BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15851 21. Wahlperiode 25.01.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Harald Feineis (AfD) vom 17.01.19 und Antwort des Senats Betr.: Beten in Hamburger Schulen (III) Seit im Jahr 2011 ein Fall publik wurde, bei dem ein muslimischer Schüler an einem Gymnasium in Berlin-Wedding vor Gericht das Recht auf Verrichtung des Mittagsgebets erstreiten wollte und dabei auch einen eigenen Raum von der Schulleitung verlangte1, ist eine Debatte um die Frage entbrannt, ob religiöse Schüler ein solches Privileg grundsätzlich Anspruch nehmen können. Obwohl der junge Mann damals in dritter Instanz scheiterte, haben mittlerweile auch andere Schulen mit ähnlichen Fällen zu tun. In Hamburg war es bereits im Frühjahr 2014 vermehrt dazu gekommen, dass Schüler, die unter dem Einfluss islamistischer Personen standen, innerhalb kurzer Zeit zu frommen Muslimen geworden waren. Diese Personen waren aufgefallen, weil sie ihre Mitschüler zur Einhaltung islamischer Gebote drängten sowie von Lehrern Gebetsräume forderten.2 In Drs. 21/5043 hat der Senat bereits einmal Stellung zu diesem Thema genommen. Dass er sich damals bereits des Themas „Religiöse Fragen in der Schule“ angenommen hatte, zeigt die im Juli 2016 vom Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung herausgegebene Broschüre „Intellektuell “.3 Diese ist für pädagogisches Personal in Hamburg gedacht und beschäftigt sich mit Vielfalt in der Schule. Neben Informationen zu religiösen Feiertagen verschiedener Konfessionen gibt es auch einen Abschnitt zum Gebet in der Schule. Darin heißt es: „Die Glaubensfreiheit von Schülerinnen und Schülern aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG berechtigt sie grundsätzlich, während des Besuchs der Schule außerhalb der Unterrichtszeit ein Gebet zu verrichten.4 Es gibt dabei aber keinen Rechtsanspruch von einzelnen Schülerinnen oder Schülern bzw. Schülergruppen auf besondere Vorkehrungen (wie Unterrichtsbefreiungen, Zugang zu Räumen) zum Gebet. Die Berechtigung zum Gebet findet ihre Schranke in der Wahrung des Schulfriedens und der (negativen) Bekenntnisfreiheit der übrigen Schülerschaft, wenn beispielsweise eine Schülergruppe demonstrativ oder öffentlich in der Mensa u.a. beten möchte. Andererseits gebietet es die (positive) Bekenntnisfreiheit, dass den entsprechenden Schülerinnen und Schülern in der unterrichtsfreien Zeit die räumliche Möglichkeit für ein Gebet gegeben wird. Das Gebet ist in den Religionen eine bedeutsame Form der 1 Confer Urteil zu Gebetsraum an Schule. Ein Ventil für religiöse Bedürfnisse. „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ online. 9.12.2011. 2 Confer Schulen in Hamburg. Junge Islamisten setzen Schüler und Lehrer unter Druck. „Hamburger Abendblatt“ online. 1.3.2014. 3 Gegenwärtig liegt die Broschüre in der 7. Auflage vor. 4 Confer Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes BVerwG 6 C 20.10 vom 30.11.2011. Drucksache 21/15851 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Glaubenspraxis. Es ist angeraten, Schülerinnen und Schülern auf Anfrage das Gebet in der unterrichtsfreien Zeit (z.B. große Pausen, Freistunden) zu ermöglichen und ihnen in dieser Zeit Zugang zu einem freien Raum zu geben, der jedoch nicht als ein separater Gebetsraum eingerichtet wird, sondern für die Zeit des Gebetes diese Funktion einnimmt. Der Raum sollte für andere nicht ohne weiteres zugänglich sein, so dass das Gebet in Ruhe verrichtet werden kann. Alternativ könnte auch gemeinsam mit der Fachschaft Religion überlegt werden, einen interreligiösen Raum einzurichten, der für Religionsstunden, besondere Projekte und in den Pausen auch als (interreligiöser ) Gebets-, Andachts- und Meditationsraum bzw. Raum der Stille genutzt werden könnte.“5 Man kann konstatieren, dass religiöse Schüler in Hamburg grundsätzlich keinen Anspruch auf Unterrichtsbefreiung oder die Nutzung von Räumlichkeiten haben. Gleichwohl wird das Gebet explizit als wichtiger Aspekt der Religionsausübung gewürdigt, weshalb die Schulleitungen dazu angehalten werden , dafür zu sorgen, dass das Gebet während der unterrichtsfreien Zeit auf dem Schulgelände verrichtet werden kann. Da sichergestellt werden muss, dass der schulische Frieden gewahrt bleibt, wird empfohlen, religiösen Schülern Zugang zu geeigneten Räumlichkeiten zu verschaffen, damit diese dort in Ruhe beten können. