BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15659 21. Wahlperiode 15.01.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 07.01.19 und Antwort des Senats Betr.: Bekämpfung von Betrugsdelikten – Welche Strategie verfolgt der Senat? (II) Ob Enkeltrick, falsche Polizisten oder dubiose E-Mails, Betrüger haben Hochkonjunktur. Nachdem bereits 2017 ein Anstieg von 7,6 Prozent zu verzeichnen war, wurde im ersten Halbjahr 2018 noch einmal ein Plus von 13,8 Prozent registriert. Gleichzeitig sinkt die Aufklärungsquote deutlich: von 71,8 Prozent im Jahre 2014 (Drs. 20/14425) auf 55 Prozent im ersten Halbjahr 2018. Dabei versuchte die Polizei bereits mit Einführung der standardisierten Betrugssachbearbeitung im Januar 2015 die Situation in den Griff zu bekommen. Zu Beginn des vergangenen Jahres teilte der Leiter des LKA mit, dass er eine Arbeitsgruppe eingerichtet habe, die Vorschläge erarbeiten soll, um bei der Bekämpfung des Betruges schlagkräftiger zu werden, Drs. 21/11891. Die aktuelle Situation ist katastrophal; Leidtragende sind eine steigende Zahl von Opfern und die ermittelnden Beamten, die mit der Fülle der Vorgänge völlig überlastet sind. In der Antwort auf meine Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/14575 führt der Senat aus: „Ungeachtet der seit dem Jahr 2017 bereits eingeleiteten und im Jahr 2018 fortgesetzten Maßnahmen zur personellen Unterstützung des LKA 5 (siehe auch Antwort zu 11.) hat der Leiter des LKA mit Wirkung zum 20. Dezember 2017 die Arbeitsgruppe (AG) „Betrug“ mit dem Auftrag der Durchführung einer ganzheitlichen Betrachtung der Betrugssachbearbeitung eingerichtet, um eine nachhaltige Lösung für die Betrugssachbearbeitung zu erarbeiten. Durch die AG „Betrug“ wurden am Ende eines sehr umfangreichen Betrachtungsprozesses mögliche Maßnahmen erarbeitet. Kerngedanke der vorgeschlagenen Maßnahmen zu Veränderungen in der Betrugssachbearbeitung ist es, für die Sachbearbeitung die Strukturen zu straffen, damit Verfahren zu beschleunigen und eine größere Flexibilität bei der Bearbeitung verschiedener Delikte je nach Belastung zu ermöglichen, um sowohl bei den Massendelikten wie bei komplexen Ermittlungssachverhalten eine nachhaltigere und konzentriertere Bearbeitung zu ermöglichen. Dazu sind die Minimierung von konfliktträchtigen Schnittstellen durch die Einführung einer Sachgebietsstruktur nach Ermittlungstiefe, die Möglichkeit der Rotation zur Veränderung der Personalstruktur und der planmäßigen Rotation zur stetigen Personalentwicklung sowie die Möglichkeit , Deliktsbereiche gegeneinander zu priorisieren, um Belastungsspitzen besser ausgleichen zu können, vorgesehen. Anknüpfend an die Entscheidung zur Neuausrichtung der Betrugssachbearbeitung wurde die AG „Betrug“ im August 2018 vom Leiter des LKA mit der Entwicklung eines Umsetzungskonzeptes beauftragt. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen .“ Seitdem sind rund drei weitere Monate vergangen. Drucksache 21/15659 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Und die Gefahr, Opfer eines Betrugsdelikts zu werden, wächst unaufhörlich weiter. Ob als Eingehungsbetrug, durch Identitätsdiebstahl oder durch Abstreiten des Erhalts der Ware, viele Online-Händler haben ihre traurigen Erfahrungen damit machen müssen. Einer aktuellen Studie der CRIF Bürgel GmbH zufolge wurden rund 130 Online-Händler in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu ihren Erfahrungen zum Thema Betrug befragt. „97,4 der befragten Online-Shop Betreiber in Deutschland gaben an, schon einmal mit Betrug oder einem Betrugsversuch konfrontiert gewesen zu sein. Zudem sagten 71 Prozent der Umfrageteilnehmer, dass der Betrug in ihren Shops angestiegen (52 Prozent) oder sogar stark angestiegen (19 Prozent) ist. (…) Für den Großteil (70 Prozent) der befragten Unternehmen lag der höchste, je erlittene Einzelverlustbetrag durch Betrugsfälle bei unter 5.000 Euro. Allerdings gab in Deutschland jeder fünfte Online-Shop an, dass er Verluste zwischen 5.000 und 10.000 Euro erlitten hat. Bei 6,7 Prozent lag der Einzelschaden durch Betrug bei über 25.000 Euro.