BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15521 21. Wahlperiode 18.12.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 12.12.18 und Antwort des Senats Betr.: Strafverfolgung und aufenthaltsgesetzliche Maßnahmen bei Mitgliedern der islamistischen oder salafistischen Szene Laut des Verfassungsschutzberichts für das Jahr 2017 gab es in Hamburg zum Ende des Jahres 780 Salafisten. Davon waren 420 der jihadistischen und damit der besonders gefährlichen und gewaltbereiten Strömung innerhalb des Salafismus zuzuordnen. Von dieser geht eine erhebliche Gefahr insbesondere für ausländische, (noch) nicht integrierte Jugendliche aus. Diese würden nach Angaben des Autors und Terrorismusexperten Shams Ul-Haq, der für mehrere Jahre „undercover“ in verschiedenen Moscheen unterwegs war und diese Ergebnisse am 4. Dezember 2018 in einem Artikel in der „Hamburger Morgenpost“ vorgestellt hat, stärker denn je angeworben, sei es auf der Straße, in Fitnessstudios oder in Kulturvereinen. Anschließend würden sie über verschiedene Messenger-Dienste mit Propaganda versorgt und zu Treffen eingeladen. Bei diesen Treffen kämen die Jugendlichen dann mit Predigern und Imamen in Kontakt, die sie mit radikalem Gedankengut indoktrinieren. Diese Problematik ist zwar nicht neu, die aktuellen Recherchen zeigen jedoch, dass dem Treiben dieser Personen nach wie vor zu wenig entgegengewirkt wird. Neben der zweifellos mindestens genauso wichtigen Prävention in diesem Bereich ist hier auch konsequente Repression durch den Staat gefragt. Schließlich gibt es einige Straftatbestände, die in solchen Fällen einschlägig sein können, wie zum Beispiel die Volksverhetzung nach § 130 StGB, die öffentliche Aufforderung zu Straftaten nach § 111 StGB oder eine Anstiftung zu später begangenen Straftaten. Die StPO sieht zudem diverse Maßnahmen zur Strafverfolgung und Aufklärung vor, zum Beispiel die Überwachung der Telekommunikation (§ 100a StPO) sowie die Erhebung von Verkehrsdaten (§ 100g StPO). Jedoch drängt sich nicht der Eindruck auf, als würde man der salafistischen Szene Herr werden, da die Zahl der Anhänger im Laufe der letzten Jahre stetig gewachsen ist. Dies mag auch daran liegen, dass die Präventionsprogramme des Senats nur unzureichend wirken, lässt aber vor allem Zweifel gegen eine konsequente Strafverfolgung aufkommen. Daran anschließend stellt sich die Frage nach der aufenthaltsgesetzlichen Behandlung von Mitgliedern der islamistischen und salafistischen Szene. Insbesondere die Abschiebung nach § 58a AufenthG scheint hier ein geeignetes Mittel zu sein, von dem bislang jedoch nur wenig bis gar kein Gebrauch gemacht wird. Da dieser für deutsche Staatsangehörige keine geeignete Maßnahme darstellt, wird in diesem Zusammenhang noch einmal auf unseren Antrag Drs. 21/8839 hingewiesen, in dem wir bereits gefordert haben, die Höchstdauer des Präventivgewahrsams für deutsche Staatsangehörige auf 18 Monate anzuheben. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Drucksache 21/15521 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Wie hat sich die Zahl der a. Mitglieder der islamistischen Szene im Jahr 2018 im Vergleich zu den Angaben aus dem Verfassungsschutzbericht für 2017 entwickelt ? b. Mitglieder der salafistischen Szene im Jahr 2018 im Vergleich zu den Angaben aus dem Verfassungsschutzbericht für 2017 entwickelt ? Hier bitte auch die Angabe der Mitglieder, die dem jihadistischen Teil des Salafismus zugeordnet werden. Siehe Drs. 21/14702. Aktuellere Daten liegen derzeit noch nicht vor. Im Übrigen siehe Verfassungsschutzbericht 2017, https://www.hamburg.de/ contentblob/11448332/ffb33a5af30a49a6547d5f5470477e85/data/vsb-2017- pressefassung.pdf. 2. Wie hoch ist jeweils der Anteil von Gefährdern? 3. Wie viele Ermittlungsverfahren sind im Jahr 2017 und 2018 in Hamburg gegen Personen aus den oben genannten Gruppen eingeleitet worden? Bitte nach den einzelnen Tatvorwürfen differenzieren. 4. Wie viele Ermittlungsverfahren sind speziell gegen Prediger und Imame, die in islamistischen oder salafistischen Moscheen tätig sind, im Jahr 2017 und 2018 in Hamburg eingeleitet worden? Bitte nach den einzelnen Tatvorwürfen differenzieren. 