BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15764 21. Wahlperiode 22.01.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Alexander Wolf (AfD) vom 14.01.19 und Antwort des Senats Betr.: Fälle von muslimischem Antisemitismus – Jahresabfrage empower 2018 Der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, äußerte in einem Interview seine Sorgen über den wachsenden muslimischen Antisemitismus in Deutschland. Auf die Frage, ob es sich um ein verbreitetes Phänomen handele, dass „Jude“ auf deutschen Schulhöfen vermehrt als Schimpfwort benutzt werde, sagt Schuster: „Dieses Phänomen beobachten wir leider schon seit einigen Jahren und durchaus verbreitet, so dass wir nicht von Einzelfällen sprechen können. Sowohl in Schulen als auch auf Sportplätzen wird „Jude“ als Schimpfwort verwendet. Vor allem unter muslimischen Schülern sind antisemitische Vorurteile weit verbreitet. Es ist uns daher wichtig, dass im Schulunterricht mehr Wissen über das Judentum vermittelt wird, um diesen Vorurteilen entgegenzuwirken . (…) Das Problem des muslimischen Antisemitismus sollte die ganze Gesellschaft sehr ernst nehmen (…).“1 Gefragt, ob Schuster die starke Migration aus mehrheitlich muslimischen Ländern als Bedrohung wahrnehme, antwortet er: „Gerade von jüdischer Seite gibt es Verständnis für Menschen, die ihr Land verlassen müssen, weil Leib und Leben bedroht sind. Auf der anderen Seite gibt es eine berechtigte Sorge, wenn zahlreiche Menschen kommen, die mit Israel- und Judenfeindlichen Parolen aufgewachsen sind. Wer ein Leben lang indoktriniert wurde, wirft das nicht an der deutschen Grenze ab. Gegen diese Vorstellungen müssen wir aktiv arbeiten. Die Ablehnung von Antisemitismus und die Anerkennung des Existenzrechts Israels müssen für jeden in Deutschland eine Grundlage des Zusammenlebens sein. (…) In einigen Bezirken der Großstädte würde ich empfehlen, sich nicht als Jude erkennen zu geben. Die Erfahrung hat gezeigt, dass das offene Tragen einer Kippa oder einer Halskette mit Davidstern verbale oder körperliche Bedrohungen zur Folge haben kann.“2 Schusters Aussagen werden gestützt von einer Reihe quantitativer und quantitativ-qualitativer Studien, die übereinstimmend zu dem Ergebnis kommen , dass antisemitische Einstellungen unter muslimischen Jugendlichen 1 http://www.bild.de/politik/inland/antisemitismus/alle-islamverbaende-sollten-deutlich-mehrgegen -antisemitismus-tun-52625284.bild.html (abgerufen am: 06.08.2017). 2 Ebenda. Drucksache 21/15764 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 verbreiteter sind als bei nicht muslimischen Jugendlichen.3 Der aktualisierte Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus im Auftrag der Bundesregierung stellt dazu fest: „Zusammenfassend konstatieren diese Studien, dass antiisraelische Äußerungen, die dann auf alle Juden generalisiert werden, unter den Jugendlichen gebräuchlich sind. Der Nahostkonflikt wird als die Hauptquelle für antisemitische Äußerungen angesehen, wobei die Jugendlichen dabei auf eine imaginierte muslimische oder ethnische Kollektividentität zurückgreifen, um sich selbst zu versichern, dass es eine von allen Muslimen geteilte Ablehnung von Juden gebe und dass dies demnach eine „normale Haltung“ sei.“4 Die Beratungsstelle „empower“ hilft Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt. Sie wird gefördert im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ durch das Bundesministerium für Familie, Senioren , Frauen und Jugend sowie durch die Freie und Hansestadt Hamburg. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele neue Vorfälle antisemitischer Gewalt, Bedrohung oder Einschüchterung wurden im Zeitraum des Jahres 2018 der Beratungsstelle „empower“ angezeigt? 2. Wie viele dieser antisemitischen Vorfälle gingen von muslimischen Personen beziehungsweise von Personen mit einem Migrationshintergrund eines muslimisch geprägten Landes aus? Bitte auch die Art der antisemitischen Vorfälle erläutern. Die Beratungsstelle war 2018 mit acht antisemitischen Vorfällen befasst. Im Übrigen siehe Drs. 21/12554 und 21/10076. 3 Vergleiche zum Beispiel: Mansel, Jürgen, Spaiser, Viktoria (2010): Soziale Beziehungen, Konfliktpotentiale und Vorurteile im Kontext von Erfahrungen verweigerter Teilhabe und Anerkennung bei Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund. Abschlussbericht, Dezember 2010 (05.10.2012), Seite 25; Jikeli, Günther, Antisemitismus und Diskriminierungswahrnehmungen junger Muslime in Europa. Ergebnisse einer Studie unter jungen muslimischen Männern, Essen 2012, S. 270; ADL Global 100: A Survey of Attitudes Toward Jews in over 100 Countries around the World. Executive Summary. Online unter: http://global100.adl.org/public/ADL-Global-100-Executive-Summary.pdf (eingesehen 07.08.2017); Jikeli, Antisemitismus und Diskriminierungswahrnehmungen; Gabriel Fréville/ Susanna Harms/Serhat Karakayali, Antisemitismus – ein Problem unter vielen, in: Wolfram Stender/Guido Follert/Mihri Özdogan (Hrsg.), Konstellationen des Antisemitismus, Wiesbaden 2010, Seiten 185 – 198; Susanna Harms, Antisemitismus – ein Problem unter vielen. Eine Befragung in Jugendclubs und Migranten- und Migrantinnen-Organisationen, Berlin 2009. Online unter http://www.amira-berlin.de/Material/Publikationen/64.html (eingesehen 07.08.2017); Katrin Brettfeld/Peter Wetzels, Muslime in Deutschland: Integration, Integrationsbarrieren , Religion sowie Einstellungen zu Demokratie, Rechtsstaat und politisch motivierter Gewalt, Berlin: Bundesministerium des Innern, 2007, Seite 280; Dirk Baier/Christian Pfeiffer/Julia Simonson/Susann Rabold, Jugendliche in Deutschland als Opfer und Täter von Gewalt: Erster Forschungsbericht zum gemeinsamen Forschungsprojekt des Bundesministeriums des Innern und des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Hannover 2009, Tab. 6.14. und Abb. 6.16.; Frindte/Boehnke/Kreikenbom/Wagner, Lebenswelten junger Muslime in Deutschland, Seiten 227 – 247. 4 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus im Auftrag der Bundesregierung : http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/119/1811970.pdf (abgerufen am: 07.08.2017).