BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15767 21. Wahlperiode 22.01.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Alexander Wolf (AfD) vom 14.01.19 und Antwort des Senats Betr.: Verstoß gegen das Neutralitätsgebot an der Geschwister-Scholl- Stadtteilschule? Die AfD-Bürgerschaftsfraktion hat Hinweise auf den folgenden Vorgang an der Geschwister-Scholl-Stadtteilschule erhalten: Am 30. November verschickte die Öffentlichkeitsbeauftragte und Kunstlehrerin Frau *1 im Namen der Geschwister-Scholl-Stadtteilschule eine Pressemitteilung unter dem Titel „Offener Brief der Lehrerinnen und Lehrer der Geschwister Scholl Stadtteilschule an die AfD Hamburg“ an Medienvertreter. Darin wird über die Unterzeichnung eines offenen Briefes an die AfD-Bürgerschaftsfraktion eines Teils des Kollegiums (52 Kollegen) berichtet und auf eine Demonstration am 3. Dezember 2018 gegen die AfD hingewiesen. Dazu enthält die Pressemitteilung das hineinkopierte Veranstaltungsplakat der Anti-AfD-Demo unter dem Titel „Wir gehen auf die Straße! Demonstration gegen das Schüler- Portal der AFD“. Der offene Brief und der Demonstrationsaufruf werden von der Lehrerin offensiv mit den Worten beworben: „Über eine Berichtserstattung Ihrerseits würde ich mich im Namen der Geschwister Scholl Stadtteilschule sehr freuen.“ Am 3. Dezember 2018 demonstrierten Lehrer, Schüler und Gewerkschafter gemeinsam mit vom Bundesamt oder von einzelnen Landesämtern für Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestufte Organisationen wie der SDAJ (Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend), der linksjugend [‘solid] (Jugendorganisation der Partei DIE LINKE) oder dem VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten ) unter dem Motto „Wir gehen auf die Straße. Demonstration gegen Schülerportal der AfD“ durch die Hamburger Innenstadt. Die Erkennungszeichen der extremistischen Organisationen waren durch Flaggen und Transparente für die Demonstrationsteilnehmer an mehreren Stellen des Demonstrationszuges deutlich erkennbar. Die Demonstrationsteilnehmer skandierten Parolen wie „Ganz Hamburg hasst die AfD“ oder die bei gewaltorientierten Linksextremisten geläufige Losung „Alerta, alerta, Antifaschista“.2 Von einzelnen Teilnehmern wurden Transparente mit der Aufschrift „F*** AFD“ gezeigt und Flyer der SDAJ verteilt. Ferner nahm eine Gruppe des linksextremen Hamburger Bündnisses „Bildung ohne Bundeswehr“ (BoB)3 unter Verwendung eines großen Banners an der Demonstration teil. Unterstützt wurde die Demonstration außerdem vom linksextremistisch beeinflussten „Hamburger Bündnis gegen Rechts“. Presserechtlich verantwortlich für den 1 Der vollständige Name liegt der AfD-Bürgerschaftsfraktion vor. 2 Zum Beispiel: https://www.facebook.com/afd.hamburg.wandsbek/videos/ 284839322170657/ (abgerufen am 13.12.2018). 3 Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg, Bericht 2012, Seite 132. Drucksache 21/15767 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Internetauftritt des Hamburger Bündnisses gegen Rechts ist bereits seit vielen Jahren der Hamburger Linksextremist Olaf Harms, der gleichzeitig Vorsitzender der vom Landesamt für Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuften Partei „Deutsche Kommunistische Partei“ (DKP, Landesverband Hamburg) ist.4 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche Mitglieder der Schulleitung haben zu welchem Zeitpunkt Kenntnis von der Pressemitteilung erhalten? Der offene Brief war vor Veröffentlichung der Pressemitteilung der Schulleitung bekannt. 2. Wann und durch wen hat die Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) Kenntnis von der Pressemitteilung erhalten und welche Korrespondenz fand zwischen der BSB und der Geschwister-Scholl-Stadtteilschule zu diesem Vorgang statt? Bitte umfassend darlegen. Die zuständige Schulaufsicht erhielt erst mit Übersendung der Parlamentarischen Anfrage Kenntnis von der Pressemitteilung der Geschwister-Scholl-Stadtteilschule. 