BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15514 21. Wahlperiode 18.12.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 11.12.18 und Antwort des Senats Betr.: Wissen und fachliche Fertigkeiten von Notfallsanitätern unerwünscht (IV)? Der Bundesgesetzgeber beabsichtigte mit der Einführung des Berufs des Notfallsanitäters einen Qualitätssprung, der nicht nur den bisherigen Rettungsassistenten ablösen sollte. Vielmehr sollte durch das Notfallsanitätergesetz (NotSanG), das bereits zum 1. Januar 2014 in Kraft getreten ist, auch die Ausbildung der Besatzungsmitglieder an Bord von Rettungswagen grundlegend verbessert werden. Seitdem dürfen die Notfallsanitäter auf dem Rettungswagen auch ohne Arzt bestimmte medizinische Hilfe leisten. In der Antwort auf meine Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/9074 führt der Senat dazu richtig aus: „Als neues Ausbildungsziel gilt, dass, entsprechend dem allgemein anerkannten Stand rettungsdienstlicher, medizinischer und weiterer bezugswissenschaftlicher Erkenntnisse, fachliche, personale, soziale und methodische Kompetenzen zur eigenverantwortlichen Durchführung und teamorientierten Mitwirkung insbesondere bei der notfallmedizinischen Versorgung und dem Transport von Patientinnen und Patienten vermittelt werden sollen.“ Bedauerlicherweise wird das Ziel, dem Notfallpatienten durch die aufgrund der Ausbildung zu Notfallsanitätern grundsätzlich verbesserte Notfallversorgung , bessere Hilfe zuteilwerden zu lassen, nur unzureichend erfüllt: Neben Gesetzeskollisionen, beispielsweise mit dem Betäubungsmittel- und Heilpraktikergesetz , hat der Ärztliche Leiter Rettungsdienst der Feuerwehr noch immer nicht alle Medikamente, die die Notfallsanitäter gesetzlich gemäß Pyramidenprozess verabreichen dürfen, für die Einsätze freigegeben. Bereits 2015 haben die Verbände die Behörde darauf hingewiesen, dass die Sanitäter ihre neugewonnenen Fähigkeiten ohne Anwendung vergessen und der Bürger nicht von der zusätzliche Qualifikation profitiert. Die Umsetzung des Notfallsanitätergesetzes muss bis Ende 2020 abgeschlossen sein. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat im Nachgang zu meinen Schriftlichen Kleinen Anfragen Drs. 21/5904, 21/6164 und 21/9074: 1. In welcher Höhe hat die zuständige Behörde im Jahre 2017 sowie bislang im Jahre 2018 Mittel zur Durchführung der Ausbildung als Notfallsanitäter erhalten? Für das Jahr 2017 betrugen die Kosten 7 653 267,70 Euro. Für das Jahr 2018 plant die Feuerwehr Hamburg mit Kosten von 8 143 569,56 Euro. Drucksache 21/15514 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Wie viele Personen haben sich bei der Feuerwehr Hamburg im Jahre 2017 sowie bislang im Jahre 2018 erfolgreich als Notfallsanitäter ausbilden lassen? Wie viele Personen haben bislang insgesamt die Prüfung erfolgreich abgelegt? Im Jahr 2017 haben im Rahmen von Ergänzungsprüfungen 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Qualifikation Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter (NotSan) erlangt, nachdem sie in Ergänzungslehrgängen qualifiziert wurden. In 2018 waren es 156 durch Ergänzungslehrgänge qualifizierte und erfolgreich geprüfte NotSan sowie 22 Notfallsanitäterinnen und NotSan, die nach einer dreijährigen Ausbildung die staatliche Prüfung erfolgreich abgelegt haben. Seit Beginn dieser Ausbildung (2014) haben bei der Feuerwehr Hamburg 700 Personen die staatliche Prüfung erfolgreich abgelegt. 