“ https://www.crifbuergel.de/de/ aktuelles/studien/betrug-im-e-commerce-ueber-97-prozent-der-haendler-indeutschland -sind-betroffen. Das Bundeslagebild Wirtschaftskriminalität 2017 weist auf eine deutliche Steigerung bereits bei den erfassten Betrugstaten hin: Die Fallzahl stieg von 29 160 im Jahr 2016 auf 48 103 im Jahr 2017, die Schadenssumme wuchs im gleichen Zeitraum von 772 Millionen Euro auf 2 065 Millionen Euro. Da nicht jede versuchte oder vollendete Tat angezeigt wird, wird das Dunkelfeld noch deutlich höher ausfallen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die erfolgreiche Bekämpfung von Betrugsdelikten kann, wie in allen Kriminalitätsbereichen , ausschließlich durch gemeinsames Wirken gelingen. Nur mit Unterstützung sowohl der Bürger als auch der Unternehmen kann diesem Kriminalitätsfeld entgegengetreten werden. Eine Sensibilisierung für die Betrugsgefahren unter anderem im Umgang mit E-Mails, Bankdaten oder bei Online-Geschäften und das Treffen wirksamer Vorbeugemaßnahmen machen jeden einzelnen Bürger zu einem Teil wirksamer Kriminalprävention. Neben der präventiven und repressiven Tätigkeit der Sicherheitsbehörden und dem vorbeugenden Maßnahmen der Bürger tragen die Online-Versandhändler in diesen Deliktsfeldern eine besondere Verantwortung. Eine verstärkte Betrugsprävention seitens der Unternehmen führt zu einer Verhinderung beziehungsweise Verringerung von Tatgelegenheiten und wirkt sich damit positiv auf die Fallzahlen aus. Insbesondere im Bereich des Online- und Versandhandels stellen Betrugsformen wie zum Beispiel Zahlungsunfähigkeit oder die Angabe falscher Daten ein Problem dar. Diesem kann durch eine intensivierte eigenverantwortliche Sicherheitsvorsorge zumindest in Teilbereichen präventiv begegnet werden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele zurückgestellte Verfahren gab es zum 1. Januar 2019 in den einzelnen Abteilungen des LKA? Die erfragten Daten zu den einzelnen Abteilungen des LKA zum Stichtag 01.01.2019 sind in der folgenden Tabelle aufgeführt: Abteilung Anzahl LKA 1 1 542 LKA 4 64 LKA 5 1 061 LKA 6 553 LKA 7 100 Gesamt 3 320 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15659 3 In der Tabelle ist erstmalig eine geringe Anzahl zurückgestellter Vorgänge in der Abteilung Deliktsorientierte Ermittlungen (LKA 4) enthalten. Diese betreffen Ermittlungsverfahren , bei denen Sofortmaßnahmen nicht erforderlich sind, oder eine Dringlichkeit aus sonstigen Gründen nicht vorliegt. Insgesamt konnte die Anzahl zurückgestellter Vorgänge im LKA weiter reduziert werden . 2. Wie haben sich die Anzahlen der erfassten Betrugsfälle (PKS- Straftatenschlüssel 510000) und des sonstigen Warenkreditbetrugs (PKS-Straftatenschlüssel 511200) sowie die Aufklärungsquoten im zweiten Halbjahr 2018 entwickelt? Die Polizei erfasst Straftaten gemäß dem Straftatenkatalog der Richtlinien für die Erfassung und Verarbeitung der Daten in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Die Aussagekraft der PKS ist auf Jahresauswertungen ausgelegt. Innerhalb eines Berichtsjahres unterliegt der PKS-Datenbestand einer ständigen Pflege, zum Beispiel durch Hinzufügen von nachträglich ermittelten Tatverdächtigen oder der Herausnahme von Taten, die sich im Nachhinein nicht als Straftat erwiesen haben. Da die erfragten Jahresdaten der PKS 2018 zur Zeit noch nicht qualitätsgesichert sind und ein Datenabgleich mit dem Bundeskriminalamt (BKA) noch nicht erfolgt ist, werden die erfragten Daten für das Jahr 2018 zur Gewährleistung eines Minimums an Validität als kumulative Dreivierteljahreszahlen (Januar bis September) berechnet: PKS- Schlüssel Delikt Januar bis September 2018 erfasste Fälle aufgeklärte Fälle absolut relativ 510000 Betrug 26 308 14 247 54,2 % 511200 sonstiger Warenkreditbetrug 5 604 2 209 39,4 % 3. Welche möglichen Maßnahmen wurden durch die AG „Betrug“ erarbeitet ? 4. Wurde das im August 2018 beauftragte Umsetzungskonzept erarbeitet? Falls ja, was umfasst es und wann wurden beziehungsweise werden welche konkreten Maßnahmen ergriffen? Falls nein, weshalb ist es noch immer nicht abgeschlossen und wann wird dies voraussichtlich der Fall sein? Der Prozess ist aufgrund der notwendigen Abstimmungen mit den Beteiligten derzeit noch nicht abgeschlossen; im Übrigen siehe Drs. 21/14575. 