BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15679 21. Wahlperiode 15.01.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dirk Nockemann (AfD) vom 07.01.19 und Antwort des Senats Betr.: Die AG Queer Studies – Jenseits der Grenzen reiner Vernunft? Seit 1994 existiert an der Universität Hamburg die „AG Queer Studies“. Dabei handelt es sich nach eigenen Angaben um eine „Arbeitsgemeinschaft von Studierenden und Nicht-(Mehr-)Studierenden verschiedener Fächer“,1 deren Mitglieder jedes Semester die Ringvorlesung „Jenseits der Geschlechtergrenzen “ organisieren. Das Ziel dieser Arbeitsgemeinschaft besteht darin, „sich mit (hetero-)sexistischen gesellschaftlichen Hierarchisierungen, Normierungsprozessen und den Möglichkeiten des politischen Handelns“ auseinanderzusetzen .2 Ferner wollen die Organisatoren die Ringvorlesung als „Raum“ verstanden wissen, „der von den Entwicklungen der deutschsprachigen Queer-Debatte geprägt ist und in dem diese weiter geführt wird. Schließlich wird auf den Befund hingewiesen, dass „die Simultanität gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse stärker in den Vordergrund gerückt ist.“ Obwohl es für Unbedarfte schwierig ist, den Sinn dieser verworrenen Aufgabenstellung auf Anhieb zu verstehen, wird deutlich, dass es sich bei den Urhebern der Ringvorlesung um Angehörige sexueller Randgruppen handelt, die mithilfe sozialwissenschaftlicher Konzepte versuchen, ihre Ideen in politische Forderungen zu übertragen. Dabei sollen die traditionellen Gesellschaftsentwürfe im Bereich von Familie und Sexualität zunächst immer wieder fundamental infrage gestellt und schließlich abgeschafft werden. Dass die „AG Queer Studies“ 1994 tatsächlich von jenen Angehörigen sexueller Minderheiten konstituiert wurde, kann man daran erkennen, dass sie ursprünglich von der „AG LesBiSchwule Studien“ organisiert wurde, die ihren Namen 1999 in „AG Queer Studies/LesBiSchwule Studien“ änderte. Darüber hinaus lässt die enge Bindung der „AG Queer Studies“ an die Gender- Wissenschaften erkennen, dass klassische gesellschaftliche Konventionen als Konstrukte zurückgewiesen werden, die der Entfaltungsfreiheit der menschlichen Natur im Wege stehen.3 Was sich die „AG Queer Studies“ von ihrer strategischen Allianz mit den Genderwissenschaften verspricht, kann man auf ihrer Webseite nachlesen, wo es heißt: „Dabei (bei der Annäherung an jene) war es sowohl wissenschaftstheoretisch, als auch politisch unser Bestreben, die Queer Theory in unserer Arbeit an der Vorlesungsreihe und 1 Faktisch sind vor allem Studenten aus den Sozial- beziehungsweise Genderwissenschaften involviert. 2 Confer http://agqueerstudies.de/uber-die-ag-queer-studies/. 3 Dieser Befund ergibt sich aus zahlreichen Vorlesungen im Verzeichnis der „AG Queer Studies “. Abrufbar unter: http://agqueerstudies.de/programm/archiv/. Drucksache 21/15679 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 im Studiengang Gender Studies als Grundlage der kritischen Analyse erkennbar zu machen und zu vermitteln.