BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15773 21. Wahlperiode 22.01.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein und Carl-Edgar Jarchow (FDP) vom 14.01.19 und Antwort des Senats Betr.: Punktesystem für Intensivtäter – Wie steht der Hamburger Senat zu diesem Vorstoß? Das BKA hat auf der Innenministerkonferenz im Dezember 2018 einen Vorschlag zu einem Punktesystem für schwerkriminelle Ausländer unterbreitet. Ziel dieses Punktesystems sei, die Intensivtäter zu erkennen und, wenn möglich , außer Landes zu bringen. Das BKA berichtet für 2017 von ungefähr 2 800 Tatverdächtigen, die mehr als zehn Delikte verübt haben. Bei knapp 60 000 Zuwanderern sind es zwei bis maximal zehn Straftaten. In den Zahlen sind die häufigen Verstöße von Asylbewerbern gegen die „Residenzpflicht“, das unerlaubte Verlassen der zugewiesenen Region, nicht enthalten.1 Einige Bundesländer haben zu dem Vorstoß bereits Stellung bezogen. Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius hat sich für das vom BKA vorgeschlagene Punktesystem für kriminelle Asylbewerber ausgesprochen. Nach einheitlichen Maßstäben in den Bundesländern könne erkannt werden, wer sich zu einem Intensivtäter entwickele. „Es ist vernünftig, das frühzeitig zu erkennen, Entwicklungen zu erkennen, damit man dann eben schnell tätig werden kann.“2 Rheinland-Pfalz begrüßt die Pläne grundsätzlich, schlägt aber vor, auch deutsche Intensivstraftäter zu erfassen. Auch der Bundesinnenminister nannte das einen „notwendigen Gedanken“. NRW-Innenminister Reul sagte, auch seinem Bundesland sei es wichtig, dass nicht nur ausländische Täter erfasst würden.3 Diese Äußerungen bieten Anlass zu eine Nachfrage. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Während die Begehung von Straftaten bei vielen Tätern insbesondere in der Lebensphase des Aufwachsens – durch weniger schwere Taten geprägt ist und episodisch bleibt, fällt eine Minderheit der Straftäter durch wiederholte, schwere und verfestigte Delinquenz auf und ist nach kriminologischen Studien für einen überproportional großen Anteil der Taten verantwortlich. Der Senat hatte bereits in der Vergangenheit mit täterorientierten Maßnahmeprogrammen auf Gewalttaten insbesondere junger Straftäter reagiert. Seit vielen Jahren arbeitet die Polizei mit täterorientierten Intensivtäterkonzepten für Wiederholungstäter bei Straftaten mit erheblicher Bedeutung. Das seitens der Staatsanwaltschaft in enger Kooperation mit der Polizei durchgeführte soge- 1 https://www.tagesspiegel.de/politik/abschiebung-von-intensivtaetern-punktesystem-fuerhochkriminelle -fluechtlinge/23688654.html. 2 https://www.sueddeutsche.de/politik/abschiebung-fluechtlinge-migration-1.4230171. 3 https://www.n-tv.de/politik/Minister-hinterfragen-BKA-Punktekatalog-article20745768.html. Drucksache 21/15773 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 nannte Konzept „Protäkt““ gewährleistet für circa 200 besonders auffällige junge Wiederholungsgewalttäter eine Bearbeitungskonzentration durch Sonderdezernenten der Staatsanwaltschaft. Somit treffen die hier erfassten jungen Gewalttäter auf die für sie jeweils regelhaft zuständigen Ermittler bei Polizei und Staatsanwaltschaft, die im Rahmen dieser priorisierten Bearbeitung schnelle, passgenaue und konsequente Reaktionen einleiten. Mit dem konzeptionell überarbeiteten Handlungskonzept und der 2012 vom Senat beschlossenen Drucksache „Erweiterung und Intensivierung des Konzepts Handeln gegen Jugendgewalt“ (vergleiche Drs. 20/5972) wird das Ziel verfolgt, intensiv und vernetzt gegen Jugendgewalt vorzugehen, Maßnahmen für frühe Auffälligkeiten im Kindesalter bis zur effektiven Strafverfolgung vorzuhalten, Opfer zu stärken und zeitnah und abgestimmt auf gewalttätiges Handeln durch eine behördenübergreifende Kooperation zu reagieren. Eine neue Maßnahme ist hierbei das Obachtverfahren „Gewalt unter 21“, das im Hinblick auf die auffälligsten jungen Gewalttäter ein eng abgestimmtes und alle zuständigen Behörden umfassendes Monitoring-Verfahren mit regelmäßigen übergreifenden Fallkonferenzen verbindet. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie werden deutsche sowie ausländische Intensivtäter bisher ermittelt? Welche Folgen hat die Einordnung eines Menschen als Intensivtäter? Die Einordnung als Intensivtäter hat bei der Polizei eine täterorientierte Sachbearbeitung und damit eine täterorientierten Verbrechungsbekämpfung zur Folge und basiert auf einem personenbezogenen Handlungsansatz, der nicht nur auf Ermittlungsverfahren beschränkt ist. Im Wesentlichen sind dies - eine umfassende Verantwortlichkeit an einer Stelle zur Durchführung präventiver und repressiver Maßnahmen, - eine permanent aktive Informationsbeschaffung, unabhängig davon, ob sich im Einzelfall ein Tatverdacht gegen die Person ergibt, - die Kenntnisnahme und Bewertung sämtlicher durch andere Dienststellen der Polizei oder Behörden bekannt gewordenen Informationen und - die anlassbezogene Informationsweitergabe an andere Fachbehörden und Dienststellen . Im Übrigen siehe Drs. 21/13453. 2. Welche Probleme bestehen bei der Ermittlung von Intensivtätern in der Zusammenarbeit mit anderen Hamburger Behörden und Behörden in anderen Bundesländern? Es liegen keine Erkenntnisse zu Problemen vor. 3. Wie viele ausländische Intensivtäter gibt es aktuell in Hamburg? a. Wie viele dieser ausländischen Intensivtäter sind ausreisepflichtig? Bitte Alter und Herkunftsland angeben. b. Woran scheitert die Rückführung dieser ausländischen Intensivtäter aktuell? Bitte für jeden Fall gesondert angeben. Mit Stichtag 15. Januar 2019 werden 218 ausländische Personen als Intensivtäter geführt. Eine händische Auswertung der Ausländerakten dieser Personen ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. c. Wegen welcher Delikte wurden diese Täter verurteilt? Wie hoch ist das jeweils verhängte Strafmaß? Wegen wie vieler Taten wurden diese Täter verurteilt? Zur Beantwortung müsste ein Abgleich mehrerer Hundert Einträge im Vorgangsverwaltungs - und Vorgangsbearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft Hamburg Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15773 3 sowie die anschließende Auswertung der Mitteilungsfähigkeit der bekannten Verurteilungen erfolgen. Dies ist in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. d. Wie viele dieser Täter befinden sich aktuell in Hamburg in Haft, wie viele werden 2019 aus der Haft entlassen, wie viele sind frei? Wie viele Untersuchungsgefangene 2019 entlassen werden, kann nicht beantwortet werden. Es kann nicht prognostisch beurteilt werden, ob Haftbefehle aufgehoben werden oder nicht. Lediglich bei den Strafgefangenen kann angegeben werden, ob das derzeit bekannte Strafende in 2019 fällt. Es befinden sich 45 ausländische Intensivtäter in Hamburg in Haft. Davon sind 33 Strafgefangene. Von diesen 33 werden nach derzeitigem Kenntnisstand 18 im Jahre 2019 entlassen. 4. Wie viele Intensivtäter mit deutscher Staatsangehörigkeit gibt es in Hamburg? Mit Stichtag 15. Januar 2019: 290 Personen. a. Wegen welcher Delikte wurden diese Täter verurteilt? Wie hoch ist das jeweils verhängte Strafmaß? Wegen wie vieler Taten wurden diese Täter verurteilt? Siehe Antwort zu 3. c. b. Wie viele dieser Täter befinden sich aktuell in Hamburg in Haft, wie viele werden 2019 aus der Haft entlassen, wie viele sind frei? Es befinden sich 58 deutsche Intensivtäter in Hamburg in Haft, davon sind 41 Strafgefangene . Von diesen 41 werden nach derzeitigem Kenntnisstand 20 im Jahre 2019 entlassen. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. d. 5. Welche Vor- und Nachteile sieht der Senat bei der Einführung eines Punktesystems für schwerkriminelle Ausländer? Bitte begründen. 6. Wie steht der Senat zu der geschilderten Forderung (Rheinland-Pfalz, NRW), auch deutsche Intensivtäter zu erfassen? 7. Wie bringt sich der Senat in die inhaltliche Gestaltung des Punktesystems ein? Liegt bereits ein Gesamtkonzept vor? 8. Welche Auswirkungen hat die Einführung eines Punktesystems, nach Auffassung des Senats, auf die Zahl der Abschiebungen in Hamburg? Die Innenminister und -senatoren der Länder haben den Bericht des BKA zur Intensivierung der behördenübergreifenden Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität ausländischer Mehrfach- und Intensivtäter, der unter anderem die Einführung eines Scoringverfahrens anhand eines bundeseinheitlichen Punktesystems zur Identifizierung ausländischer Mehrfach- und Intensivtäter zum Inhalt hat, in ihrer letzten Sitzung im November 2018 zur Kenntnis genommen. Die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder hält die Vorschläge aus dem Bericht für grundsätzlich geeignet zur Intensivierung der behördenübergreifenden Zusammenarbeit, hat jedoch weitere Prüf- und Arbeitsaufträge in Bezug auf die Konkretisierung von Maßnahmen und Umsetzungsschritte des Berichts erteilt sowie die Einsetzung einer ressortübergreifenden Arbeitsgruppe zur weiteren Abstimmung für erforderlich gehalten. Im Übrigen hat sich der Senat damit noch nicht befasst.