrichtungen werden Bewohnerinnen und Bewohner abhängig von den jeweiligen individuellen Bedarfen, einem eventuellen besonderen Schutzstatus oder Schutzbedarf und dem aufenthaltsrechtlichen Status entweder in einer anderen EA oder in einer örU untergebracht. Bei Vorliegen besonderer Schutzbedürftigkeit werden dafür geeignete Unterkünfte ausgewählt. Sofern bereits ein besonderer Schutzbedarf, zum Beispiel aufgrund einer Erkrankung, einer Behinderung oder Pflegebedürftigkeit, vorliegt, wird im Rahmen des Konzeptes der geschützten Unterkunft den Empfehlungen des Gesundheitsamtes Altona gefolgt und sorgfältig dementsprechende Einrichtungen oder gegebenenfalls auch andere Alternativen (zum Beispiel Pflegeeinrichtung oder Krankenhaus) ausgewählt. Bei Verlegungen aus der Schutzeinrichtung für Frauen und Kinder wird in besonderem Maße auf die speziellen Bedarfe der dort untergebrachten Frauen und Kinder geachtet . Dabei werden die konkreten Schutzbedarfe (auch psychische Erkrankungen) der Frauen erfasst und in enger Abstimmung mit Schutzorganisationen wie savîa abgestimmt . Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 9. Das Gebäude wurde bis 2021 angemietet. Welche Verwendung sieht die Freie und Hansestadt Hamburg nach der geplanten Schließung bis zum Auslaufen des Mietvertrages vor? Siehe Vorbemerkung.