BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15559 21. Wahlperiode 21.12.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Franziska Rath (CDU) vom 14.12.18 und Antwort des Senats Betr.: Sozialsenatorin will Teilzeitausbildung stärken – Doch warum fristet diese bisher nur ein Nischendasein? Sozialsenatorin Leonhard hat im Rahmen eines Zeitungsinterviews und der Haushaltsberatungen innerhalb weniger Tage gleich mehrfach die Teilzeitausbildung gelobt, die verstärkt gefördert werden müsste. Unstrittig kann die Teilzeitausbildung insbesondere für Frauen ein geeignetes Instrument sein, sich beruflich zu qualifizieren, um Altersarmut zu vermeiden. Allerdings stellt sich die Frage, was den Senat bisher daran gehindert hat, die Teilzeitausbildung stärker zu fördern. Ein Blick in Drs. 21/11473 zumindest offenbart, dass eine Abfrage unter allen Behörden, Bezirksämtern und Landesbetrieben ergeben habe, dass auf öffentlich-rechtlicher Seite im Jahr 2016 nur eine und im Jahr 2017 nur drei Teilzeitausbildungsverhältnisse neu abgeschlossen wurden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat verfolgt das Ziel, die Teilzeitausbildung zu stärken und wirbt hierfür im Rahmen der Hamburger Fachkräftestrategie (vergleiche Drs. 20/8154, Drs. 21/11473 und Drs. 21/13304). Diese ist ein Instrument zur Stärkung der Attraktivität der Ausbildung insgesamt, weil sie mehr auf individuelle Bedürfnisse von Auszubildenden eingeht und dadurch mehr Menschen für die Ausbildung gewinnen kann. Zur Bedeutung der Teilzeitausbildung siehe auch Drs. 21/8614 und 21/4857. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften des Projektträgers Koordinierungsstelle Weiterbildung und Beschäftigung e.V. (KWB) wie folgt: 1. Wie viele Teilzeitausbildungsverhältnisse wurden im Jahr 2018 bei Behörden, Bezirksämtern und Landesbetrieben abgeschlossen? Seit dem 1. August 2018 werden elf Referendarinnen und Referendare in Teilzeit im Rahmen des Vorbereitungsdienstes für Lehrkräfte in der für Bildung zuständigen Behörde beschäftigt. Im Landesbetrieb ZAF/AMD – Zentrum für Aus- und Fortbildung (ZAF), arbeitsmedizinischer Dienst (AMD) – wurden in 2018 insgesamt zwei Teilzeitausbildungsverhältnisse abgeschlossen (eine Ausbildung zur/zum Verwaltungsfachangestellten und ein Regierungssekretär-Anwärterin/-Anwärter). Im Bereich der Bezirksämter ist gegenwärtig eine Auszubildende in der Fachrichtung Staudengärtnerei in Teilzeitausbildung befindlich. Das Ausbildungsverhältnis begann am 01.08.2017 zunächst in Vollzeit. Aufgrund der Geburt eines Kindes begann das Ausbildungsverhältnis am 1.8.2018 erneut, nun allerdings in Teilzeit. Drucksache 21/15559 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Inwiefern bewirbt der Senat aktiv die Teilzeitausbildung bei Behörden, Bezirksämtern und Landesbetrieben? Die für Berufsbildung zuständige Behörde bietet den Auszubildenden regelhaft die Möglichkeit an, Teilzeitausbildungsverhältnisse durchzuführen. Speziell im Vorbereitungsdienst für Lehrkräfte bietet die für Bildung zuständige Behörde seit dem 1. August 2018 die Möglichkeit an, die Ausbildung in Teilzeit durchzuführen. Das Zentrum für Aus- und Fortbildung (ZAF) ermöglicht auf Wunsch eine Teilzeitausbildung in den dualen Ausbildungen zur/zum Verwaltungsfachangestellten beziehungsweise als Regierungssekretär-Anwärter/-in, soweit die Antragsvoraussetzungen erfüllt werden. Zudem geht das ZAF – im Sinne des Gesamtarbeitgebers Freie und Hansestadt Hamburg – als familienfreundlicher Betrieb auf die persönlichen Belange der Auszubildenden ein. Daneben spricht das ZAF die Thematik in persönlichen Gesprächen auf Berufsmessen oder in Beratungsgesprächen explizit an und bietet dies individuell auch im Verlauf des Auswahlverfahrens an. Für den Bereich der Ausbildungsberufe des öffentlichen Dienstes und der städtischen Hauswirtschaft nach dem Berufsbildungsgesetz (zum Beispiel Verwaltungsfachangestellte , Justizfachangestellte, Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste der Fachrichtung Bibliothek, Vermessungstechnikerinnen und Vermessungstechniker) hält die zuständige Stelle des ZAF als Ausbildungs- und Prüfungskammer auf ihrer Website auch Informationen zur