BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15882 21. Wahlperiode 25.01.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna Gallina und Dr. Carola Timm (GRÜNE) vom 18.01.19 und Antwort des Senats Betr.: Fortbildungsangebote für Richter/-innen In ihrem Abschlussbericht weist die Enquete-Kommission „Kinderschutz und Kinderrechte stärken (…)“ auf die gestiegenen Anforderungen für Familienrichter /-innen hin und empfiehlt unter anderem einen Rechtsanspruch auf Fortbildungsangebote. Auch in anderen Fachbereichen steigen die inhaltlichen Anforderungen an Richter/-innen seit Jahren. So nimmt die Komplexität der Verfahren immer weiter zu und menschliche Schicksale können belastende Situationen erzeugen, die die Richter/-innen als Menschen treffen können . Aufgabe der zuständigen Behörde muss es daher sein, die nötigen Ressourcen für entsprechende Fortbildungen zur Verfügung zu stellen, um die Richter /-innen dabei zu unterstützen, den Herausforderungen des Richteramtes gerecht zu werden. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Die Justizbehörde bietet ihren Beschäftigten ein breites Fortbildungsangebot, das generelle Bedarfe, aber auch aktuelle Schwerpunkte berücksichtigt. Nicht nur die Weiterentwicklung fachlichen Wissens und methodischer Kompetenzen wird dabei abgedeckt , sondern auch der Umgang mit individueller Belastung und die Gestaltung der Arbeitsbedingungen unterstützt. Diese Angebote werden fortlaufend zukunftsorientiert und in enger Zusammenarbeit mit den Gerichten und Staatsanwaltschaften weiterentwickelt. Dies vorausgeschickt beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Fortbildungsangebote sind ein essenzieller Baustein zur Sicherung guter richterlicher Praxis und zur Bewältigung der steigenden inhaltlichen Komplexität der Verfahren. Regelmäßige Fortbildungen sind daher unverzichtbar. a. Wie viele Fortbildungsveranstaltungen zu welchen Themen hat die zuständige Behörde in den Jahren 2017 und 2018 angeboten? b. Wie viele Richterinnen und Richter konnten daran teilnehmen? Es ist notwendig und selbstverständlich, dass Richterinnen und Richter wegen sich wandelnder Rechtsprechung oder Gesetzesänderungen ein fachliches Fortbildungsangebot wahrnehmen können müssen. Darüber hinaus bieten Fortbildungsveranstaltungen ein Forum zum fachlichen Austausch, zur Vernetzung und Reflektion. Aus diesem Grund wurde das Fortbildungsangebot für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in den letzten Jahren stetig auf aktuell rund 1 300 Plätze ausgebaut. Drucksache 21/15882 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Im Jahr 2017 wurden darüber hinaus noch umfangreiche Sonderschulungen zur Vorbereitung auf den G20-Gipfel durchgeführt. Im Übrigen siehe Anlagen 1 und 2. c. Welche Fortbildungsmöglichkeiten bestehen darüber hinaus? Neben dem Fortbildungsangebot der zuständigen Behörde können Richterinnen und Richter auch die Fortbildungsangebote der Deutschen Richterakademie, dem Zusammenschluss der Fortbildungsakteure in den Justizministerien der norddeutschen Länder (Verbund der norddeutscher Länder), der Bundesfinanzakademie und teilweise des Zentrums für Aus- und Fortbildung (ZAF) nutzen. Darüber hinaus gibt es bundesweit beworbene Fortbildungsangebote anderer Länder/ Institutionen sowie überregionale Gerichtstage und Fachtagungen. Für die Fachgerichte werden in eigener Regie durchgeführte Fortbildungen oder/und die Teilnahme an Fachtagen und überregionalen Fortbildungen von der zuständigen Behörde (teil-)finanziert. Die Gerichte und Staatsanwaltschaften bieten in Eigenregie Fortbildungsveranstaltungen für Assessorinnen und Assessoren zu diversen Themen an. Ebenfalls zur fachlichen Fortbildung gehören das Selbststudium anhand von Fachzeitschriften /Fachbüchern oder -skripten und der regelmäßige Austausch mit Fachkolleginnen und Fachkollegen. Dafür erhalten die Richterinnen und Richter Zugang zu den relevanten Schriften über Umläufe und die Bibliotheken. Eine Ausweitung des Online-Zuganges zu juris und beck-online wird derzeit von der zuständigen Behörde eingerichtet. 