3. Welchen Sachstand hat das – in der Drs. 21/5904 erwähnte – Projekt Notfallsanitätergesetz im Hinblick auf die Entwicklung möglicher künftiger Berufswege? Das Projekt Notfallsanitätergesetz wurde zum 31. Dezember 2017 beendet. Die Zugangswege in die Laufbahngruppe (LG) 1.2 Fachrichtung Feuerwehr und die Berufswege innerhalb dieser Laufbahn werden seitdem im Rahmen der Linienorganisation Feuerwehr weiterentwickelt. Die Zugangswege in die Laufbahn 1.2, Fachrichtung Feuerwehr wurden zwischenzeitlich insgesamt erweitert, sodass neben Bewerberinnen und Bewerbern mit abgeschlossener Ausbildung (Laufbahnausbildung „Work up“) auch Schülerinnen und Schüler über einen neuen dreijährigen Ausbildungsberuf zur/zum Berufsfeuerwehrfrau/-mann (Laufbahnzugang „Start-up“) Zugang finden. In 2018 startete darüber hinaus erstmalig eine verkürzte Laufbahnausbildung („Rescue“) für NotSan, die zuvor ihre dreijährige Berufsausbildung an der Berufsfachschule für NotSan der Feuerwehr Hamburg abgeschlossen hatten. Die Berufswege in der LG 1.2 Fachrichtung Feuerwehr werden derzeit unter Einbeziehung der Berufsqualifikation NotSan neu aufgestellt. Hierbei werden alle Dienstposten in der LG 1.2 beschrieben, bewertet und geordnet. 4. In der Drs. 21/9074 gibt der Senat an, dass geplant sei, die bisherigen EKG auf den Rettungswagen durch 12-Kanal EKG zu ersetzen. Sind die von der Feuerwehr eingesetzten Rettungsmittel zwischenzeitlich alle mit einem 12-Kanal-EKG ausgestattet? Falls nein, weshalb wie viele (in absoluten und prozentualen Zahlen) noch nicht und wann soll das vollständig abgeschlossen sein? Die 12-Kanal-EKG sind als Kosten des Rettungsdienstes für 2019 berücksichtigt. Die benötigten über 100 Geräte werden nach Abschluss der Geräteeinweisung und entsprechenden Fortbildungen im ersten Halbjahr 2019 eingeführt. Zurzeit ist noch kein RTW ausgestattet. 5. Der Senat hat in der Drs. 21/5904 angekündigt, die Liste der Medikamente und Maßnahmen für die Kompetenzstufe NotSan in den Folgejahren zu erweitern. In der Drs. 21/9074 gibt er an: „Die medizinischen Maßnahmen wurden durch die Einführung des Tourniquets erweitert. Von den 15 im Pyramidenprozess vorgesehen Maßnahmen werden durch die aktuelle Ausstattung der Rettungsmittel der Feuerwehr Hamburg elf Maßnahmen ermöglicht.“ a. Wie viele Maßnahmen sind aktuell im Pyramidenprozess vorgesehen ? In den aktuell gültigen Ergebnissen aus dem Pyramidenprozess sind 15 Maßnahmen hinterlegt, von denen voraussichtlich ab 2019 14 Maßnahmen auf den RTW der Feuerwehr durch NotSan angewendet werden können. b. Welche medizinischen Maßnahmen und Medikamente dürfen ausgebildete Notfallsanitäter der Feuerwehr Hamburg aktuell anwenden beziehungsweise verabreichen? Welche Maßnahmen und Medika- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15514 3 mente dürfen nicht angewendet beziehungsweise verabreicht werden und warum nicht? Im Rahmen der Handlungen durch NotSan gemäß § 4 Absatz 2 Nummer 1 c Notfallsanitätergesetz (NotSanG) beziehungsweise § 34 StGB dürfen die NotSan entsprechend die Maßnahmen anwenden, die zum Zwecke der Lebensrettung und Abwendung von bleibenden Schäden indiziert sind und beherrscht werden. Medikamente gegen Übelkeit, Kopfschmerzen, Fieber, Gallenkoliken, Blutdrucksenker und Blutverdünner sowie Gerätschaften, um zur Medikamentenapplikation in Knochen zu bohren, werden aktuell nicht auf den RTW vorgehalten und können folglich auch nicht durch die NotSan angewendet werden. Bei der Umsetzung des Konzepts zur Schmerzbehandlung auf den RTW gibt es aktuell noch eine herstellerbedingte Verzögerung. Alle sonstigen Medikamente aus dem Pyramidenprozess werden auf den RTW vorgehalten . c. Inwiefern unterliegen Notfallsanitäter, die bei den Hilfsorganisationen oder bei GARD beschäftigt sind, denselben Vorgaben? Die Firma G.A.R.D. (Gemeinnützige Ambulanz und Rettungsdienst GmbH) ist nicht im öffentlichen Rettungsdienst tätig, sondern im Besitz einer Genehmigung zum Betreiben von Notfallrettung nach § 4 Absatz 1, Satz 1 HmbRDG und ist damit nach Satz 2 Unternehmer im Sinne des HmbRDG. Das NotSanG gilt für alle am Rettungsdienst Beteiligten gleichermaßen, unabhängig davon, ob sie im öffentlichen oder im privaten Rettungsdienst tätig sind. Da die Hilfsorganisationen Teil des öffentlichen Rettungsdienstes sind, gilt die Dienstanweisung