“4 Seit 2002 wird die Ringvorlesung „Jenseits der Geschlechtergrenzen“ offiziell als Studienangebot geführt, wo sie als Nebenfach für Magister- und Diplomstudiengänge sowie seit der Ratifizierung des Bologna-Prozesses in Form des Masters „Gender und Arbeit“ belegt werden konnte. Ferner kann die Ringvorlesung, die seither Teil des interdisziplinären Curriculums ist, im Rahmen des Studiums für die Zertifikate „Genderkompetenz“ und „Intersektionalität & Diversity“ des Zentrums GenderWissen angerechnet werden. Die finanziellen Mittel für die Ringvorlesung werden der „AG Queer Studies“ vom AstA der Universität Hamburg, der Arbeitsstelle für Wissenschaftliche Weiterbildung der Universität Hamburger und dem Zentrum GenderWissen (Gemeinsame Kommission Gender & Diversity) bereitgestellt. Wofür diese Gelder seit Jahren genutzt werden, kann man gut aus den Vorlesungsverzeichnissen ersehen, die auf der Webseite der „AG Queer Studies“ abrufbar sind und im Folgenden in einer kurzen Überschau aufgelistet seien: Wintersemester 2018/2019: Gay Antifa Porn – Wie politisch ist Pornografie? Eine medienwissenschaftliche Annäherung Gitte Schmitz, Filmemacherin und Hamburger Polittunte Pleasure and Danger – Lesbian Sex Wars auf Deutsch? Diskussionen über lesbisch_queere Sexualität und Butch/Femme in den 80er und 90er Jahren in Wien und Westberlin Lisa Weinberg, M.A., Geschichtswissenschaftlerin_, Schwerpunkte: Frauenund Geschlechtergeschichte, Geschichte von LGBTIQ-Bewegungen, Queer History & Sexualitätsgeschichte, Berlin Wintersemester 2017/2018: Das „andere“ zur hegemonialen Männlichkeit? Sophie Ruby, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie, Friedrich-Schiller-Universität, Jena Sommersemester 2017: Queer-feministische Organisierung gegen den G20 Gipfel in Hamburg. Vertreter /-innen des FLTI*Bündnisses berichten Wintersemester 2016/2017: Coole Männer – verspannte Frauen. Zur Kritik heterosexueller Paarökonomien Sommersemester 2016: Return the gaze! – Performative Strategien für queer-feministischen Widerstand Julischka Stengele, freie Künstlerin, Kulturarbeiterin und Aktivistin, Wien Wintersemester 2015/2016: 4 Confer http://agqueerstudies.de/uber-die-ag-queer-studies/. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15679 3 Behindert und verrückt feiern Antje Barten, Lea Eckert, Ly* Antwerpen, Tab Bergner aus dem Pride Parade Berlin Bündnis Es gibt uns! Asexualität sichtbar machen Irina Brüning, Mitglied von AktivistA, Verein zur Sichtbarmachung von Asexualität, Berlin Sommersemester 2015: Einvernehmliche Nichtmonogamie zwischen Anspruch und Wirklichkeit Gesa Mayer, Dipl.-Soziologin, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften‚ Hamburg Wintersemester 2014/2015: Die Freiheit nehm‘ ich mir... Sexualität leben – wider die Moral Matthias Vernaldi, „Sexybilities – Sexualität und Behinderung“, ASL e.V., Berlin & Stephanie Klee, highLights-Agentur, Berlin Die Verschwulung der Welt! – Utopien im schwulen Mainstream-Porno Patsy l’Amour laLove/Patrick Henze, promoviert zur Schwulenbewegung der 1970er Jahre, Polit-Tunte, Berlin „Mehr ist mehr“: Intensität und Überfluss in (nicht-monogamen) queeren BDSM-Beziehungen Frauenkörper neu gesehen – Positionen des sex-positiven Feminismus zu Selbst bestimmter Sexualität Dr. Laura Méritt, Kommunikationswissenschaftlerin und Sex-Aktivistin, Initiatorin des PorYes-Feminist Porn Awards Europe, Betreiberin von „Sexclusivitäten ”, Berlin Zurückschlagen, kaputtmachen, wegglizzern trans*geniale f_antifa, Berlin. Sommersemester 2014: Sie stöhnt/er stöhnt – Wie verändert ein Rollentausch den eigenen Blick auf sexuelle Phantasien? Dr. Corinna Rückert, Kulturwissenschaftlerin, Autorin und freie Wissenschaftlerin , Berlin/Lüneburger Heide Wintersemester 2013/2014: Karriere des konstruierten Gegensatzes „Muslime versus Schwule“. Sexualpolitiken und Bilder vom Orient nach dem 11. September 2001 Koray Yilmaz-Günay, Migrationsrat Berlin-Brandenburg e.V. und RLS, Berlin Drucksache 21/15679 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Und was