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele Fälle sind dem Senat seit Februar 2017 bekannt, bei denen Schülern Gebetsräume zur Verfügung gestellt werden? Bitte einzeln anhand des Standorts sowie – falls möglich – der religiösen Konfession aufschlüsseln. 2. Wie viele Fälle sind dem Senat seit Februar 2017 bekannt, bei denen die Anfrage von Schülern nach Gebetsräumen zurückgewiesen wurde? Bitte einzeln anhand des Standorts sowie – falls möglich – der religiösen Konfession aufschlüsseln. Der in Drs. 21/8117 und Drs. 21/5043 geschilderte Sachstand gilt unverändert. 3. Wird das vom Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung definierte Reglement in Hamburg überall konsequent umgesetzt? 4. Inwiefern haben sich die Empfehlungen des Reglements bis heute als verbindlich erwiesen? Sowohl die positive als auch die negative Bekenntnisfreiheit der Schülerinnen und Schüler folgen unmittelbar aus der Verfassung und stehen nicht zur Disposition („Reglement “) der für Bildung zuständigen Behörde. Diese Freiheitsrechte sind in praktische Konkordanz mit den Erfordernissen des Schulwesens zu bringen. Die entsprechende Handreichung „Vielfalt in der Schule“ fasst die vorliegende Rechtsprechung zum Gebet in der Schule für die Schulen zusammen. Im Übrigen siehe Drs. 21/8117. 5. Die Tatsache, dass sich das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung eingehend mit Gebeten in Schulen beschäftigt und Hamburger Lehrpersonal in dieser Sache schult, kann als Beleg dafür gelten, dass der Senat dieses Thema nicht als marginal, sondern als relevant betrachtet. Seit wann ist dies in Hamburg der Fall? Wie viele Fälle sind seit Februar 2017 dokumentiert worden? Falls dies nicht passiert ist, bitte den Grund erläutern. 5 Confer Interkulturell. Für pädagogisches Personal. Vielfalt in der Schule. Religiöse Fragen in der Schule – Sport- und Schwimmunterricht Sexualerziehung – Schulfahrten. 7. aktualisierte Auflage. Herausgegen vom Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung. Hamburg : Juli 2016. Seiten 13 – 14. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15851 3 Die für Bildung zuständige Behörde berät die Schulen und Schulleitungen in allen relevanten Fragen. Eine zentrale Erfassung von Anfragen aus den Schulen erfolgt nicht. Im Übrigen siehe Drs. 21/8117 und Drs. 21/5043. 6. Wie viele Schulen gibt es gegenwärtig in Hamburg, deren Schülerschaft mindestens zur Hälfte einen Migrationshintergrund aufweist? Bitte einzeln anhand des jeweiligen Standortes aufschlüsseln sowie die Größe von Lehrer- und Schülerschaft nennen. Für das Schuljahr 2018/2019 liegen die angefragten Zahlen noch nicht vor. Sie stehen nach Validierung und Qualitätssicherung zur Verfügung und werden nach derzeitigem Planungsstand im Februar 2019 veröffentlicht. Zu den Daten für das Schuljahr 2017/2018 siehe Drs. 21/12272. 7. Wird das oben genannte Reglement an Schulen mit großem beziehungsweise überwiegendem Migrantenteil gegenwärtig womöglich anders umgesetzt als sonst? Falls ja, inwiefern? Falls nein, warum nicht? Siehe Antwort zu 3. und 4. und Drs. 21/8117. 8. Welche Maßnahmen haben Hamburger Schulleitungen zur Umsetzung des vom des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung herausgegebene Reglement ergriffen? 9. Sind dabei seitens der Schulen womöglich Bedenken geäußert worden? Falls ja, welche? Über die Broschüre „Vielfalt in der Schulen“ wird regelmäßig informiert. Zuletzt auf einer bezirklichen Schulleiterdienstbesprechung in Harburg zum Ende des Schuljahres 2017/2018. Bedenken gegen die Umsetzung wurden weder in diesem Zusammenhang noch im Einzelfall im Rahmen der Kontakte zwischen Schulaufsicht und Schulleitungen geäußert. 10. Wie sieht das Spannungsfeld vom Recht auf individuelle Glaubensverwirklichung und staatlicher Neutralitätspflicht gegenüber Religionsgemeinschaften an Hamburger Schulen gegenwärtig aus? Die Rechtslage ist klar. Besonderer Beratungsbedarf wird beziehungsweise wurde von den Schulleiterinnen und Schulleitern gegenüber der Rechtsabteilung der für Bildung zuständigen Behörde nicht formuliert. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. und 4.