Rettungsdienst (DA 02-03) der Feuerwehr und damit auch die Handlungsempfehlungen für den Rettungsdienst. Hierin ist auch die Verwendung der verschiedenen Medikamente für NotSan geregelt. d. Welche konkreten Planungen bestehen seitens der Innenbehörde zur Erweiterung der medizinischen Maßnahmen und Medikamente? Die Feuerwehr plant in 2019 die RTW mit erweiterten Notfallmonitoren/Defibrillatoren auszustatten, die bereits durch die NotSan die Erstellung eines 12-Kanal-EKG, die externe Schrittmacherstimulation oder die Kardioversion ermöglichen. Zusätzlich sollen die RTW mit Medikamenten gegen Opiatintoxikationen und Lungenödeme ausgestattet werden. 6. Gibt es eine messbare Entlastung der Notarztbesetzten Rettungsmittel durch die erweiterten Kompetenzen und das größere Fachwissen der Notfallsanitäter? Wenn nicht, warum? Die notarztbesetzten Rettungsmittel (NEF) werden nach dem Notarztindikationskatalog alarmiert. Die flächendeckende Besetzung der RTW mit NotSan wird erst ab 2021 verpflichtend. Erst wenn diese Maßnahme flächendeckend umgesetzt ist, kann der Notarztindikationskatalog angepasst werden, derzeit sind keine Aussagen zu einer messbaren Entlastung in Bezug auf die Alarmierungshäufigkeit des NEF möglich. 7. Wie beurteilt die zuständige Behörde die Kompatibilität beziehungsweise Kollision des Notfallsanitätergesetzes mit dem Betäubungsmittel- und Heilpraktikergesetz? Welche Anstrengungen unternimmt sie auf Bundesebene , um eine Anpassung zu erreichen? Eine Kollision mit dem Betäubungsmittel- und Heilpraktikergesetz wird für Hamburg nicht gesehen. 8. Aktuell hat die Feuerwehr Hamburg 33 Stellen für eine – bis zum 31. Dezember 2020 – befristete Beschäftigung von Notfallsanitätern und Rettungsassistenten ausgeschrieben, https://www.hamburg.de/bir/ 10903630/bir/. a. Wie viele Stellen für angestellte Notfallsanitäter/Rettungsassistenten gibt es aktuell insgesamt bei der Feuerwehr Hamburg? Wie viele davon sind jeweils mit befristet und mit unbefristet Beschäftigten Drucksache 21/15514 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 besetzt? Wie viele der befristeten Arbeitsverhältnisse sind jeweils mit oder ohne Sachgrund befristet? Derzeit gibt es insgesamt 137 Stellen. Davon sind 60 Stellen für unbefristete und 77 Stellen für befristete Beschäftigungsverhältnisse. Zum 1. Dezember 2018 bestehen 52 unbefristete und 52 befristete Beschäftigungsverhältnisse. Für alle Befristungen liegt ein Sachgrund vor. Die unbesetzten Stellen wurden ausgeschrieben, konnten aber noch nicht besetzt werden. b. Aus welchem Grund erfolgt die Ausschreibung der Stellen befristet bis zum 31. Dezember 2020? Auf welcher konkreten rechtlichen Grundlage nach dem TzBfG basiert die Befristung? Sachgrund für die Befristung ist die Umsetzung des NotSanG und des dadurch vorübergehend gestiegenen betrieblichen Bedarfes, den Ausfall der sich in der Qualifizierung zum NotSan befindlichen Feuerwehrbeamten zu kompensieren. Rechtsgrundlage ist § 14 Absatz 1 BNr. 1 und 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). c. Inwiefern geht die zuständige Behörde von einem sinkenden Bedarf an Notfallsanitätern aus? Die befristet Beschäftigten dienen der Kompensation der sich in der Qualifizierung zum NotSan befindlichen Feuerwehrbeamten. Diese Qualifizierungsmöglichkeit nach NotSanG endet am 31. Dezember 2020. Daraus folgt, dass ein kompensierender Bedarf dann nicht mehr gegeben ist. d. Wie ist die Ausschreibung der 33 befristeten Stellen mit dem in Hamburg seit 2017 geltenden Grundsatz des unbefristeten Arbeitsverhältnisses in Einklang zu bringen, https://www.hamburg.de/ contentblob/8718526/0651e0191223afb3a088472c9217850c/data/ regelungen-abschluss-zeitvertraege.pdf? Die Freie und Hansestadt Hamburg lässt Ausnahmen von dem Grundsatz der unbefristeten Beschäftigung im Rahmen des TzBfG zu. Der vorliegende Sachgrund ist hiernach anerkannt.