BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15669 21. Wahlperiode 15.01.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 07.01.19 und Antwort des Senats Betr.: Funkzellenüberwachung in Hamburg Da bei der Funkzellenabfrage gemäß § 100g Absatz 3 der Strafprozessordnung sämtliche Mobilfunknummern, die zu einem bestimmten Zeitpunkt innerhalb der Reichweite der abgefragten Funkzelle waren, an die Sicherheitsbehörden übermittelt werden, wird durch die Funkzellenabfragen eine enorme Datensammlung möglich. Die Informationslage zu Anlässen und Häufigkeit der Funkzellenabfragen in Hamburg ist dürftig. Aus meinen bisherigen Anfragen (zuletzt Drs. 21/4405) ergibt sich, dass der Senat nicht in der Lage ist, konkrete Angaben zur Funkzellenüberwachung durch Staatsanwaltschaft und Polizei zu machen. In Berlin existiert hingegen eine umfassende Dokumentations- und Berichtspflicht . Betroffene haben seit November 2018 sogar die Möglichkeit, sich über eine Onlineplattform (https://fts.berlin.de) proaktiv benachrichtigen zu lassen, ob und inwieweit sie von einer Funkzellenüberwachung betroffen waren. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Art und Umfang der statistischen Erfassung und der Berichtspflicht zu Maßnahmen nach § 100g StPO sind für alle Bundesländer einheitlich in der Strafprozessordnung festgelegt (§ 101b StPO). Das Bundesamt für Justiz erstellt aus den Länderberichten eine bundesweite Übersicht und veröffentlicht diese im Internet. Eine Differenzierung zwischen den einzelnen Maßnahmen des § 100g StPO, darunter die Funkzellenabfrage auf Grundlage des § 100g Absatz 3 StPO, erfolgt entsprechend der gesetzlichen Vorgaben ab dem Berichtsjahr 2018. Im Übrigen siehe Drs. 21/9862. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viel (nicht individualisierte) Funkzellenabfragen wurden aufgrund welcher Rechtsgrundlage, in wie vielen Verfahren für und durch welche Behörden a. in 2017, b. in 2018 vorgenommen? Zu dem Begriff „nicht individualisierte Funkzellenabfrage“ und zur statistischen Erfassung der angefragten Daten bei der Polizei siehe Drs. 21/4405. Drucksache 21/15669 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Der Umstand, ob die Anordnung zur Auskunftserteilung von Telekommunikationsdaten gemäß § 100g StPO Funkzellendaten betrifft, wird im Vorgangsverwaltungs- und -bearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft Hamburg nach den bundeseinheitlichen Vorgaben erst seit dem 1. Januar 2018 erfasst. Es müssten daher zur Beantwortung dieser Frage jedenfalls sämtliche Verfahren aus dem Aktenzeichenjahrgang 2017 beigezogen werden, in denen Maßnahmen gemäß § 100g StPO gespeichert sind. Es handelt sich für das Jahr 2017 um 818 Verfahren. Diese Daten stehen unter dem Vorbehalt der vollständigen und richtigen Erfassung in MESTA, das nicht als Statistikprogramm konzipiert ist. Die händische Auswertung dieser Verfahren ist in der für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich . Bei der Generalstaatsanwaltschaft sind im Jahr 2017 keine Anordnungen zur Erhebung von Funkzellendaten erfasst. Zu Maßnahmen im Sinne der Fragestellungen anlässlich des G20-Gipfels im Jahr 2017 siehe Drs. 21/9862 und 21/4405. In dem Jahr 2018 wurden bei der Staatsanwaltschaft nach vorläufiger Auswertung insgesamt mindestens 339 Anordnungen in 312 Verfahren zur Erhebung von Funkzellendaten gemäß § 100g Absatz 3 StPO ausgeführt. Die Zahlen für das Jahr 2018 sind noch nicht vollständig erfasst und können sich insbesondere durch das Nacherfassen fehlender Datensätze noch verändern. Bei der Generalstaatsanwaltschaft sind im Jahr 2018 keine entsprechenden Anordnungen zur Erhebung von Funkzellendaten registriert. 2. Wie viele Anordnungen nach § 100g StPO sind in wie vielen Verfahren, wegen welcher Delikte a. in 2017, b. in 2018 durchgeführt worden? Bei der Staatsanwaltschaft handelt es sich für das Jahr 2017 um 818 Verfahren und 1 052 Anordnungen zur Auskunftserteilung von Telekommunikationsdaten gemäß § 100g StPO. In MESTA wird nicht erfasst, wegen welcher Delikte diese Daten erhoben werden. Eine händische Auswertung dieser Verfahren ist in der für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. a. und b. Im Vorgangsverwaltungs- und -bearbeitungssystem MESTA der Generalstaatsanwaltschaft wurden für das Jahr 2017 acht Anordnungen gemäß § 100g StPO erfasst, wobei teilweise mehrere Maßnahmen in einem Verfahren vollstreckt wurden. Dabei lag bei sieben Verfahren der Anfangsverdacht der §§ 129a, 129b StGB und bei einem Verfahren der Anfangsverdacht des § 212 StGB vor. Für das Jahr 2018 handelt es sich bei der Staatsanwaltschaft nach vorläufiger Auswertung um mindestens 655 Verfahren und mindestens 839 Anordnungen zur Auskunftserteilung von Telekommunikationsdaten gemäß § 100g StPO einschließlich der in der Antwort zu 1. a. und b. genannten Verfahren und Anordnungen zur Erhebung von Funkzellendaten gemäß § 100g Absatz 3 StPO. Die Zahlen für das Jahr 2018 sind noch nicht vollständig erfasst und können sich insbesondere durch das Nacherfassen fehlender Datensätze noch verändern. In MESTA wird nicht erfasst, wegen welcher Delikte diese Daten erhoben werden. Eine händische Auswertung der Verfahren ist in der für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Für die Generalstaatsanwaltschaft ist 2018 eine Anordnung nach § 100g wegen des Anfangsverdachts der §§ 129a, 129b StGB ergangen. Zur statistischen Erfassung der angefragten Daten bei der Polizei siehe Drs. 21/4405. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15669 3 3. In wie vielen Fällen erging jeweils in 2017 und 2018 eine Funkzellenüberwachung (hilfsweise die Anordnung einer Maßnahme nach § 100g StPO) wegen Gefahr im Verzug durch die Staatsanwaltschaft? 4. In wie viele Fällen lehnte das Gericht jeweils in 2017 und 2018 eine beantragte Funkzellenüberwachung (hilfsweise alle Maßnahmen nach § 100g StPO) ab? In MESTA wird nicht erfasst, ob die Daten auf Grundlage einer staatsanwaltschaftlichen Anordnung oder eines richterlichen Beschlusses erhoben werden und ob Anträge durch den Ermittlungsrichter abgelehnt wurden. Die Beiziehung und händische Auswertung der Verfahren der Staatsanwaltschaft ist in der für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Übrigen siehe Antworten zu 1. a. und b. und 2. a. und b. Bei der Generalstaatsanwaltschaft wurde in keinem Fall eine Funkzellenüberwachung wegen Gefahr im Verzug angeordnet. Im abgefragten Zeitraum wurden keine Anträge der Generalstaatsanwaltschaft auf Erhebung von Funkzellendaten durch den Ermittlungsrichter abgelehnt. 5. Wurden in Hamburg seit dem Zeitpunkt der letzten Anfrage (Drs. 21/4405) Funkzellenabfragen bei politischen Demonstrationen oder sonstigen Versammlungen durchgeführt? Falls ja, wann, durch welche Behörde und zu welchem Anlass? Funkzellenabfragen werden zur Aufklärung von Straftaten durchgeführt, sie stellen keine Maßnahme des Versammlungsrechts dar. Zu Maßnahmen im Sinne der Fragestellung anlässlich des G20-Gipfels im Jahr 2017 siehe Drs. 21/9862. Darüber hinaus wird eine Statistik im Sinne der Fragestellung bei der Polizei nicht geführt. Für die Beantwortung wäre eine Durchsicht aller einschlägigen Hand- und Ermittlungsakten des erfragten Zeitraums erforderlich. Die Auswertung mehrerer Tausend Vorgänge ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. In MESTA wird nicht erfasst, ob eine Erhebung von Funkzellendaten im Zusammenhang mit einer Demonstration oder sonstigen Versammlung erfolgte. Die Beiziehung und händische Auswertung der Verfahren der Staatsanwaltschaft ist in der für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Übrigen siehe Antworten zu 1. a. und b. und 2. a. und b. Die Generalstaatsanwaltschaft hat im abgefragten Zeitraum keine Funkzellendaten im Zusammenhang mit einer Demonstration oder sonstigen Versammlung erhoben. 6. Wie viele Datensätze wurden durch die Funkzellenabfragen (hilfsweise alle Maßnahmen nach § 100g StPO) in 2017 und 2018 jeweils erlangt? Die Anzahl der jeweils erhobenen Datensätze ist weder der Staatsanwaltschaft noch der Generalstaatsanwaltschaft bekannt, da diese Daten von der Polizei erhoben werden und teilweise nicht an die Staatsanwaltschaften übermittelt. Statistiken im Sinne der Fragestellung werden von der Polizei nicht erstellt. Für die Beantwortung wäre eine Durchsicht aller einschlägigen Hand- und Ermittlungsakten des erfragten Zeitraums erforderlich. Die Auswertung mehrerer Tausend Vorgänge ist der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 7. Wie viele betroffene Anschlussinhaber/-innen wurden im Jahr 2017 und 2018 jeweils über Maßnahmen nach § 100g StPO informiert? Die Benachrichtigungen werden in MESTA nicht erfasst. Die Beiziehung und händische Auswertung der Verfahren der Staatsanwaltschaft ist in der für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Übrigen siehe Antworten zu 1. a. und b. und 2. a. und b. Bei der Generalstaatsanwaltschaft wurden in den Jahren 2017 und 2018 insgesamt sieben Betroffene von einer gemäß § 100g StPO durchgeführten Maßnahme benach- Drucksache 21/15669 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 richtigt, wobei die Verfahren überwiegend noch nicht abgeschlossen sind und daher etwaige Benachrichtigungspflichten möglicherweise noch nicht entstanden sind (§ 101a Absatz 6 i.V.m. § 101 Absatz 5 StPO). 8. Plant der Senat eine transparente Berichterstattung und Informationsmöglichkeit für Betroffene ähnlich des Berliner Modells? Wenn ja, wie ist der Stand? Wenn nein, aus welchen Gründen hält der Senat die derzeitige Informationslage für ausreichend? Durch die differenzierte statistische Erfassung und Berichtspflicht wird zwischen den Ländern Vergleichbarkeit und Transparenz hergestellt. Hinsichtlich der Konzeption des Berliner Modells steht die zuständige Behörde in Kontakt mit der zuständigen Berliner Stelle und prüft, ob und inwieweit eine Anwendung auch in Hamburg in Betracht kommt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.