BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15777 21. Wahlperiode 22.01.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Sabine Boeddinghaus und Martin Dolzer (DIE LINKE) vom 14.01.19 und Antwort des Senats Betr.: Zulassungsverfahren für den Vorbereitungsdienst für Lehrämter an Hamburger Schulen Das Zulassungsverfahren für den Vorbereitungsdienst für Lehrämter wurde zum Einstellungstermin 01.02.2019 geändert. Die jeweils in den Fächern oder Fachrichtungen zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze werden nach einem Punktesystem vergeben, das neben der Master- oder Examensnote weitere Kriterien berücksichtigt, wie beispielsweise die Wartezeit oder Lehraufträge an einer Schule. Für die Bewerber/-innen sind das Zulassungsverfahren und die Punktvergabe weitestgehend intransparent. Das neue Zulassungssystem wird die Einstellungspraxis deutlich verändern. Zudem droht die starke Berücksichtigung von Lehraufträgen, das Studium selbst zu entwerten. Die kritikwürdige Praxis an den Schulen, Unterricht durch günstige Lehraufträge von unerfahrenen Studierenden erteilen zu lassen, wird weiter gestärkt. Wichtige, in der universitären Bildung sowie durch politisches, soziales oder ökologisches Engagement erworbene Erfahrungen, wie zum Beispiel durch Auslandsaufenthalte, werden durch das neue Zulassungssystem herabgesetzt. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Bisher erfolgte die Zulassung zum Vorbereitungsdienst in Hamburg nach den Kriterien , Leistung (60 Prozent), Wartezeit (30 Prozent) und Härtefall (10 Prozent). Dabei wurde jeweils nach Leistung und Wartezeit getrennt zugelassen, sodass in vielen Fächern nur Bewerberinnen und Bewerber mit hervorragenden Noten (1,0 – 1,1) oder mit langen Wartezeiten überhaupt eine Aussicht auf Zulassung hatten. Bewerberinnen und Bewerber mit „nur“ guten Noten hatten im bisherigen System nur eine Chance auf Zulassung über das Kriterium Wartezeit und mussten damit genauso lange auf eine Zulassung warten wie Bewerberinnen und Bewerber mit schlechten Noten. Dies widerspricht dem Gedanken der Leistungsgerechtigkeit. Zudem war die Zulassung nach dem alten Verfahren für Bewerberinnen und Bewerber irritierend. So erhielten Bewerberinnen und Bewerber die Auskunft, sofern sie sich im Nachrückverfahren befanden, dass sie beispielsweise über das Kriterium Leistung auf Nachrückplatz 10, über das Kriterium Wartezeit auf Nachrückplatz 140 waren. Um mehr Bewerberinnen und Bewerber mit sehr guten und guten Noten direkt zum Vorbereitungsdienst zulassen zu können und zudem das Verfahren insgesamt transparenter zu gestalten, wurde ein neues Zulassungsverfahren eingeführt. Dieses Verfahren wird mit Erfolg analog seit vielen Jahren in Schleswig-Holstein angewendet. Demnach wirken sich auch Zeiten als Fremdsprachenassistenzkraft im Rahmen eines pädagogischen Austauschdienstes im Fremdsprachenunterricht an einer ausländischen Bildungseinrichtung sowie studierte Drittfächer förderlich auf die Zulassung zum Drucksache 21/15777 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Vorbereitungsdienst aus, sodass einer Entwertung des Studiums oder von Auslandserfahrungen deutlich widersprochen werden muss. Bereits jetzt zeigt sich, dass die Zielsetzung des neuen Punktesystems greift: 35,1 Prozent der Neueingestellten haben einen Notenmittelwert besser als 1,4 Zum Einstellungstermin davor waren es 28,4 Prozent. