BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15730 21. Wahlperiode 18.01.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir und Deniz Celik (DIE LINKE) vom 10.01.19 und Antwort des Senats Betr.: Ambulante Sozialpsychiatrie – Stand der (niedrigschwelligen) Angebote und Nutzung für Menschen mit psychischen Behinderungen Bei der Fachtagung der Norddeutschen Arbeitsgemeinschaft Psychodynamische Psychiatrie e.V. „Eingliederungshilfe als Ausgliederungshilfe – das Modell der Ambulanten Sozialpsychiatrie in der Kontroverse“ am 25.9.2018 in Hamburg wurde mehrfach angemerkt, dass es zu wenig niedrigschwellige Angebote für Menschen mit hohen psychischen Belastungen für Menschen mit psychischen Behinderungen gäbe. Der Zugang sei oft erschwert, außerdem gäbe es viel zu wenig aufsuchende Angebote. Gerade die, die nicht die eigene Wohnung verlassen, seien schwer zu erreichen. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Was zählt dem Senat zufolge zu psychischen/seelischen Behinderungen ? Bitte mit Quelle angeben. Seelische Störungen, die eine wesentliche Einschränkung der Teilhabefähigkeit im Sinne des § 53 Absatz 1 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch zur Folge haben können, sind gemäß § 3 der Eingliederungshilfeverordnung (VO nach § 60 SGB XII) 1. körperlich nicht begründbare Psychosen, 2. seelische Störungen als Folge von Krankheiten oder Verletzungen des Gehirns, von Anfallsleiden oder von anderen Krankheiten oder körperlichen Beeinträchtigungen , 3. Suchtkrankheiten, 4. Neurosen und Persönlichkeitsstörungen. 2. Welche niedrigschwelligen und sonstigen Hilfen für Menschen mit psychischen Behinderungen gibt es seit 2010? Bitte nach Jahr, Einstufung ob niedrigschwellig, Erkrankung, Einzel- oder Gruppenangebot für wie viele Personen und ob im eigenen Wohnraum aufsuchend oder nicht, VZÄ und Fachqualifikation angeben. 3. Gibt es Angebote zur ambulanten Sozialpsychiatrie oder niedrigschwellige Angebote speziell oder ausschließlich für Frauen, Lesben, transgeschlechtliche oder intergeschlechtliche Menschen mit psychischen Behinderungen? Bitte nach Einzel- und Gruppenageboten sowie geschlechtlicher oder sexueller Identitäts-Zielgruppe aufschlüsseln. 4. Welche Angebote der ambulanten Sozialpsychiatrie gibt es seit 2014? Aufgliedern nach Jahr, Bezirk, psychischer Erkrankung, VZÄ, Fachqualifikation der VZÄ, Einzel- oder Gruppenangebot für wie viele Personen. Drucksache 21/15730 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 5. Wie viele offene Treffs, Gruppenangebote, Einzelbetreuungen, aufsuchende Dienstleistungen gibt es für Menschen mit psychischen Behinderungen zum Stichtag? Bitte nach Bezirken, VZÄ, Fachqualifikation und psychischen Erkrankungen aufgliedern. 6. Welche der Angebote werden am Meisten genutzt? Bitte wenn möglich in Prozent angeben. Bis zum 31.12.2013 gab es in Hamburg drei unterschiedliche Hilfearten in der ambulanten Sozialpsychiatrie. Die Leistungsangebote waren unterteilt in Betreutes Wohnen (BeWo), Personenorientierte Hilfen für psychisch kranke/seelisch behinderte Menschen (PPM) und die niedrigschwellig zugänglichen zuwendungsfinanzierten Psychosozialen Kontaktstellen (PSK). Von 2010 bis 2013 gab es 19 Anbieter für Betreutes Wohnen und 67 Anbieter für Leistungen für Personenorientierte Hilfen für psychisch kranke/seelisch behinderte Menschen sowie zehn Psychosoziale Kontaktstellen. 