lesen wir jetzt? Die leidige Suche nach queeren Kinderbüchern Joke Janssen, M.A., Autor_ und Aktivist_, Hamburg Sommersemester 2013: Das fatale Genitale Diana Hartmann, KunstfotografIn und Intersex-AktivistIn, Hamburg Ban Marriage! Familienpolitiken aus queer-feministischer Perspektive Dr. Sushila Mesquita, Genderforschung, Universität Wien Wintersemester 2012/2013: PorYes – Feministische Pornografie Dr. Laura Méritt, Kommunikationswissenschaftlerin und Sex-Aktivistin, Initiatorin des PorYes- Feminist Porn Awards Europe. Betreiberin von „Sexclusivitäten ”, Berlin Sommersemester 2011: Vulva – die große Unbenannte Dr. Mithu Melanie Sanyal, Kulturwissenschaftlerin, Autorin und Journalistin, Düsseldorf Wintersemester 2010/2011: Tatort gentrifizierende Innenstadt: Zur Mobilität rassifizierter Homophobie- Diskurse im Zeitalter des Neoliberalismus Jin Haritaworn ist im Helsinki Collegium of Advanced Studies und intellektuell , politisch und kreativ auf der Schnittstelle Critical Race und Trans/ Gender/Sexuality tätig Die Konzeption der Lehrinhalte sowie die politischen Motive, die in diesen erkennbar werden (siehe „politische Aktivisten“ als Lehrpersonal“), erhärten den Verdacht, dass es sich im vorliegenden Fall um die staatliche Förderung einer politischen Ideologie handelt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Zum Masterstudiengang „Gender und Arbeit“ werden keine neuen Studierenden mehr zugelassen, da der Studiengang ausläuft. Die Ringvorlesung „Jenseits der Geschlechtergrenzen “ können Studierende im „Freien Wahlbereich“ besuchen. Sie ist öffentlich und richtet sich auch an außeruniversitäre Zuhörerinnen und Zuhörer. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der Universität Hamburg (UHH) wie folgt: 1. Wie viel Geld stellen die eingangs genannten Finanziers der „AG Queer Studies“ pro Semester sowie jährlich zur Verfügung? Bitte jeweils einzeln angeben für: a) AstA der Universität Hamburg; b) Arbeitsstelle für Wissenschaftliche Weiterbildung der Universität Hamburg; Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15679 5 c) Zentrum GenderWissen. 2. Seit wann besteht diese Förderung? 3. Inwieweit hat sich diese Förderung seit ihrer erstmaligen Bewilligung bis heute verändert? Ist sie womöglich gewachsen beziehungsweise geschrumpft? Die zugrunde liegende Entwicklung bitte in Hinblick auf die oben genannten Finanziers und deren Förderbeträge skizzieren. Im Haushalt der Verfassten Studierendenschaft der UHH sind im aktuellen Haushaltsjahr für den Haushaltstitel „Jenseits der Geschlechtergrenzen“ 5 500 Euro eingestellt. Ringvorlesungen, die offiziell in das Semesterprogramm des Allgemeinen Vorlesungswesens aufgenommen wurden, konnten bis zum Wintersemester 2016/2017 beim Zentrum für Weiterbildung (ZfW/vormals Arbeitsstelle für Wissenschaftliche Weiterbildung ) finanzielle Förderungen für Gastreferenten (Honorare, Reisekosten, Übernachtungskosten ) beantragen. Seit dem Sommersemester 2017 erfolgt durch das ZfW keine finanzielle Förderung mehr. Im Übrigen siehe Drs. 21/9725. 4. Was verbirgt sich hinter den Zertifikaten „Genderkompetenz“ und „Intersektionalität & Diversity“? Siehe Drs. 21/9725. 5. Wie viele Studenten/-innen beziehungsweise Lerninteressierte/-innen sind gegenwärtig für Lehrangebote der „AG Queer Studies“ eingeschrieben ? 6. Wie viele sind/waren es im Wintersemester 2018/2019 und Sommersemester 2018? Es gibt keine Einschreibungen bei der „AG Queer Studies“. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Drs. 21/9725. 