5. Zu wie vielen und insbesondere welchen Verurteilungen haben die unter den Punkten 3. und 4. genannten Ermittlungsverfahren geführt? Gab es darüber hinaus Verurteilungen, die aus Ermittlungsverfahren, die bereits vor dem Jahr 2017 eingeleitet wurden, herrühren? Die Bezeichnungen „islamistische Szene“ und „salafistische Szene“ sind keine feststehenden polizeilichen Begrifflichkeiten. Das Landeskriminalamt (LKA 7 – Staatschutz) stuft Personen als Gefährder oder relevante Personen gemäß der bundesweit einheitlichen und abgestimmten Kataloge in die Phänomenbereiche der politisch motivierten Kriminalität (PMK) -rechts-, -links-, -ausländische Ideologie- und -religiöse Ideologie- ein. Im Phänomenbereich der PMK -religiöse Ideologie- werden derzeit in Hamburg elf Personen als Gefährder geführt. Hiervon halten sich drei Personen in Hamburg auf, davon befinden sich zwei Personen in Haft. Darüber hinaus werden Statistiken im Sinne der Fragestellungen bei der Polizei nicht geführt. Ebenso wird im Vorgangserfassungs- und Vorgangsverwaltungssystem MESTA der Staatsanwaltschaften Hamburg der Umstand, ob ein Beschuldigter der salafistischen oder islamistischen Szene zuzurechnen ist, nicht erfasst. Zur Beantwortung der Fragen müssten daher alle Ermittlungsverfahren für den abgefragten Zeitraum beim LKA und der Staatsanwaltschaft händisch ausgewertet werden, was in der für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist. Gleiches gilt für die Frage betreffend Prediger oder Imame, die in islamistischen oder salafistischen Moscheen tätig sind. Im Übrigen siehe Drs. 21/15181. 6. Inwiefern gibt es Erkenntnisse darüber, wie hoch die Dunkelziffer in diesem Bereich ist? Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen der Polizei nicht vor. 7. Halten der Senat oder die zuständigen Behörden die in der StPO vorgesehenen Maßnahmen (insbesondere die §§ 100a fortfolgende) zur Strafverfolgung der oben genannten Personen und Personengruppen sowie insbesondere zur Aufklärung der dahinter stehenden Strukturen aktuell für ausreichend? Falls nein, wird im Bundesrat dafür geworben, den Katalog der in den erwähnten Paragraphen der StPO aufgelisteten Straftaten zu erweitern, um effektive Strafverfolgung zu gewährleisten? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15521 3 Ja. 8. Wie steht der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde zu der Möglichkeit, im präventiven Bereich Gesetzesänderungen vorzunehmen, etwa eine Anpassung des Gefahrbegriffs am Beispiel des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG)? Das parlamentarische Fragerecht umfasst einen Anspruch auf Auskünfte, nicht jedoch auf meinungsbildende Stellungnahmen (vergleiche ThürVerfGH, Urt. v. 19.12.2018 – 35/07 – Juris, Rn. 177), von denen der Senat deshalb auch im vorliegenden Fall absieht. 9. Wie viele a. Ausweisungen von Personen aus dem islamistischen und salafistischen Milieu haben jeweils im Jahr 2017 und 2018 insgesamt stattgefunden ? Bitte unter Angabe des Ausweisungsgrundes darstellen. Im Jahr 2017 erfolgten 14 Ausweisungen und im Jahr 2018 drei Ausweisungen mit islamistischem Bezug. Rechtsgrundlage war in allen Fällen § 54 Absatz 1 Nummer 2 Aufenthaltsgesetz. b. Abschiebungen von Personen aus dem islamistischen und salafistischen Milieu haben jeweils im Jahr 2017 und 2018 stattgefunden? Bitte monatsweise darstellen. Bei Abschiebungen erfolgt keine derartige statistische Erfassung. Die händische Auswertung mehrerer Hundert Ausländerakten nach derartigen Erkenntnissen ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 10. Sind im Jahr 2018 Abschiebungsanordnungen ergangen, die auf § 58a AufenthG beruhen? Wenn ja, wie viele? Wenn nein, bei wie vielen Personen lägen aktuell die Voraussetzungen für eine solche Abschiebungsanordnung vor? Nein, im Übrigen siehe Drs. 21/8437. 11. Wie viele Personen, die der islamistischen oder salafistischen Szene zuzuordnen sind, befinden sich aktuell in Hamburgs Justizvollzugsanstalten ? Bitte pro JVA getrennt darstellen. Aufgrund jeweils welchen Delikts wurden sie zu jeweils welcher Freiheitsstrafe verurteilt? Unabhängig von Erkenntnissen zu Personen aus Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft findet seitens der Justizvollzugsanstalten eine eigene Erfassung der Insassen hinsichtlich einer möglichen Szenen-Zuordnung (unter anderem radikal-religiös) im Austausch mit den Sicherheitsbehörden statt. Im Sinne der Fragestellung befinden sich derzeit drei Personen in Hamburger Justizvollzugsanstalten . Je ein Gefangener befindet sich in den Justizvollzugsanstalten Billwerder , Glasmoor und Hahnöfersand. JVA Delikt Strafmaß Billwerder Einbruchdiebstahl 2 Jahre 2 Monate Glasmoor Urkundenfälschung, Verstoß gegen das BtMG 5 Jahre Hahnöfersand Vorbereitung staatsgefährdender Straftat 1 Jahr 10 Monate