1 600 Personen erhielten BeWo-Leistungen, 4 800 Personen PPM-Leistungen und 3 300 Personen wurden in den Psychosozialen Kontaktstellen betreut. Bei den BeWo- Leistungen handelte es sich sowohl um aufsuchende Hilfen in Wohnungen als auch um Hilfen in Begegnungsstätten. Die PPM-Leistungen waren aufsuchende Hilfen im eigenen Wohnraum. Ein besonders niedrigschwelliges Angebot sind die sogenannten Hauser-Gruppen, welche es seit 1968 gibt. Die Qualifikationen der Mitarbeiter der Anbieter waren: Sozialpädagogen, Sozialarbeiter, Psychologen und Pflegekräfte. Eine statistische Erhebung der einzelnen Leistungen und der VZÄ erfolgte nicht. Für den Übergang in das neue System der Ambulanten Sozialpsychiatrie (ASP, https://www.hamburg.de/ambulante-leistungen-erwachsene/4580268/ambulantesozialpsychiatrie /) ist eine dreijährige Übergangszeit von 2014 bis 2016 vereinbart worden. In dieser Zeit gab es die Angebote ASP, BeWo und PPM. Seit 2017 haben alle Träger Vereinbarungen gemäß § 75 Absatz 3 SGB XII über Leistungen der ASP. Alle Menschen können die ASP-Angebote unabhängig von ihrem Geschlecht und der sexuellen Orientierung nutzen. Mit der Zusammenführung der drei oben genannten Hilfen ist seit 2014 eine integrierte Hilfe aus einer Hand geschaffen worden, bei dem mit den regionalen Begegnungsstätten ein verstärkter Einbezug von sozialräumlichen Hilfen erfolgt. Das Leistungsangebot umfasst die Grundleistung in der Begegnungsstätte, die aufsuchende und begleitende Betreuung in der Wohnung sowie die präventiven Leistungen in der Begegnungsstätte. In der Begegnungsstätte können die Klientinnen und Klienten die offenen Angebote sowie themenzentrierte Gruppenangebote wie auch Einzelund Gruppenberatungsgespräche in Anspruch nehmen. Mittlerweile sind verteilt über das Hamburger Stadtgebiet über 120 Begegnungsstätten für Menschen mit seelischen Behinderungen entstanden, die jeweils einen offenen Treff anbieten. Im Jahr 2017 haben 6 800 Menschen mit seelischer Behinderung die ambulante sozialpsychiatrische Hilfe personenorientiert (mit Bewilligung) und 6 600 Menschen niedrigschwellig präventiv (ohne Bewilligung) in Anspruch genommen. Die einzelnen Leistungen und die psychischen Erkrankungen werden statistisch nicht erhoben. 7. Welche Mitbestimmungsangebote in Gremienform oder weiterer Form gibt es für Menschen mit psychischen Behinderungen? Es gibt ein trialogisch zusammengesetztes Gremium „Begleitmanagement“. Dieses Gremium ist mit Vertreterinnen und Vertretern der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, der Interessenverbände, des Fachamtes Eingliederungshilfe des Bezirks Wandsbek sowie der zuständigen Behörde besetzt und hat die Aufgabe, die Umsetzung des neuen ASP-Systems zu steuern und entsprechend den Inhalten der Vereinbarung zu entwickeln. Einzelne ASP-Träger haben Klienten-Beiräte eingerichtet, in denen Vertreterinnen und Vertreter der Leistungsberechtigten Ihre Interessen vertreten . 8. Wie ist die Hauser-Gruppe seit ihrer Gründung ausgestattet? Bitte aufgliedern nach Jahren, VZÄ, Fachqualifikation der VZÄ, geschlechtsspezifischen und allen beziehungsweise weiteren Angeboten für alle Teil- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15730 3 nehmer/-innen der Gruppe, Ort der Angebote/Räumlichkeiten und Größe der Räumlichkeiten für die Gruppe, Größe der Gruppe. 9. Hat der Senat Kenntnisse darüber, wie die Hauser-Gruppe zukünftig personell und räumlich ausgestattet sein soll und was im Krankheitsfall eines dazu zuständigen Mitarbeiters geschieht? 9.a. Wenn ja, bitte mit geplanten VZÄ, Angeboten und Räumlichkeiten angeben. 