Teilzeitberufsausbildung bereit, die Behörden beziehungsweise Betrieben sowie potenziell interessierten Auszubildenden Orientierung bieten. Die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, als federführende Behörde für den Vorbereitungsdienst in der Fachrichtung Technische Dienste, informiert in den Auswahlgesprächen für den Vorbereitungsdienst die Bewerberinnen und Bewerber auf Nachfrage über die Möglichkeit einer Teilzeitausbildung. Die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz schreibt Ausbildungsstellen sowohl in Voll- als auch in Teilzeit aus. 3. Welche Probleme sieht der Senat bei der Umsetzung der Teilzeitausbildung bei Behörden, Bezirksämtern und Landesbetrieben? Hat der Senat aus der niedrigen Inanspruchnahme in den Jahren 2016 und 2017 Konsequenzen gezogen beziehungsweise Veränderungen vorgenommen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Grundsätzlich sind alle Behörden und Ämter der Freien und Hansestadt Hamburg bereit, in Teilzeit auszubilden. Entsprechende Anträge werden im Einzelfall geprüft. Soweit sich die Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) richtet, ist § 8 Absatz 1 Satz 2 BBiG anwendbar. Hier bedarf es eines gemeinsamen Antrages der beziehungsweise des Auszubildenden und der auszubildenden Stelle, somit eines Einverständnisses beider Seiten sowie das Vorliegen eines berechtigten Interesses. Für bestimmte Ausbildungsberufe existieren spezialgesetzliche Regelungen, wie beispielsweise die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Steuerbeamtinnen und Steuerbeamte, welche wegen ihrer inhaltlichen Vorgaben teilweise eine Ausbildung in Teilzeit im öffentlichen Dienst nicht ermöglichen. Es existieren in bestimmten Bereichen des öffentlichen Dienstes aus organisatorischen Gründen auch faktische Schwierigkeiten, die der Schaffung von Ausbildungsmöglichkeiten in Teilzeit entgegenstehen , zum Beispiel Ausbildungskapazitäten und unterschiedliche Ausbildungsorte . Dies betrifft die Ausbildung zur Vermessungstechnikerin beziehungsweise zum Vermessungstechniker, zur Chemielaborantin beziehungsweise zum Chemielaboranten , die Ausbildung für den Allgemeinen Vollzugsdienst im Justizvollzug (AVD), die Ausbildung in der allgemeinen Justizverwaltung (Justizfachangestellte und Beamte im allgemeinen Justizdienst), die Ausbildung zur Justizwachtmeisterin beziehungsweise zum Justizwachtmeister, das Studium zur Dipl.-Rechtspflegerin beziehungsweise zum Dipl.-Rechtspfleger, und die Ausbildung zur Gerichtsvollzieherin beziehungsweise zum Gerichtsvollzieher. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15559 3 4. Drs. 21/11473 erwähnt, dass für das „ServiceCenter Teilzeitausbildung“ bis Ende Februar 2019 200.000 Euro ESF-Mittel (245 000 Euro Kofinanzierung durch die Freie und Hansestadt Hamburg) jährlich genehmigt sind. Wurden die Mittel bereits darüber hinaus genehmigt? Wenn ja, bis wann und in welcher Höhe? Wenn nein, warum nicht und wie geht es weiter? Die laufende ESF-Maßnahme „ServiceCenter Teilzeitausbildung“ diente der Weiterentwicklung des Beratungsansatzes insbesondere für junge Eltern. Um dieser Zielgruppe die gesamte Unterstützungsstruktur der Jugendberufsagentur zur Verfügung stellen zu können, soll dieses Beratungsangebot zukünftig in die Jugendberufsagentur und die gemeinsame, rechtskreisübergreifende Maßnahmeplanung integriert werden. Diese Überführung in das Regelsystem findet ab März 2019 statt. Um die Kontinuität laufender Beratungsfälle sicherzustellen sowie die Dienstleistung für besonders aufwendige Beratungsfälle zu stärken, finanziert die Freie und Hansestadt Hamburg die Aufgabe mit einem Betrag in Höhe von 100.000 Euro p.a. 5. Wie viele VZÄ/Mitarbeiter zählt das „ServiceCenter Teilzeitausbildung“? 4,25 Vollzeitäquivalente beziehungsweise acht Beschäftigte. 6. Wie viel Beratungsgespräche hat das „ServiceCenter Teilzeitausbildung“ seit dem Jahr 2017 geführt? Bitte nach Jahren, Branche und Geschlecht aufschlüsseln. Jahr Geschlecht Anzahl /Beratungsgespräche 2017 männlich 16 2017 weiblich 375 2018 männlich 22 2018 weiblich 510 Quelle: Auswertung des Projektträgers KWB, Stand 13.12.2018 Die Aufschlüsselung nach Branchen ist nicht ermittelbar, da die Teilnehmer/-innen in der Regel mehrere Berufswünsche aus unterschiedlichen Branchen mitbringen oder sich diese sich diese während der Berufsorientierung im Projekt ergeben. 