BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15527 21. Wahlperiode 21.12.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein und Carl-Edgar Jarchow (FDP) vom 13.12.18 und Antwort des Senats Betr.: Zahl von radikalen Salafisten wächst weiter – Wie ist der aktuelle Stand? (XIV) Nach Presseberichten vom 16. November 2018 steigt die Zahl der Salafisten in Hamburg weiter an, auch wenn erstmals seit Jahren der Zulauf weniger wird. Als ein Grund für den verringerten Zulauf werden die militärischen Niederlagen des IS in Syrien und Irak angegeben. Dennoch sollen sich fast 800 Salafisten in Hamburg aufhalten. Insgesamt werden 11 000 Menschen der Salafisten-Szene in ganz Deutschland zugerechnet. Auch die Zahl der politischen Straftaten durch gewaltbereite Islamisten steigt weiter an. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie viele Salafisten halten sich nach Informationen des Senats derzeit in Hamburg auf und wie viele davon werden als gewaltbereit (Jihadisten) eingestuft? Bitte jeweils aufschlüsseln nach Altersgruppen unter 18 Jahren , 18 – 21, 22 – 34, 35 und älter sowie nach Geschlecht. Nach Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg siehe die nachfolgende Tabelle: Salafisten davon Jihadisten Männer Frauen Männer Frauen unter 18 Jahre 13 0 12 0 18-21 Jahre 117 18 90 9 22-25 Jahre 124 21 75 5 26-34 Jahre 222 45 127 12 35 Jahre u.ä. 177 38 86 6 Ohne Geb.datum 1 0 0 0 Summe 654 122 390 32 Gesamtsumme 776* 422 * Die Zahl bezieht sich auf die in Hamburg gemeldeten Personen. Inwieweit sich diese tatsächlich in Hamburg aufhalten, kann nicht vollständig angegeben werden. 2. Welche Nationalität haben diese Salafisten und Jihadisten jeweils? Staatsangehörigkeit Salafisten 776 davon Jihadisten 422 Afghanistan 69 58 Deutschland 435 178 nur deutsch 222 73 dopp. Staatsangeh. 213 105 Drucksache 21/15527 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Staatsangehörigkeit Salafisten 776 davon Jihadisten 422 Irak 6 6 Libanon 5 5 Marokko 16 11 Russland 14 5 Syrien 41 36 Tunesien 9 Türkei 49 23 Somalia 51 51 Sonstige 76 47 nicht bekannt 5 2 Summe 776 422 3. Wie viele Mitglieder weiterer islamistischer Gruppen halten sich derzeit in Hamburg auf? Bitte die Anzahl der den jeweiligen Gruppierungen zugeordneten Personen angeben. Siehe den im Juni 2018 veröffentlichten Verfassungsschutzbericht 2017 https://www.hamburg.de/contentblob/11448332/ffb33a5af30a49a6547d5f5470477e85/ data/vsb-2017-pressefassung.pdf. 4. Wie viele jihadistisch orientierte Personen haben versucht, aus Hamburg seit Drs. 21/12955 für Aktivitäten im Rahmen des „IS“ (oder ähnliche Aktivitäten) auszureisen? Wie viele davon sind tatsächlich ausgereist? Mit welchen Mitteln konnten wie viele Personen davon abgebracht werden ? Nicht jede Reisebewegung erfolgt mit dem Ziel, an Kampfhandlungen teilzunehmen. Aufgrund der Reisefreiheit und der Begrenztheit der Möglichkeit, alle Reiseplanungen zu überprüfen, kann nicht in jedem Fall sicher bestimmt werden, welchem Zweck die Reise dient. Der genaue Zeitpunkt einer Ausreise lässt sich nicht immer genau bestimmen, da Hinweise auf eine erfolgte Ausreise in vielen Fällen erst nachträglich anfallen und daher zeitlich nicht konkret eingegrenzt werden können. Ausreisende sind sich darüber im Klaren, dass Sicherheitsbehörden