BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15550 21. Wahlperiode 21.12.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir und Sabine Boeddinghaus (DIE LINKE) vom 13.12.18 und Antwort des Senats Betr.: Was passiert mit Kindern jihadistischer Rückkehrer/-innen (II) Bereits Anfang des Jahres 2018 fragte die Fraktion DIE LINKE die Strategie zum Umgang mit Kindern jihadistischer Frauen ab, die aus den salafistischen Gebieten nach Hamburg zurückkehren (Drs. 21/12086). Laut Berichterstattung starten nun die Bundesregierung und das Auswärtige Amt mit einem Rückholprogramm für Kinder von jihadistischen Frauen, die sich zum größten Teil in Camps in Rojava (Nordsyrien) befinden (https://www.welt.de/ politik/deutschland/article185187132/Auswaertiges-Amt-Kinder-inhaftierter- IS-Anhaenger-kommen-nach-Deutschland.html). In Zusammenarbeit mit Verwandten der inhaftierten Jihadisten/-innen wurden bereits im Oktober drei Kinder nach Deutschland zurückgeholt. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Siehe Drs. 21/12086 und Drs. 21/14037. Die Regelsysteme passen grundsätzlich ihre Verfahren, Maßnahmen sowie Fortbildungen unter Berücksichtigung der bisherigen Praxiserfahrungen, neuer Erkenntnisse sowie der aktuellen Lageeinschätzungen der beteiligten Fachbehörden bedarfsgerecht an. Legato – Systemische Ausstiegsberatung – Fachstelle für religiös begründete Radikalisierungen (Legato) bearbeitet weiterhin im Verbund der norddeutschen Angehörigenund Ausstiegsberatungsstellen und mit der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Hamburg e.V. (AJS) das Thema „Zweite Generation“. Die Erkenntnisse wurden von Legato und der AJS am 18.10.2018 im Beratungsnetzwerk Prävention und Deradikalisierung vorgestellt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt. 1. Wie viele Kinder und Jugendliche welchen Alters und Geschlechts sind bislang (Stand Dezember 2018) in Hamburg angekommen? a. Was geschah mit den Kindern nach Ankunft in Hamburg? Welche unterschiedlichen Strukturen sind im Umgang mit den Kindern involviert ? b. Bei wie vielen Kindern und Jugendlichen ist eine geplante Zurückholung angestrebt (bis Mitte 2019)? Mit oder ohne Elternteile? Siehe Drs. 21/12086. Im Übrigen liegt die Zuständigkeit beim Bundeskriminalamt und dem Auswärtigen Amt. Darüber hinausgehende Erkenntnisse liegen nicht vor. 2. Wie viele ausgereiste Frauen welchen Alters und Geschlechts aus Hamburg befinden sich aktuell noch in Syrien und dem Irak? Drucksache 21/15550 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 a. Wie viele Kinder und Jugendliche welchen Alters und Geschlechts aus Hamburg befinden sich derzeit noch in Syrien und dem Irak? 3. Mit wie vielen Kindern und Jugendlichen von Jihadisten/-innen, die aus den islamistischen Gebieten nach Hamburg zurückkehren, rechnen der Senat beziehungsweise die zuständigen Fachbehörden bis 2020 gegenwärtig? Aufgrund der unübersichtlichen Lage vor Ort und der fehlenden Einblickstiefe liegen den Sicherheitsbehörden keine belastbaren Zahlen im Sinne der Fragestellung vor. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. a. und 1. b. 4. Wie plant der Senat eine qualitative Betreuung der ankommenden Personen zu gewährleisten? 5. Welche Mittel stellt der Senat dafür bereit? 6. Welchen Zeitraum setzt der Senat für die Betreuung an? 7. Der Chef des Bremer Landeskriminalamtes sagte, dass zurückkehrende Kinder von den Behörden nicht in Hinblick auf eine mögliche Radikalisierung , sondern als Opfer ihrer Eltern „betreut“ werden müssen. Wie möchten der Senat und die zuständigen Behörden sicherstellen, dass jene Kinder nicht im Hinblick auf ihre Radikalisierung, sondern als gefährdete Person unter dem Einfluss ihrer Eltern betrachtet werden? Siehe Vorbemerkung. Die Berücksichtigung sowohl von möglichen Radikalisierungen zurückkehrender Erwachsener als auch Gefährdungen der betreffenden Kinder wird durch die