3. In welchen Räumlichkeiten der Geschwister-Scholl-Stadtteilschule ist der offene Brief durch wen ausgelegt oder ausgehangen worden und mit welcher Aufforderung/mit welchem Aufruf war die Auslage/der Aushang des Briefes verbunden? 4. Durch wen wurde die Unterzeichnung des Briefes beworben? Der offene Brief wurde, nach Ankündigung durch eine E-Mail von einer Lehrkraft, im Lehrerzimmer der Schule von Lehrkräften zur Unterschrift ausgelegt. 5. Ist der offene Brief der Geschwister-Scholl-Stadtteilschule einzelnen Schülern, Schülergruppen oder Klassen kommuniziert oder zugänglich gemacht worden (zum Beispiel durch Auslage, Aushang oder Thematisierung im Unterricht)? Bitte umfassend darlegen. Der Schulleitung ist kein Fall bekannt, in dem Schülerinnen und Schülern, Schülergruppen oder Klassen der Brief in der beschriebenen Weise zugänglich gemacht worden wäre. 6. Wurden Lehrkräfte unter Druck gesetzt, den Brief mit zu unterschreiben, damit zum Beispiel das gesamte Kollegium den Brief unterschreibt? Nein. 7. Was waren die Gründe, warum einzelne Lehrkräfte den Brief nicht mitunterzeichnet haben? Die Gründe, warum einzelne Lehrkräfte den Brief nicht unterzeichnet haben, sind weder der Schulleitung noch der für Bildung zuständigen Behörde bekannt. 8. Waren die nichtunterzeichnenden Lehrer darüber informiert und damit einverstanden, dass der offene Brief und zugleich ein Demonstrationsaufruf gegen die AfD in Form einer offiziellen Pressemitteilung im Namen der Schule an Medienvertreter versandt wurde? Nicht unterzeichnende Lehrerinnen und Lehrer kannten die Formulierungen und die Inhalte des offenen Briefes. 9. An welche Medienvertreter und an welche weiteren Organisationen/ Personen wurde die Pressemitteilung versandt? Die Pressemitteilung erhielten die Redaktionen des „Hamburger Abendblatts“, „Der Welt“, „Der Welt am Sonntag“, der „Hamburger Morgenpost“, „der tageszeitung“, „ Der Zeit“, der „Hürriyet“, der „Lurup im Blick“, der „Luruper Nachrichten“, des „Osdorfer 4 https://www.keine-stimme-den-nazis.org/kontakt (abgerufen am 13.12.2018). Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15767 3 Kuriers“, des „Schenefelder Boten“, des „Elbe Wochenblatts“, der „Dorfstadt“, der „Westwind“, die Deutsche Presseagentur, die GEW Hamburg und die AfD Hamburg. 10. Ist es zulässig, wenn einzelne Lehrer sich in Form einer Pressemitteilung im Namen einer ganzen Schule an Medienvertreter wenden, um a) einen offenen Brief an eine spezifische Partei und b) einen Demonstrationsaufruf gegen eine spezifische Partei zu bewerben? Bitte buchstabenweise anhand der folgenden Rechtsvorschriften erläutern : c) die aus dem Grundgesetz (GG, Artikel 3 Absatz 1, Artikel 20 und Artikel 21 Absatz 1) abgeleitete Verpflichtung zur Neutralität, d) die Geschäftsordnungsbestimmung Nummer 14 der BSB, e) das politische Mäßigungsgebot gemäß § 33 (BeamtStG). Nach Artikel 33 der Hamburgischen Verfassung (HV) führt und leitet der Senat die Verwaltung, nach Artikel 42 HV tragen die Senatorinnen und Senatoren die Verantwortung für die ihnen übertragenen Verwaltungsbehörden. Kern dieser Exekutivaufgabe ist es, Angehörigen des öffentlichen Dienstes Aufgaben zuzuweisen und damit ihre Handlungsmacht auch zu begrenzen. Die Befugnis, Mitteilungen an die Medien, die Auskünfte nicht einer Privatperson, sondern der Freien und Hansestadt Hamburg sein sollen, zu erteilen, ergibt sich aus den Richtlinien für den Verkehr mit den Medien vom 22. Januar 2003 (Geschäftsordnungsbestimmung des Senates D 43.1), diese Befugnis steht danach grundsätzlich den Senatorinnen und Senatoren der Behörden zu, welche diese auf weitere Bedienstete übertragen können. Durch die „Dienstanweisung für Lehrerinnen und Lehrer“ (Mitteilungsblatt der Behörde für Schule und Berufsbildung vom 4. August 2016) hat der Präses der für die Schulen zuständigen Behörde diese Befugnis wie folgt delegiert: „Die Schulleitung oder ihre Vertretung erteilen Auskünfte , die die eigene Schule betreffen, an Presse, Rundfunk, Film und Fernsehen.“ Einzelne Lehrerinnen und Lehrer können sich mithin nicht wirksam „im Namen einer ganzen Schule“ an die Medien wenden.