mit den zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln eine Ausreise verhindern würden, sobald sie davon Kenntnis erlangen. Aus diesem Grund werden entsprechende Reisepläne konspirativ vorbereitet und nur in kleinsten Zirkeln geplant und besprochen. Zudem unterliegen die Zahlen aufgrund der sich ständig verändernden Informationslage, datenschutzrechtlicher Pflegemaßnahmen der gespeicherten Daten sowie Länderzuständigkeiten einer ständigen Fluktuation. Dem LfV Hamburg liegen nachträglich Erkenntnisse darüber vor, dass seit Drs. 21/12955 zwei weitere Personen (insgesamt 86 Personen) in Richtung Syrien/Irak tatsächlich ausgereist sind. In dem erfragten Zeitraum sind keine Ausreiseverbote nach § 46 Absatz 2 Aufenthaltsgesetz verhängt oder Passversagungen aufgrund „islamistischer Aktivitäten“ verfügt worden. 5. Wie viele dieser ausgereisten Personen sind nach Kenntnis der zuständigen Behörden ums Leben gekommen? Nach Erkenntnissen des LfV Hamburg sollen circa 30 Personen ums Leben gekommen sein. Im Übrigen siehe Drs. 21/9604. 6. Wie viele „Ausreiser“ sind nach Kenntnis der zuständigen Behörden zurück nach Deutschland gereist? Wie viele davon nach Hamburg? Syrien-Rückkehrer Männer 29 Frauen 3 unter 18 Jahre 0 18-21 Jahre 4 22-25 Jahre 2 26-34 Jahre 18 35 Jahre u.ä. 7 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15527 3 Syrien-Rückkehrer Männer 29 Frauen 3 Ohne Geb.datum 0 Gesamtsumme 32 Alle 32 zurückgekehrten Personen sind nach Hamburg zurückgekehrt. 7. Wie bewertet der Senat mögliche Gefahren durch in Hamburg lebende „Rückkehrer“? Siehe Drs. 21/12955 und 21/12086. 8. Gibt es neue Erkenntnisse hinsichtlich der Aktivität von Salafisten im Umfeld von Flüchtlingsunterkünften? Wenn ja, bitte darstellen. Nein. 9. Wie viele Verdachtsfälle mit islamistischem und religiös-extremistischem Hintergrund in Schulen sind seit Drs. 21/12955 bekannt geworden? Aus welchen Schulen wurden sie gemeldet und welcher Art sind sie? Die für Bildung zuständige Behörde hat seit der letzten Drucksache (Drs. 21/12955) weitere 34 Beratungsanfragen zu Schülerinnen oder Schülern aus Grundschulen, Stadtteilschulen, Gymnasien oder Beruflichen Schulen dokumentiert. Diese Anfragen konnten in 19 Fällen nach Beratungsgesprächen beziehungsweise Besprechungsterminen zwischen den Schulen und den Fachkräften des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung sowie des Beratungszentrums Berufliche Schulen und der Beratungsstelle Gewaltprävention abgeschlossen werden. Die Anliegen konzentrierten sich auf Unterrichtsprobleme, religiös-kulturelle Fragestellungen und situationsspezifische Problemlagen. Bei sieben Anfragen entwickelte sich eine Fallarbeit in Kooperation mit anderen behördlichen Institutionen, da der Verdacht einer Radikalisierung nicht ausgeräumt werden konnte. Bei den übrigen acht Anfragen stehen die Recherchen noch am Anfang. Im Übrigen siehe Drs. 21/11759. 10. Wie viele Verdachtsfälle mit islamistischem und religiös-extremistischem Hintergrund in Hochschulen sind bekannt geworden? Aus welchen Hochschulen wurden sie gemeldet und welcher Art sind sie? Keine. 11. In wie vielen Fällen hat die Beratungsstelle Legato seit ihrem Bestehen Beratungen durchgeführt? Die Beratungsstelle Legato hat seit ihrem Bestehen in 359 Fällen (Stand 30.11.2018) beraten. 