2. Wie ermittelt die Justizbehörde die Fortbildungsbedarfe? 3. Wird die Qualität der Angebote und der Nutzen für die Teilnehmer/-innen evaluiert? Wenn nein, warum nicht? In enger Abstimmung mit den Gerichten und Staatsanwaltschaften wird von der zuständigen Behörde ein Fortbildungsangebot organisiert, das generelle, aber auch kurzfristig auftretende Bedarfe deckt. Neben grundsätzlichen bundesweiten oder regionalen Schwerpunktthemen werden auch konkrete Bedarfsmeldungen der Gerichte aufgegriffen. Durch die regelmäßigen direkten Absprachen mit den Fortbildungsreferentinnen und Fortbildungsreferenten der Gerichte und Staatsanwaltschaften ist sichergestellt, dass das Fortbildungsprogramm inhaltlich und methodisch die Bedarfe trifft. Jedes Gericht hat eine für Fortbildung zuständige (Präsidial-)Richterin beziehungsweise einen für Fortbildung zuständigen (Präsidial-)Richter, die/der die internen Bedarfe und Rückmeldungen bündelt und transportiert. Anhand von elektronischen Evaluationsbögen werden alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer jeder Veranstaltung befragt. Die Ergebnisse der Evaluation werden bei der weiteren Fortbildungsplanung berücksichtigt. 4. Welche Ressourcen stehen der Justizbehörde für die richterliche Fortbildung zur Verfügung? Für Konzeption, Organisation, Abrechnung, Dozenten- und Teilnehmerbetreuung sowie Veranstaltungsmanagement für landeseigene Veranstaltungen stehen 0,5 VZÄ R 1 und 0,75 EG 9 zur Verfügung; für die Koordination, Organisation, Abrechnung und Teilnehmerbetreuung überregionaler Veranstaltungen eine weitere halbe Stelle EG 10. Das Budget für richterliche Fortbildung beträgt im Jahr 2018 200 000 Euro, davon etwa 90 000 Euro für die Finanzierung der Teilnahme an den Angeboten der Deutschen Richterakademie und des Nordverbunds. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15882 3 5. Welche weiteren Unterstützungsmaßnahmen bietet die Justizbehörde an? Neben der Qualifizierung in den Bereichen Fachwissen und Arbeitstechnik werden von der zuständigen Behörde verschiedene Angebote im Bereich der Supervision angeboten. Supervision stärkt den fachlichen Austausch und die kollegiale Beratung und bietet dabei Unterstützung darin, individuelle Strategien zum Umgang mit Belastungen am Arbeitsplatz und zur Arbeitsorganisation zu entwickeln. Es gibt extern moderierte Supervisionen für Strafrichterinnen und Strafrichter, Familien- und Vormundschaftsrichterinnen und -richter sowie für Güterichterinnen und Güterichter. Des Weiteren ein breites Angebot kollegialer Fallsupervisionsgruppen für Richterinnen und Richter sowie für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte (derzeit sechs Gruppen von bis zu zehn Teilnehmerinnen und Teilnehmern, fünf weitere Gruppen ab 2020). Die Supervisorinnen und Supervisoren der kollegialen Fallsupervision werden von der zuständigen Behörde aus- und weitergebildet. In besonderen Fallkonstellationen, insbesondere wenn Richterinnen und Richter größere Verantwortungsbereiche übertragen bekommen, werden auch Coachings angeboten . Im Rahmen des Sicherheitskonzeptes wird auch für Richterinnen und Richter ein praktisch orientiertes Sicherheitstraining für den Umgang mit aggressivem Publikum angeboten, um präventiv die Handlungssicherheit und das subjektive Sicherheitsgefühl zu stärken. Die zuständige Behörde unterstützt besonders belastete Bereiche oder Einzelpersonen , die aufgrund ihres Arbeitsumfeldes Unterstützung zur