7. Warum wird eine Gruppierung wie die „AG Queer Studies“, die nach eignen Angaben politische Ziele verfolgt, von der Universität Hamburg finanziell unterstützt, obwohl diese als Hochschule zum Grundsatz der weltanschaulichen Neutralität verpflichtet ist? Die „AG Queer Studies“ ist Teil des AStAs der UHH, der über den Semesterbeitrag der Studierenden finanziert wird. Weitere Mittel erhält die „AG Queer Studies“ lediglich von der hochschulübergreifenden Gemeinsamen Kommission Gender und Diversity der Hamburger Hochschulen (Zentrum Gender Wissen) nach vorheriger Antragstellung . 8. Besteht seitens der Universität Hamburg die Möglichkeit, in Zukunft auch anderen sexuelle Randbewegungen wie Personen, die anderweitige Präferenzen aufweisen, wie zum Beispiel gruppenbasierte sexuelle Begegnungen, oder aber asexuelle Personen, eigene Lehrveranstaltungen anzubieten? Falls nein, was wäre dafür nötig? Ja. 9. Wie begründet der Senat die Notwendigkeit zur Finanzierung folgender Vorlesungen: a) Gay Antifa Porn, b) Lesbian Sex Wars, c) Zur Kritik heterosexueller Paarökonomien, d) Behindert und verrückt feiern, e) Einvernehmliche Nichtmonogamie zwischen Anspruch und Wirklichkeit , f) Die Freiheit nehm’ ich mir…Sexualität leben – wider die Moral, Drucksache 21/15679 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 g) Die Verschwulung der Welt! – Utopien im schwulen Mainstream- Porno, h) „Mehr ist mehr“: Intensität und Überfluss in (nicht-monogamen) queeren BDSM-Beziehungen, i) Zurückschlagen, kaputtmachen, wegglizzern, j) Sie stöhnt / er stöhnt – wie verändert ein Rollentausch den eigenen Blick auf sexuelle Fantasien?, k) Das fatale Genitale, l) Vulva – die große Unbekannte? Nach Angaben der UHH sind die Angebote das Resultat von Gremienentscheidungen. 10. Seminare wie „zur Kritik an heterosexuellen Paarökonomien“, „einvernehmliche Nichtmonogamie“, „Ban Marriage! Familienpolitiken aus queer-feministischer Perspektive, aber auch „Und was lesen wir jetzt? Die leidige Suche nach queeren Kinderbüchern“ richten sich eindeutig gegen klassische Lebensentwürfe in Sexualität, Familie und Erziehung. Warum beteiligt sich der Senat an der Finanzierung dieser Veranstaltungen , obwohl deren Urheber explizit herausstellen, dass sie damit eine Dekonstruktion traditioneller Rollen-, Familien-, Werte und Sexualvorstellungen herbeiführen wollen? 11. Inwieweit geht dies mit dem Grundsatz der weltanschaulichen Neutralität konform? Bei den genannten Veranstaltungstiteln handelt es sich um Vorträge im Rahmen der Vorlesungsreihe „Jenseits der Geschlechtergrenzen“. Zur Finanzierung siehe Antwort zu 7. 12. Was darf die Öffentlichkeit unter „queer-feministischem Widerstand“ verstehen ? Damit hat sich der Senat nicht befasst. 13. Hatte der Senat bislang Kenntnis von den Lehrinhalten der „AG Queer Studies“? Der zuständigen Behörde sind die Veranstaltungstitel der „AG Queer Studies“ bekannt. 14. Wie bewertet der Senat das Engagement der „AG Queer Studies“ gegen den G20-Gipfel in Hamburg, wie es unter anderem in dem Vortrag vom 24.05.2017 „Queer-feministische Organisierung gegen den G20-Gipfel in Hamburg – Vertreter_innen des FLTI*Bündnisses berichten“ formuliert worden ist? Siehe Drs. 21/9725. 15. Wie darf die Öffentlichkeit in diesem Zusammenhang „queerfeministisch “ verstehen? Siehe Antwort zu 12. 16. Warum dürfen Referenten als Lehrpersonal wirken, die nachweislich keinen akademischen Hintergrund haben, sondern politische Aktivisten sind? Bei den Referentinnen und Referenten handelt es sich nicht um Lehrpersonal der UHH.