Expertise der Fachkräfte sowohl in den Regelsystemen als auch der Beratungsstelle Legato sichergestellt. Bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Gefährdung des Kindeswohls ist die Jugendhilfe nach § 8a SGB VIII angehalten, in jedem Fall eine Gefährdungseinschätzung vorzunehmen und bei Bedarf Hilfe anzubieten. Darüber hinaus siehe Drs. 21/12086. Der pädagogischen Arbeit in allen Hamburger Kindertageseinrichtungen liegt ein inklusives Bildungsverständnis zugrunde. Dieses Bildungsverständnis bezieht sich grundsätzlich auf alle Kinder und wirkt somit auch bei Kindern aus sogenannten „Gefährder -Familien“ einer möglichen Radikalisierung entgegen: Jedes Kind wird unabhängig von seinem Geschlecht, der sozialen und ökonomischen Situation seiner Familie, seiner ethnisch-kulturellen Zugehörigkeit oder irgendeiner Form von Beeinträchtigung bestmöglich in seiner Entwicklung gefördert. Jedes Kind soll die Chance erhalten, sich mit seinen Fähigkeiten, Ideen und Bedürfnissen in die Gemeinschaft einzubringen. Zu den Werten, die in den Hamburger Kindertageseinrichtungen vermittelt werden, gehören Respekt vor der eigenen Person und die Freiheit , eine eigene Meinung zu haben, ebenso wie Wertschätzung gegenüber anderen Religionen, Kulturen und Weltanschauungen. Ziel des Bildungsauftrags aus dem Hamburger Kinderbetreuungsgesetz ist es, alle Kinder auf ein verantwortungsbewusstes Leben in einer freien Gesellschaft, im Geist der Verständigung, des Friedens, der Toleranz, der Gleichberechtigung der Geschlechter und ethnischer, nationaler, religiöser und sozialer Gruppen vorzubereiten. 8. Wie gestalten sich die Planungen des Senates in Bezug auf die Vorbereitung von Hamburger Schulen, gegebenenfalls Kindergärten, mit dem Umgang, der Integration und unterstützenden Strukturen für die Eingliederung und Aufnahme zurückgekehrter Kinder und Jugendlicher (siehe Drs. 21/12086, Frage 3.)? Der für den Bereich Kindertagesbetreuung zuständigen Behörde sind keine entsprechenden Kinder bekannt. Siehe Antwort zu 4. bis 7. Darüber hinaus gibt es für den Bereich Kindertagesbetreuung keine zusätzlichen Planungen. Im Übrigen siehe Drs. 21/12086. 9. Wie werden Schulen und Kindergärten über die Aufnahme von zurückgekehrten Kinder und Jugendlichen in Kenntnis gesetzt? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15550 3 a. Welche Vorbereitungen zur qualitativ angemessenen Aufnahme dieser Kinder und Jugendlichen werden ergriffen? b. Welche Mittel stellt der Senat für diese Aufgabe zusätzlich den Kindergärten und Schulen aus welchen Kostenstellen bereit? Minderjährige Kinder von Rückkehrerinnen beziehungsweise Rückkehrern sind in Hamburg schulpflichtig, sofern sie ihren Wohnsitz in Hamburg haben. Die Sorgeberechtigten bemühen sich in solchen Fällen eigenständig oder unter Mithilfe anderer Behörden (Sicherheitsbehörden, Jugendämter) um einen Schulplatz für ihre Kinder. Die für Bildung zuständige Behörde und die aufnehmenden Schulen können anhand der Informationen und des Schülerbogens feststellen, wo sich diese Kinder in den letzten Jahren aufgehalten haben. Sollte ein Hilfebedarf angemeldet werden, können sich die Schulaufsicht beziehungsweise Schulen an die Beratungsstelle Gewaltprävention wenden. Sollten Kinder von Rückkehrerinnen beziehungsweise Rückkehrern in Hamburger Schulen auffälliges Verhalten zeigen, werden die schulinternen Beratungsstrukturen (inkl. Schulsozialarbeit) beteiligt. Darüber hinaus siehe Drs. 21/12086 und Vorbemerkung . Für die Aufnahme, Bildung, Betreuung und Erziehung zurückgekehrter Kinder werden den Kindertageseinrichtungen über das Kita-Gutschein-System hinaus keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung gestellt. Im Übrigen siehe Antwort zu 8. 10. Welche schulischen und Kita-Gremien wurden bisher in die Beratungen einbezogen? Es wurden bisher keine Kita-Gremien in die Beratungen einbezogen. Siehe Antworten zu 8. und 12. 