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Bewerber/-innen gab es insgesamt für den Vorbereitungsdienst zum Einstellungstermin 01.02.2019? Die Anzahl der Bewerberinnen und Bewerber für den Vorbereitungsdienst zum 1. Februar 2019 stellt sich wie folgt dar: Schulform Anzahl der Bewerbungen Berufsbildende Schulen 111 Sonderpädagogik 102 Primarstufe/Sek I 253 Gymnasium 500 Gesamt 966 Quelle: regelhafte, statistische Auswertung der für Bildung zuständigen Behörde zu jedem Einstellungstermin 2. Welchen NC haben die bis zu diesem Zeitpunkt zugelassenen Bewerber /-innen? Bitte nach Lehrämtern aufschlüsseln. Die Durchschnittsnote über alle eingestellten Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst beträgt 1,6. Aufgeschlüsselt nach einzelnen Schulformen: Berufsbildende Schulen: 1,7 Lehramt für Sonderpädagogik: 1,5 Lehramt der Primar- und Sekundarstufe I: 1,7 Lehramt an Gymnasien: 1,5 Diese Auswertung verdeutlicht die stärkere Gewichtung auf die Studienleistung. Wie mit dem Punktesystem beabsichtigt, hat sich der Notenmittelwert im Vergleich zum Einstellungstermin davor verbessert. a. Welcher NC ergab sich aus dem Zulassungsverfahren zu den Einstellungsterminen 01.02. und 01.08.2018? Bitte nach Lehrämtern aufschlüsseln. Der durchschnittliche Notenmittelwert zum 1. Februar und 1. August 2018 ergibt sich aus der nachfolgenden Tabelle: Schulform Durchschnittlicher Notenmittelwert zum 1. Februar 2018 1. August 2018 Berufsbildende Schulen 1,8 1,8 Sonderschulen 1,5 1,6 Primar- und Sekundarstufe I 1,6 1,7 Gymnasien 1,5 1,6 Quelle: regelhafte, statistische Auswertung der Hamburger Schulbehörde zu jedem Einstellungstermin b. Sind im aktuellen Zulassungsverfahren Bewerber/-innen mit einer Abschlussnote „sehr gut“ (1,0 – 1,49) abgelehnt worden? Bitte nach Lehrämtern aufschlüsseln. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15777 3 Eine Zulassung kann nur erfolgen, sofern in beiden Ausbildungsfächern ein Fachplatz zur Verfügung steht. Die Anzahl der Fachplätze richtet sich nach den Bedarfen der Schulen und den Ausbildungskapazitäten am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung und wird zu jedem Einstellungstermin im „Amtlichen Anzeiger“ veröffentlicht . Das kann bedeuten, dass Bewerberinnen und Bewerber mit sehr guten Noten kein Ausbildungsangebot erhalten, da nur sehr wenige Fachplätze für ein Unterrichtsfach zur Verfügung stehen. Derzeit betrifft das vor allem die Fächer: Russisch, Griechisch, Latein, katholische Religion, islamische Religion und Türkisch. Ferner gibt es insbesondere beim Lehramt für Gymnasien deutlich mehr Bewerbungen als ausgeschriebene Plätze, sodass nicht alle Bewerbungen berücksichtigt werden können. Eine Übersicht aufgeschlüsselt nach Lehrämtern ergibt sich aus der nachfolgenden Tabelle: Schulform Abgelehnte Bewerberinnen und Bewerber mit einer Abschlussnote 1,0 – 1,49 Berufsbildende Schulen 0 Sonderschulen 0 Primar- und Sekundarstufe I 0 Gymnasien 56 Quelle: interne Daten der für Bildung zuständigen Behörde, Stand 15. Januar 2019 3. Nach welchen Kriterien werden Bewerber/-innen bevorzugt im Zulassungsverfahren berücksichtigt? Und wie spiegelt sich dies im Punktesystem wider? 4. Welche sogenannten Mangelfächer werden im aktuellen Zulassungsverfahren bevorzugt berücksichtigt? Schulform Mangelfach zum 1. Februar 2019 Berufsbildende Schulen Metalltechnik, Elektrotechnik, Chemietechnik, Kinder- und Jugendhilfe Sonderschulen Die Fachrichtungen Lernen, Emotionale und soziale Entwicklung, Sprache und LSE in Kombination untereinander Primar- und Sekundarstufe I Physik, Chemie, Mathematik, Informatik, Theater/Darstellendes Spiel und Musik Gymnasien Physik, Mathematik, Informatik und Theater/Darstellendes Spiel Quelle: Daten der für Bildung zuständigen Behörde, auch im „Amtlichen Anzeiger“ veröffentlicht Im Übrigen siehe § 8 der Verordnung über die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für Lehrämter an Hamburger Schulen vom 4. September 2018 unter http://www.landesrecht-hamburg.de/jportal/portal/page/bshaprod.psml;jsessionid= 039F1BF79FDB925BD936D1DC4DB34F0E.jp26?showdoccase=1&doc.id=jlr- SchulLehrVHA2018rahmen. sowie Vorbemerkung. 