Erhaltung der eigenen Gesundheit und Arbeitsfähigkeit oder bei der Lösung besonderer Problemstellungen (dienstlicher, zum Beispiel Führungssituation/Öffentlichkeitsdruck, oder privater Natur) benötigen, durch psychosoziale Beratung und Supervision. Die Sozial- und Suchtberatung der zuständigen Behörde steht bei Führungs-, Suchtund sozialen Problemen allen Beschäftigten der Justiz als Ansprechpartner zur Verfügung . Den Gerichten werden jährlich sogenannte dezentrale Budgets zum eigenverantwortlichen Einsatz für spezielle Fortbildungsbedarfe des nicht richterlichen Dienstes zugewiesen . Vielfach werden daraus Maßnahmen der Gesundheitsförderung finanziert, die auch dem richterlichen Dienst offenstehen. 6. In welchen Bereichen ist ein Ausbau des Angebotes geplant? Die Anzahl der Fortbildungsveranstaltungen ist seit 2014 nahezu verdoppelt worden. Auch die Möglichkeiten des Selbststudiums werden durch eine beabsichtigte Ausweitung der Nutzungsmöglichkeiten von beck-online deutlich verbessert. Die zuständige Behörde geht davon aus, dass grundsätzlich ausreichend Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten bestehen. Sollte sich im Zeitablauf weiterer Bedarf herausstellen, wird die zuständige Behörde diesem in geeigneter Weise begegnen. Im Laufe der Zeit verändert sich natürlich auf Basis der Bedarfslage die Struktur des Fortbildungsangebotes. Derzeit ist eine Erweiterung des Portfolios um Veranstaltungen zu Verwaltungswissen und Organisationsmanagement sowie Stärkung von Leitungskompetenzen geplant. Weiterhin wird ein Schwerpunkt auf Themen im Bereich des Familienrechts und der psychosozialen Stärkung liegen. Landeseigene Veranstaltungen 2018 Teilnehmerinnen und Teilnehmer Plätze Strafecht 321 375 Die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung in der Praxis 60 60 Aktuelle Probleme des Strafverfahrensrechts 38 40 Beweisantragsrecht 39 40 Aktuelle Probleme des Beweisantrags- und Fragerechts in der strafprozessualen Hauptverhandlung 50 60 Der Einsatz von Vertrauenspersonen im Strafverfahren 36 40 §§ 63, 64 StGB: Grundlagen und Rechtsprobleme der Anwendung 43 60 Gang durch die Hauptverhandlung, vornehmlich für "Anfängerinnen" und "Anfänger" 15 25 Ermittlung in digitalen Medien 20 25 Konfliktlösung 20 25 Zivilrecht 98 155 Aktuelle Entwicklungen im Bauvertragsrecht 8 40 Fluggastrechte - Die praktische Anwendung von internationalen Normen 21 25 Grundlagen des Bauvertragsrechts 23 40 Der Verkehrsunfall im Zivilprozess 25 25 Das neue Reisevertragsrecht 21 25 Familienrecht 76 105 Psychiatrische Tests und Gutachtenerstellung für Familienrichterinnen und Familienrichter 18 40 Güter- und Vermögensrecht 22 25 Interdisziplinärer Fachtag: „Wenn die Eltern suchtkrank sind – wann werden die Eltern für Kinder und Jugendliche zum Risiko? 36 40 Interdisziplinär 473 668 Unterbringung nach dem PsychKG 40 60 Interkulturelle Mediation 18 25 Mediation: Innerer Bezug von Phase 3 und Phase 4 18 25 Rhetorik für Richterinnen und Richter, vornehmlich dienstjüngere 15 15 Rhetorik für Richterinnen und Richter – Vertiefung 5 15 Sicherheitstraining für Richterinnen und Richter und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte (5 Veranstaltungen) 72 72 Kopftechniken (2 Veranstaltungen) 25 25 Ein starker Auftritt - Sprechtraining für Juristinnen (Fortbildung nur für Frauen) 12 20 Interviewtechniken für Präsidialrichterinnen und Richter - Vertiefung 6 12 Befragung von Aussagepersonen vor Gericht 15 25 Mediative Elemente in der richterlichen Verhandlungsführung 12 20 Mediative Elemente in der richterlichen Verhandlungsführung – Vertiefung 18 20 Datenschutz bei richterlicher Tätigkeit in der Finanz- und Verwaltungsgerichtsbarkeit 12 25 Praktische Einführung in die Psychopharmakotherapie für Richterinnen und Richter 35 