11. Welche Mittel stellt der Senat für die qualitativ angemessene Aufnahme der Kinder in die Kindergärten aus welchen Kostenstellen bereit? Siehe Antwort zu 9. bis 9. b. 12. Sind bisher Konflikte in der Schüler-/-innenschaft oder unter Kindergartenkindern hinsichtlich der zurückgekehrten Kinder dem Senat gemeldet worden? a. Wenn ja: Wie wurden die Konfliktfälle bearbeitet und welche Institutionen wurden wann und auf welche Weise mit der Lösung befasst? b. Wenn nein: Erhebt der Senat diese Konflikte eigenständig? c. Wenn der Senat diese Konfliktfälle nicht eigenständig erhebt, wie begründet er diese Entscheidung sachlich und fachlich? Nein. Es liegen der für den Bereich Kindertagesbetreuung zuständigen Behörde keine Kenntnisse vor. Ebenso liegen der für die Bildung zuständigen Behörde keine Meldungen seitens der Hamburger Schulen vor. 13. Wie bezieht der Senat konkret die Schulsozialarbeit systematisch in die Arbeit mit den zurückgekehrten Kindern und Jugendlichen ein? Siehe Antwort zu 9. bis 9. b. 14. Welche Ressourcen setzt der Senat in der Beratungsstelle Gewaltprävention zusätzlich ein, um die zunehmende Zahl zurückkehrender Kinder und Jugendlicher angemessen fachlich und sozial zu betreuen? (Bitte ausgehend vom jetzigen Stand für die nächsten fünf Jahre planerisch darstellen.) Inwieweit soll das Senatskonzept „Effektive Maßnahmen gegen gewaltbereiten Salafismus und religiösen Extremismus ergreifen“ (Drs. 21/5039) um die oben erläuterten neuen Handlungsfelder ergänzt werden? An welchen Konzepten, Experten/-innen, wissenschaftlichen Ausarbeitung wird sich diesbezüglich orientiert? Drucksache 21/15550 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Derzeit steht der Beratungsstelle Gewaltprävention eine 0,5-Stelle für die Arbeit mit Verdachtsfällen im religiös-extremistischen Spektrum zur Verfügung. Die bisherigen und zukünftigen Beratungen (inklusive Fallarbeit) erfolgen im Rahmen der vorhandenen Ressourcen. Im Übrigen siehe Drs. 21/12086. 15. Inwieweit arbeiten der Hamburger Senat und die entsprechenden Behörden mit dem Handbuch „Reaktion auf zurückkehrende ausländische Kämpfer und ihre Familien“ des Radicalisation Awarness Network? Das Handbuch ist bekannt. In Hamburg werden die dort behandelten Themen seit 2014 akteursübergreifend bearbeitet. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 16. Wie ist der Stand des Fachaustausches „Kinder in salafistischen Familien “ (siehe Drs. 21/12086, Frage 3.) beziehungsweise der Entwicklung des Konzeptes für betroffene Kinder (siehe oben)? Welche konkreten Schritte wurden für Hamburg formuliert und vereinbart? Welche Stellen sind mit den Beratungen betraut und welche Stellen mit welcher Funktion involviert? Siehe Vorbemerkung. 17. Plant der Senat, die verschiedenen schulischen, schulbehördlichen und außerschulischen Unterstützungsstellen, die in die Betreuung der zurückgekehrten Kinder und Jugendlichen einbezogen sind, mit einer zusätzlichen Koordinationsstelle fachlich zu betreuen und die Qualität der Betreuung kurz- und langfristig sicherzustellen? a. Wenn ja: Wie wird diese Koordinierungsstelle personell und sächlich ausgestattet? b. Wenn ja: Wo plant der Senat, diese Stelle organisatorisch anzusiedeln ? c. Wenn nein: Welche sachlichen und fachlichen Gründe liegen vor, die schulinternen und schulbehördlichen Unterstützungsstellen ohne fachliche Betreuung zu lassen? Nein. Aus Sicht des Senats wurde eine bedarfsgerechte Struktur etabliert, siehe Vorbemerkung . 18. Waren Vertreter/-innen der Hamburger Sicherheitsbehörden zur Kontaktaufnahme und Gesprächen mit derzeit gefangenen Personen in Syrien, im Iran oder in der Türkei? a. Wenn ja: Welche Stellen waren zu welchem Zeitpunkt mit welchem Auftrag in die Gespräche involviert? b. Über welche konkreten Stellen finden die oben genannten Kontaktaufnahmen statt? Nein. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. bis 1. b.