5. Nach welchen Kriterien kann ein Unterrichtsauftrag oder eine unterrichtsähnliche Tätigkeit geltend gemacht werden? § 6 der Verordnung über die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für Lehrämter an Hamburger Schulen beinhaltet die förderlichen Kenntnisse und Erfahrungen. Danach werden für die Bewerbung Kenntnisse und Erfahrungen, die der unterrichtlichen Tätigkeit förderlich sind, berücksichtigt und fließen mit fünf Punkten je vollendetem Monat einer Unterrichtstätigkeit in die Bewertung ein. Als solche Kenntnisse beziehungsweise Erfahrungen werden gemäß Nummer 1 der Verordnung Unterricht oder unterrichtsähnliche Tätigkeiten auf der Basis eines schriftlichen Arbeitsvertrages an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Schule im In- oder Ausland mit einem Drucksache 21/15777 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 wöchentlichen Umfang von mindestens 25 von Hundert der regelmäßigen Arbeitszeit anerkannt. Mehrere zeitgleich ausgeübte Unterrichtstätigkeiten werden insgesamt nur einmal berücksichtigt. 6. Wie viele der unter Frage 1. genannten Bewerber/-innen haben Unterrichtsaufträge oder unterrichtsähnliche Tätigkeiten geltend gemacht? Bitte nach Lehrämtern aufschlüsseln. Die Anzahl der Bewerberinnen und Bewerber mit Unterrichtsaufträgen oder unterrichtsähnlichen Tätigkeiten sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen: Schulform Anzahl Bewerberinnen und Bewerber mit Unterrichtsaufträgen oder unterrichtsähnlichen Tätigkeiten Berufsbildende Schulen 25 Sonderschulen 25 Primar- und Sekundarstufe I 64 Gymnasien 144 Quelle: interne Daten der für Bildung zuständigen Behörde, Stand 15. Januar 2019 a. Wie viele der unter Frage 1. genannten Bewerber/-innen haben ebenfalls Punkte für Wartezeiten erhalten? Bitte nach Lehrämtern aufschlüsseln. Die Anzahl der Bewerberinnen und Bewerber mit Punkten für Wartezeiten sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen: Schulform Anzahl Bewerberinnen und Bewerber mit Punkten und Wartezeit Berufsbildende Schulen 9 Sonderschulen 1 Primar- und Sekundarstufe I 26 Gymnasien 168 Quelle: interne Daten der für Bildung zuständigen Behörde, Stand 15. Januar 2019 b. Wie viele der unter Frage 1. genannten Bewerber/-innen konnten Unterrichtsaufträge oder unterrichtsähnliche Tätigkeiten mit mindestens 60 Punkten (ein Jahr) geltend machen? Die Anzahl der Bewerberinnen und Bewerber mit Unterrichtsaufträgen oder unterrichtsähnlichen Tätigkeiten von mindestens 60 Punkten ergeben sich aus der nachfolgenden Tabelle: Schulform Anzahl Bewerberinnen und Bewerber mit Unterricht oder unterrichtsähnlichen Tätigkeiten von mindestens 60 Pkt. Berufsbildende Schulen 1 Sonderschulen 8 Primar- und Sekundarstufe I 13 Gymnasien 25 Quelle: interne Daten der für Bildung zuständigen Behörde, Stand 15. Januar 2019 c. Wie viele der unter Frage 1. genannten Bewerber/-innen hatten keinen Universitätsabschluss? Bitte nach Lehrämtern aufschlüsseln. Voraussetzung für eine Bewerbung für den Vorbereitungsdienst für Lehrämter an Hamburger Schulen ist ein Universitätsabschluss – Erstes Staatsexamen oder Master of Education. Bewerberinnen oder Bewerber ohne Universitätsabschluss liegen nicht vor beziehungsweise sind nicht bekannt. Dies gilt über alle Lehrämter hinweg. 7. Welcher Höchstwert an Punkten für Unterrichtsaufträge oder unterrichtsähnliche Tätigkeiten wurde im Auswahlverfahren vergeben? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15777 5 Bitte nach Lehrämtern, Punkten und Monaten aufschlüsseln. Dies ergibt sich aus der nachfolgenden Tabelle: Schulform Punkthöchstwert Anzahl Monate Berufsbildende Schulen 70 entspricht 14 Monate Sonderschulen 150 entspricht 30 Monate Primar- und Sekundarstufe I 175 entspricht 35 Monate Gymnasien 410 entspricht 82 Monate Quelle: Daten der für Bildung zuständigen Behörde, bezogen auf alle Bewerbungen zum 1. Februar 2019 8. Inwiefern wird eine Qualitätskontrolle der Unterrichtsaufträge durch die zuständige Behörde gewährleistet? Für die Qualitätskontrolle von Lehraufträgen sind die jeweiligen Schulen verantwortlich , es erfolgt keine zentrale Erhebung. 9. Inwiefern erwartet der Senat eine Verschiebung der Zulassungen zum Vorbereitungsdienst aufgrund exzellenter Noten zugunsten praktischer Erfahrungen? Siehe Vorbemerkung.