60 Drucksache 21/15882 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Anlage 1 Persönlichkeitsstörungen unter zivil- und strafrechtlichen Aspekten 35 60 Rhetorik und Auftreten in der Hauptverhandlung für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte 20 25 Überblick über psychiatrische Krankheitsbilder 39 60 Schattenjustiz – Herausforderungen für den Strafprozess, das Phänomen und seine Bewältigung 35 60 Souveräner Umgang mit Konfliktsituationen bei Gericht 15 15 Vertiefungstreffen der Supervisoren 14 14 Modulreihe Verwaltungs-Know-How - Modul 1 Beurteilungswesen 12 15 Gesamt 968 1303 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15882 5 Landeseigene Veranstaltungen 2017 Teilnehmerinnen und Teilnehmer Plätze Strafrecht 511 590 Vermögensabschöpfung 30 40 Gang durch die Hauptverhandlung 33 40 Hate Speech 19 25 Konfliktverteidigung 37 40 Kolloquium 5. Strafsenat 66 60 Wohnungseinbruchsdiebstahl 19 25 Politischer Extremismus und Terrorismus 22 25 Salafismus 24 25 Beweisantragsrecht 29 25 Aktuelle Rechtsprechung zum Betäubungsmittelstrafrecht unter besonderer Berücksichtigung der Strafzumessung und der Anwendung des minder schweren Falles 25 25 Die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung in der Praxis 32 40 Aktuelle Probleme der Strafprozessordnung 30 40 Die Bedeutung des SGB VIII im Jugendstrafverfahren 10 25 Europäische Ermittlungsanordnung 22 25 Internetkriminalität für Assessoren 14 25 Opferschutz in Strafverfahren 30 40 Prognosegutachten 40 40 Europäisches Fahrerlaubnisrecht 29 25 Zivilrecht 227 281 Verkehrszivilrecht (2 Veranstaltungen) 32 40 Aktuelle Rechtsprechung des BGH im Versicherungsvertragsrecht 25 25 Aktuelle Entwicklungen im Bauvertragsrecht 11 25 1. Zivilsenat zum Urheberrecht mit Berlin 36 36 Aktuelle Entwicklungen im Banken- und Kapitalmarktrecht (SH, BGH-Bankensenat) 15 25 Projektentwicklung im Immobilienbereich 40 40 Mietrecht 26 25 Neues Bauvertragsrecht 5 20 Aktuelle Rechtsprechung des BGH im Patentrecht 9 20 Aktuelle Entwicklungen im Betreuungsrecht 28 25 Familienrecht 57 95 Mit Kindern über schwierige Themen sprechen 13 20 Psychiatrische Tests und Gutachtenerstellung für Familienrichterinnen und Familienrichter 13 25 Richterlicher Eildienst – PsychKG 11 25 Überblick über die Hilfen zur Erziehung (HzE) im SGB VIII 20 25 Interdisziplinär 370 407 Umgang mit sogenannten Reichsbürgern 35 40 Reichsbürger: Ideologischer Hintergrund und Handlungsempfehlungen im Umgang 24 25 Reichsbürger: Sitzungspolizeiliche Maßnahmen 24 25 Interviewtechnik für Präsidialrichterinnen und Präsidialrichter 8 10 Überblick über psychische Krankheitsbilder und Persönlichkeitsstörungen (2 Veranstaltungen) 89 90 Ein starker Auftritt – Sprechtraining für Juristinnen (Fortbildung nur für Frauen) 21 20 Kopftechniken (2 Veranstaltungen) 26 24 Richterliche Ethik – Tagung für Proberichterinnen und Proberichter 14 20 Interkulturelle Kommunikation 17 15 Mediation unter Zeitdruck 15 15 Befragung von Aussagepersonen vor Gericht 14 20 Mediative Elemente in der richterlichen Verhandlungsführung 14 15 Medientraining für Pressesprecherinnen und Pressesprecher 7 7 Fortbildung für Güterichterinnen und Güterichter - Arbeitstechniken in der Mediation 6 10 Einfache Sprache in der Hauptverhandlung 14 25 Vertiefungstreffen der Supervisorinnen und Supervisoren 11 11 Zeit- und Belastungsmanagement vornehmlich für Assessorinnen und Assessoren 20 20 Souveräner Umgang mit Konfliktsituationen 11 15 Sonderschulungen G20 186 191 Vorführung in Straf- und Polizeirechtssachen, Haftrichterschulung 20 25 Überblick über das SOG 166 166 Gesamt 1165 1564 Drucksache 21/15882 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 Anlage 2 15882ska_Text 15882ska_Anlagen 15882ska_Antwort_Anlage1 15882ska_Antwort_Anlage2