9.b. Wenn nein, warum nicht? Nach Angaben des Fachamtes Eingliederungshilfe Bezirksamt Wandsbek entwickelte sich die Personalausstattung der Hausergruppe folgendermaßen: Jahr Stelle/VZÄ* Fachqualifikation 1968 0,5 Sozialpädagoge männlich 1971 2,0 Sozialpädagoge männlich 1984 3,0 Sozialpädagogin/Sozialpädagoge 1x weiblich, 2x männlich 2011 2,0 VZÄ Sozialpädagogin/Sozialpädagogee 1x weiblich, 1x männlich 09/2018 1,0 VZÄ Sozialpädagoge männlich * VZÄ sind seit 2011 zu benennen. Alle anderen Angaben beziehen sich auf Stellen. Die Räumlichkeiten liegen seit mehreren Jahren bis zum 28.02.2019 in der Wincklerstraße . Dort gibt es einen Aufenthaltsraum, eine Küche, einen Rückzugsraum, ein WC und zwei weitere Gruppenräume. Derzeit werden seitens des Fachamtes Eingliederungshilfe verschiedene Räumlichkeiten auf Geeignetheit als neuer Standort geprüft. Die Angebote sollen wie bisher fortgeführt werden, das heißt nach dem Konzept, dass sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Selbsthilfe organisieren. Vorrangiges Ziel der sozialtherapeutischen Gruppenarbeit bleibt die Hilfe zur Selbsthilfe. Die Überlegungen und Planungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen. Grundsätzlich finden die Angebote in der Wincklerstraße statt, bei Gruppenangeboten wie Kino, Cafebesuchen et cetera auch außerhalb. Die Größe der Gruppen ist jeweils unterschiedlich, je nach Interesse/Beteiligung durch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer . Im Krankheitsfall finden die Gruppenangebote in Selbstorganisation statt. Die Teilnehmer haben jeweils einen Schlüssel für die Räumlichkeiten und somit jederzeit Zugang zu diesen. 10. Wie viele Anträge auf Bewilligung ambulanter Sozialpsychiatrie wurden seit Einrichtung der ASP beim zuständigen Bezirksamt gestellt? Bitte nach Jahren, Bezirken, Anzahl der Anträge und der Bewilligungen sowie Sachgründen für die Ablehnung aufgliedern. Die Anträge auf Bewilligung ambulanter Sozialpsychiatrie werden in den Grundsicherungsämtern der Bezirke nicht statistisch erfasst. Zur Anzahl der Bewilligungen siehe Anlage. Ablehnungen mit Gründen werden nicht dokumentiert. 11. Wie ist die Auslastung des Fachamts Eingliederungshilfe seit 2014 mit der Bearbeitung von Fällen der ambulanten Sozialpsychiatrie? Bitte nach Jahren, VZÄ, Fachqualifikation der VZÄ angeben. Im Fallmanagement des sozialpädagogischen Fachdienstes des Fachamtes Eingliederungshilfe sind in den Jahren (Stand: 31.12.): 2014: 64,62 VZÄ, 2015: 64,12 VZÄ, 2016: 62,11 VZÄ, 2017: 58,12 VZÄ und 2018: 67,5 VZÄ beschäftigt. Drucksache 21/15730 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Zu den Aufgaben der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Fallmanagements gehört auch die Bearbeitung der Fälle der ambulanten Sozialpsychiatrie, welche einen Anteil von circa 40 Prozent des gesamten Fallbestandes ausmachen. In der Regel haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des sozialpädagogischen Fachdienstes die Fachqualifikation Sozialpädagogin/Sozialpädagoge. Anzahl Bewilligungen 2014 Jahresdurchschnitt ASP 4.818 Hamburg-Mitte 914 Altona 624 Eimsbüttel 499 Hamburg-Nord 949 Wandsbek 1.067 Bergedorf 304 Harburg 462 2015 Jahresdurchschnitt ASP 5.294 Hamburg-Mitte 1.033 Altona 699 Eimsbüttel 580 Hamburg-Nord 1.018 Wandsbek 1.147 Bergedorf 309 Harburg 508 2016 Jahresdurchschnitt ASP 6.110 Hamburg-Mitte 1.222 Altona 842 Eimsbüttel 677 Hamburg-Nord 1.144 Wandsbek 1.272 Bergedorf 332 Harburg 621 2017 Jahresdurchschnitt ASP 6.696 Hamburg-Mitte 1.317 Altona 888 Eimsbüttel 746 Hamburg-Nord 1.287 Wandsbek 1.435 Bergedorf 350 Harburg 674 2018 Jahresdurchschnitt ASP 7.007 Hamburg-Mitte 1.389 Altona 914 Eimsbüttel 735 Hamburg-Nord 1.341 Wandsbek 1.543 Bergedorf 362 Harburg 723 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15730 5 Anlage 15730ska_Text 15730ska_Anlage