12. Wie viele dieser Beratungsfälle gehen zurück auf Hinweise von Schulen ? Wie viele dieser Beratungsfälle gehen zurück auf Hinweise von Hochschulen ? Wie viele auf Hinweise von Behörden? Wie viele auf anonyme Hinweise ? Wie viele auf Angehörige? Legato geht nicht aufgrund von Hinweisen auf Dritte zu. Legato berät überwiegend Angehörige und Fachkräfte, die sich selbst an die Beratungsstelle wenden, oder die einer Behörde (zum Beispiel Landeskriminalamt, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ) ihr Einverständnis zur Weitergabe ihrer Daten an Legato geben, damit Legato mit ihnen in Kontakt treten kann. In 23 Fällen ist Legato aufgrund von Anfragen aus Schulen tätig geworden. Über Behörden sind 129 Fälle in die Beratung gekommen (mit Einverständnis der Angehörigen oder Betroffenen). In wenigen Einzelfällen wollten die Ratsuchenden anonym bleiben, in weniger als fünf Fällen kamen die Ratsuchenden aus dem Bereich Hoch- Drucksache 21/15527 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 schule/Universität, in 106 Fällen sind Angehörige mit einem Wunsch nach Beratung direkt an Legato herangetreten. Im Übrigen siehe Drs. 21/9440. 13. Inwieweit gibt es Überlegungen, die Überwachungsaltersgrenze bei Kindern von islamistischen Eltern mit extremistischem Hintergrund auf unter 14 Jahre abzusenken? a. Wenn ja, wie bewertet der Senat diese Überlegungen beziehungsweise welche Anhaltspunkte/Vorfälle geben dazu Anlass? b. Wann und mit welchem Ergebnis gab es zu diesem Thema Gespräche mit Vertretern des Bundesinnenministeriums und der anderen Bundesländer sowie mit Vertretern des Verfassungsschutzes? Es wird derzeit geprüft, das Hamburgische Verfassungsschutzgesetz (HmbVerfSchG) insgesamt zu novellieren. Die Prüfung im Sinne der Fragestellung ist noch nicht abgeschlossen . Eine nähere rechtliche Befassung gemeinsam mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) erfolgte zuletzt innerhalb der länderoffenen Arbeitsgruppe des Arbeitskreises IV „Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder“ im Sommer 2017. Im Übrigen korrespondiert mit dem Fragerecht ein Anspruch auf Auskunft, nicht auf Meinungsbildung. 14. Gegen wie viele islamistisch orientierte Personen laufen derzeit gerichtliche Verfahren (neue Erkenntnisse seit Drs. 21/12955)? Aktuell wird keine Hauptverhandlung durchgeführt, die auf einer Anklage der Hamburger Staatsanwaltschaften im Sinne der Fragestellung beruht. In dem in der Drs. 21/12955 genannten Verfahren des Generalbundesanwalts beim Hanseatischen Oberlandesgericht wurde mittlerweile das Urteil gesprochen, aber noch nicht abgesetzt . Zudem war dort ein weiteres Verfahren des Generalbundesanwalts anhängig, in welchem das Urteil bereits gesprochen und abgesetzt wurde. 15. Wie viele Haftbefehle wurden seit April 2018 gegen mutmaßliche Islamisten in Hamburg erlassen? Welche Gründe lagen dafür jeweils vor? Seit wann liegen diese Haftbefehle vor? 16. Wie viele Haftbefehle gegen mutmaßliche Islamisten wurden bisher aus welchen Gründen nicht vollstreckt? Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft wurde im relevanten Zeitraum ein Haftbefehl wegen des Verdachts einer Straftat gemäß §§ 129a, 129b StGB erlassen. Dieser Haftbefehl datiert vom 2. Mai 2018. Im Übrigen siehe Drs. 21/12955.