5. Wie hat sich die krankheitsbedingte Fehlzeitenquote im LKA 55 im zweiten Halbjahr 2018 entwickelt? Bitte monatsweise angeben. Die Datenbasis bei der Erfassung von Fehlzeiten im neuen Personalmanagementverfahren Kooperation Personaldienste (KoPers) ist noch fehlerhaft und unvollständig, eine Beantwortung der Fragestellung auf Basis valider Daten ist daher derzeit nicht möglich. 6. Wie hat sich die Personalausstattung des wirtschaftskriminalistischen Prüfdienstes des LKA seit dem Jahre 2012 entwickelt? Bitte jeweils Stellen -Soll und Besetzungsumfang zum 1. Januar eines Jahres angeben. Die Personalausstattung des wirtschaftskriminalistischen Prüfdienstes des LKA 5 hat sich im erfragten Zeitraum wie folgt entwickelt: Stichtag Stellen-Soll Besetzungsumfang verfügbare Personalkapazität 01.01.2012 12 11,25 10,85 01.01.2013 12 10,35 9,95 01.01.2014 12 10,35 10,35 01.01.2015 12 11,35 11,35 Drucksache 21/15659 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Stichtag Stellen-Soll Besetzungsumfang verfügbare Personalkapazität 01.01.2016 12 11,5 11,25 01.01.2017 12 10,5 10,25 01.01.2018 12 11,5 10,25 01.12.2018* 14 12,44 11,35 * Daten zum 1. Januar 2019 liegen derzeit noch nicht vor. 7. Der Senat gibt in der Drs. 21/14575 an, dass die Sachbearbeitung Zugriff auf „verschiedene forensische und ermittlungsunterstützende Auswertungssoftware“ habe. a. Um welche Software handelt es sich konkret? b. Inwiefern ist diese Software in der Lage, Serien zu erkennen? Die Polizei setzt folgende Software-Produkte ein: X-Ways Investigator zur Auswertung von Festplatten und USB-Sticks, XRY-Reader und Universal Forensic Extraction Device (UFED)-Reader zur Auswertung von Smartphones und Tablets sowie FARMEx zur Auswertung von Verkehrs- und Funkzellendaten. Mithilfe dieser Software ist dem Ermittlungssachbearbeiter ein Erkennen von Serien möglich. 8. Fast täglich erhalten Internet-User dubiose Mails, die häufig dem Phishing von Daten dienen, fast täglich werden Online-Händler Opfer von Betrügern. Wie hoch schätzt die Polizei das Dunkelfeld beim Betrug? Berechnungen im Sinne der Fragestellung nimmt die Polizei nicht vor. a. Welche Pläne bestehen, um es zu erhellen? Nach einem Beschluss der „Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK)“ vom Dezember 2017 wird ab 2020 die bundesweite „Befragung zu Sicherheit und Kriminalität in Deutschland“ (SKiD) eingeführt. SKiD soll verlässlichere Aussagen über das reelle Kriminalitätsaufkommen, das Anzeigeverhalten sowie das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung liefern. Die Polizei Hamburg beteiligt sich als eines der ersten Länder an der bundesweiten Befragung mit dem Ziel, aussagekräftige landesspezifische Erkenntnisse zur Kriminalitäts- und Sicherheitslage in Hamburg zu erlangen. b. Welche konkreten Präventionsangebote werden Hamburger Unternehmen im Hinblick auf die Verhinderung von mittels des Internets begangenen Betrugsstraftaten durch die ZAC gemacht? Maßnahmen im Sinne der Fragestellung sind: Mitarbeiter des LKA 54/Zentrale Ansprechstelle Cybercrime (ZAC) führen unter anderem vor Ort persönliche Beratungen in Hamburger Unternehmen durch. In der Handelskammer wird durch das LKA 54 eine monatliche Sprechstunde angeboten. Für die Wirtschaft ist beim LKA 54 eine ZAC-Hotline eingerichtet, über die Unternehmen Auskünfte und Beratung erhalten. Das LKA 54 hat einen sogenannten Awareness-Stick entwickelt, welcher kleinen und mittelständischen Unternehmen kostenlos zur Beschulung ihrer Mitarbeiter zu Verfügung gestellt wird. Der USB-Stick enthält Schulungsmaterialien, um die Mitarbeiter der Unternehmen über Datensicherheit zu informieren und ihnen Tipps für Sicherheitsmaßnahmen zu geben. Darüber hinaus sollen die Unternehmen auch hinsichtlich der Begehungsweise gängiger Betrugstaten sensibilisiert werden, um diese möglichst frühzeitig zu erkennen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15659 5 Weiterhin ist die ZAC Partner in Sicherheitskooperationen wie der Allianz für Cyber-Sicherheit, welche 2012 durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik gegründet wurde. Im Übrigen siehe Drs. 21/7184.