7. Wie viel Personen hat das „ServiceCenter Teilzeitausbildung“ seit dem Jahr 2017 in Teilzeitausbildung vermittelt? Bitte nach Jahren, Branche und Geschlecht aufschlüsseln. Im bisherigen Projektzeitraum wurden insgesamt ausschließlich 46 Teilnehmerinnen vermittelt, davon zehn für das Jahr 2017, 28 für das Jahr 2018 und bereits acht für das Ausbildungsjahr 2019: Vermittlung in betriebliche Teilzeitausbildung und -umschulung Branchen 2017 2018 2019 Gesamt Druck & Medien 1 - - 1 Gesundheit & Beauty 3 5 3 11 IT 1 - - 1 Kaufmännisch 5 13 2 20 Gastronomie - 1 - 1 Handwerk - 3 - 3 Pflege - 3 3 6 Soziales - 3 - 3 Summe 10 28 8 46 Quelle: Auswertung des Projektträgers KWB, Stand 13.12.2018 8. Wie viele Teilzeitausbildungsverhältnisse gibt es aktuell insgesamt in Hamburg? Wie hat sich die Zahl seit dem Jahr 2015 entwickelt? Bitte zusätzlich nach Jahren, Branche und Geschlecht aufschlüsseln. Eine vollständige Datenerhebung konnte in der für die Beantwortung der Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht erfolgen, da eine Einzelauswer- Drucksache 21/15559 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 tung aller Ausbildungsverträge (mehrere Tausend) nötig wäre. Zudem ist die erbetene Aufschlüsselung nach Branche und Geschlecht nicht möglich, weil diese Daten von den zuständigen Stellen nicht miteinander verknüpft statistisch erhoben werden. Hilfsweise wird eine aktualisierte Übersicht nach Kammerzuordnung herangezogen (vergleiche Drs. 21/8614). Teilzeitausbildungen in den freien Berufen wurden nicht statistisch erfasst. Neuzugänge in Teilzeitausbildungsverhältnisse 2015 bis 2018 2015 2016 2017 2018* Handwerkskammer 29 29 11 8* Handelskammer 40 49 51 51 Landwirtschaftskammer 5 2 1* Ärztekammer 4 7 8* Zahnärztekammer 15 10 7* Quelle: Angaben der Kammern, * Stand 17.12.18 9. Wie viele Abbrüche von Teilzeitausbildungsverhältnissen gab es in den Jahren 2017 und 2018? Bitte zusätzlich nach Jahren, Branche und Geschlecht aufschlüsseln. Sind dem Senat die Gründe für die Abbrüche bekannt? Detaillierte Angaben zu Abbrüchen und Gründen von Teilzeitberufsausbildungen werden von den zuständigen Stellen statistisch nicht erfasst. 10. Welche Schwierigkeiten und Bedenken gibt es vonseiten der Arbeitgeber , der Arbeitnehmer und der Berufsfachschulen bezüglich der Teilzeitausbildung ? Der zuständigen Fachbehörde liegen seitens der Arbeitgeber und Beschäftigten keine qualitätsgesicherten Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor. Da die zeitliche Belastung der Schülerinnen und Schüler an Berufsfachschulen in der Regel geringer ist als in der dualen Ausbildung nach BBIG/HWO, wurde in der zuständigen Fachbehörde bisher kein Bedarf für die Einrichtung entsprechender Teilzeitausbildungsgänge festgestellt. Aus Rückmeldungen zu Einzelfällen lässt sich vermuten, dass sich mögliche Vorbehalte von Arbeitgebern oftmals nicht auf die Teilzeitausbildung an sich beziehen, sondern auf die begleitenden Lebenslagen der Ausbildungsplatzsuchenden. Ebenso bestehen demnach aufseiten der Ausbildungsplatzsuchenden oftmals Bedenken hinsichtlich der eigenen Leistungsfähigkeit in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf trotz der Möglichkeit der Arbeitsreduzierung. Diese Vorbehalte und Bedenken sollen mit der Beratungsstelle beziehungsweise durch das Regelsystem durch konkrete Unterstützungsmaßnahmen wie die Organisation der Kinderbetreuung genommen werden. Die zeitliche Inanspruchnahme in den Berufsfachschulen beläuft sich auf circa 30 – 32 Stunden pro Woche. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. 11. Durch welche Maßnahmen fördert der Senat die Teilzeitausbildung bisher ? 12. Welche Maßnahmen zum Ausbau der Förderung bei der Teilzeitausbildung sind geplant? Siehe Vorbemerkung und Antwort zu 4. Die Beratung zur Möglichkeit und Durchführung der Teilzeitausbildung obliegt im Übrigen für die unter 25-jährigen Interessierten der Jugendberufsagentur insgesamt, für die über 25-Jährigen der Bundesagentur für Arbeit (Berufsberatung oder Arbeitsvermittlung).