BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15856 21. Wahlperiode 25.01.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Michael Kruse und Dr. Kurt Duwe (FDP) vom 17.01.19 und Antwort des Senats Betr.: Fernwärmenetzrückkauf – Wie ist der Stand der beihilferechtlichen Prüfung und welche Konsequenzen drohen? Angesichts des den objektivierten Unternehmenswert erheblich übersteigenden Kaufpreises bestehen nach wie vor Zweifel an der beihilferechtlichen Unbedenklichkeit des Fernwärmenetzrückkaufs. Diesbezügliche Nachfragen aus der Schriftlichen Kleinen Anfrage vom 13.09.2018 (siehe Drs. 21/14372) konnten seinerzeit nicht beantwortet werden; der Senat verwies auf die noch nicht abgeschlossenen Untersuchungen durch die beteiligten Behörden. In der Sitzung des Haushaltsausschusses am 30.10.2018 informierte Senator Dr. Dressel dann darüber, dass der Senat zur Klärung der beihilferechtlichen Fragen mit Unterstützung des Bundeswirtschaftsministeriums ein informelles Vorklärungsverfahren mit der EU-Kommission einleite (siehe Wortprotokoll, Drs. 21/52, Seite 72), wie es auch bereits in der Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft angekündigt wurde (siehe Drs. 21/14636, Kapitel III.2). Nunmehr hat die Pressestelle der Finanzbehörde in ihrer Mitteilung vom 09.01.2019 bekanntgegeben, dass die EU-Kommission zur Abklärung der beihilferechtlichen Unbedenklichkeit ein formelles Verfahren aufnimmt, in dessen Rahmen sie voraussichtlich im März entscheiden wird. Vor diesem Hintergrund verwundern die Äußerungen des Umweltsenators Kerstan, welcher gegenüber der Presse (unter anderem Interview mit Hamburg 1 am 20.12.2018) behauptet, die beihilferechtliche Diskussion mit der EU-Kommission sei auf Initiative von Vattenfall entstanden. Senator Kerstan zeigt sich „enttäuscht“ über den Gang Vattenfalls zur EU-Kommission und hält diesen für „eine merkwürdige Idee“ (siehe Artikel in „Die Welt“ vom 09.01.2019). „Merkwürdig“ ist an diesem Sachverhalt lediglich, dass nun eigene Absichtserklärungen des Senats vom Oktober letzten Jahres, die EU-Kommission mit der Frage befassen zu wollen, und die Aussagen des Umweltsenators aus dem Dezember letzten und Januar dieses Jahres in inhaltlichem Widerspruch zueinander stehen. Dies lässt auf eine tiefe Kluft zwischen den beteiligten Behörden schließen. Zudem drängt sich der Eindruck auf, der Umweltsenator wolle mit Verweis auf die angebliche Rolle Vattenfalls von eigenen Versäumnissen und Fehleinschätzungen ablenken. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften der HGV Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement mbH (HGV) wie folgt: Drucksache 21/15856 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Welche Behörde hat das informelle Vorklärungsverfahren in der Beihilfefrage eingeleitet? Wann genau geschah dies? Das Verfahren mit der Europäischen Kommission (Kommission) im Rahmen der Beihilfenkontrolle führt die Bundesregierung. Auf Länderebene liegt die Zuständigkeit in Hamburg bei der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI). Die BWVI hat eine Bitte der HGV um informelle Klärung am 5. November 2018 dem auf Bundesebene zuständigen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) weitergeleitet , welches diese am gleichen Tag der Kommission übermittelt hat. 2. Welche Mitglieder von Senat oder Staatsrätekollegium und welche Behördenmitarbeiter waren zu welchem Zeitpunkt mit welchen für die Vorklärung zuständigen Stellen in Kontakt? (Bitte vollständig aufführen.) Der Erste Bürgermeister und die fachlich zuständigen Senatoren und Staatsräte werden laufend über den Verfahrensstand informiert. Der Präses der Finanzbehörde und der Präses der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation haben sich zudem in einem Gespräch mit der Kommissarin für Wettbewerb, Margrethe Vestager, am 27. November 2018, über den Stand und Fortgang des Verfahrens ausgetauscht. Darüber hinaus gab es hierzu einen telefonischen Austausch zwischen dem Präses der Finanzbehörde und dem Generaldirektor der Generaldirektion Wettbewerb, Johannes Laitenberger, am 30. November 2018. Das in der BWVI zuständige Referat Europäische Union befindet sich während des laufenden Verfahrens grundsätzlich in einem ständigen Austausch mit dem zuständigen Referat des BMWi, das wiederum im mündlichen und schriftlichen Kontakt mit dem zuständigen Referat der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission steht. 3. Haben sich der Senat beziehungsweise die beteiligten Behörden bei diesem informellen Verfahren externer Unterstützung bedient? Wenn ja, in jeweils welcher Form und zu jeweils welchen Kosten? (Bitte explizit benennen, wer welche Dienststelle wann beziehungsweise in welchem Zeitraum in welcher Form unterstützt hat.) Wann genau wurde das informelle Klärungsverfahren mit welchem konkreten Ergebnis abgeschlossen? Die HGV hat die Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP (FBD) am 24. Oktober 2018 für die verfahrensrechtliche Begleitung und zur fachlichen Unterstützung beihilferechtlicher Fragestellungen mandatiert. Die Unternehmen PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (PwC) und LBD Beratungsgesellschaft mbH (LBD) haben im Rahmen bestehender Beratungsaufträge mit der HGV (PwC) beziehungsweise der Behörde für Umwelt und Energie (LBD) zu einzelnen Aspekten und Fragen im Zusammenhang mit dem von LBD entwickelten Unternehmenskonzept für eine städtische Wärmegesellschaft die HGV beraten und unterstützt. Abgerechnet wurden bislang Kosten (netto) für die FBD in Höhe von 39 110,22 Euro, für die LBD in Höhe von 12 955,00 Euro und für PWC in Höhe von 56 508,00 Euro. Im Übrigen siehe Antwort zu 4. bis 6. 4. Wann genau, welchen Beteiligten gegenüber und in welcher Form wurde das Ergebnis des informellen Klärungsverfahrens kommuniziert? 5. Auf wessen Betreiben und wann genau hat die EU-Kommission das formelle Verfahren aufgenommen? Inwieweit war es eine eigene Entscheidung der EU-Kommission infolge des Vorklärungsverfahrens? Falls der Senat oder eine beteiligte Behörde das formelle Verfahren initiiert haben: Was waren die Gründe hierfür? 6. Für wann wird auf welcher Informationsbasis der Abschluss des formellen Verfahrens erwartet? Ob und in welcher Form sich die Kommission auf eine Bitte um informelle Klärung eines bestimmten Sachverhalts äußert, steht grundsätzlich im Ermessen der Kommission . Die Kommission hat am 21. Dezember 2018 im Rahmen des informellen Verfahrens mitgeteilt, dass sie aus Gründen der Rechtssicherheit und wegen der Bedeutung des Verfahrens im Rahmen eines Notifizierungsverfahrens entscheiden möchte. Die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15856 3 dafür erforderliche Anmeldung des Rückkaufs als Nicht-Beihilfe ist über die BWVI und das BMWi eingereicht und am 18. Januar 2019 bei der Kommission registriert worden. Durch den Eingang der Notifizierung bei der Kommission wurde das vorläufige Prüfverfahren – und nicht das förmliche Prüfverfahren – in Gang gesetzt. Auf Grundlage dieses Antrags wird die Kommissionsentscheidung für Ende März 2019 erwartet. 7. Welche Auswirkungen hat das laufende Verfahren auf den weiteren Fortgang des Rückkaufprozesses, insbesondere mit Blick auf das bis zur abschließenden Entscheidung geltende sogenannte Durchführungsverbot des Artikels 108 Absatz 3 Satz 3 AEUV? Mit welchen Verzögerungen ist zu rechnen? Das Durchführungsverbot des Artikel 108 Absatz 3 S. 1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) besagt, dass ein Mitgliedstaat Staatliche Beihilfen vor ihrer Durchführung bei der Kommission anmelden und mit der Durchführung der Beihilfe warten muss, bis eine Genehmigungsentscheidung der Kommission vorliegt. Auch wenn die Freie und Hansestadt (FHH) davon ausgeht, dass die geplante Transaktion marktkonform und damit beihilfefrei ist, ist daher vor Vollzug des Rückkaufs die Entscheidung der Kommission abzuwarten. Den positiven Ausgang des derzeitigen Anmeldeverfahrens vorausgesetzt, rechnet die FHH damit, dass die weiteren Schritte des Rückkaufs zügig nach der Entscheidung der Kommission umgesetzt werden können. Die Transaktion soll, wie vertraglich vereinbart, rückwirkend zum 1. Januar 2019 vollzogen werden.