BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15982 21. Wahlperiode 05.02.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Daniel Oetzel (FDP) vom 28.01.19 und Antwort des Senats Betr.: Einsatz von Sandwesten in Hamburger Kitas Es gibt Berichte, dass nicht nur an Hamburger Schulen, sondern bereits an Hamburger Kitas mit Sand gefüllte Westen zum Einsatz kommen. Vor dem Hintergrund der nicht untersuchten Folgen für die Kinder und der Tatsache, dass es sich bei dem Einsatz der Westen bestenfalls um eine symptomatische statt eine ursachenbasierte Problemlösung handeln kann, stellen sich Fragen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Nach Auffassung der für Kindertagesbetreuung zuständigen Behörde sollte der Einsatz von Sandwesten in Hamburger Kitas ausschließlich im Rahmen therapeutischer Maßnahmen stattfinden. Er sollte stets eingebettet in ein pädagogisches und therapeutisches Gesamtkonzept geschehen. Der Einsatz bedarf bei allen Kindern einer differenzierten Betrachtung und sollte nur individuell und im Einvernehmen mit Eltern und Kindern erfolgen. Es obliegt der Autonomie der Träger, die Erziehungsaufgaben im Einklang mit den rechtlichen Vorgaben gemäß dem Hamburger Kinderbetreuungsgesetz (KibeG) und dem Landesrahmenvertrag „Kinderbetreuung in Tageseinrichtungen “ (LRV) zu organisieren. Hierzu gehören unter anderem auch die Anschaffung und der Einsatz therapeutischer Hilfsmittel wie zum Beispiel Sandwesten. Die für Kindertagesbetreuung zuständige Behörde verfügt nicht über die Informationen zur Beantwortung der Fragestellungen 1., 4., 6., 8. und 9. sowie 11. bis 14. Sie hat daher die Vertragspartner des Landesrahmenvertrages „Kinderbetreuung in Tageseinrichtungen “ (Arbeiterwohlfahrt Landesverband Hamburg e.V.; Caritasverband für Hamburg e.V.; Deutsches Rotes Kreuz Landesverband Hamburg e.V.; Der PARITÄ- TISCHE Wohlfahrtsverband Hamburg e.V.; Diakonisches Werk Hamburg e.V., Kindermitte e.V. – Bündnis für soziales Unternehmertum und Qualität in der Kindertagesbetreuung e.V.; SOAL – Alternativer Wohlfahrtsverband e.V. Landesverband Hamburg , Elbkinder – Vereinigung Hamburger Kitas gGmbH) und die nicht verbandlich organisierten Träger von Kindertageseinrichtungen gebeten, die entsprechenden Auskünfte zu erteilen. In der für die Beantwortung dieser Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit hat die für Kindertagesbetreuung zuständige Behörde von sieben Trägern beziehungsweise Kitas Antworten erhalten. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Ist dem Senat und der zuständigen Behörde bekannt, an welchen Kitas die genannten Sandwesten eingesetzt werden? Wenn ja, in welchem Umfang und unter welchen Umständen? Wenn nein, warum nicht? Drucksache 21/15982 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die Elbkinder – Vereinigung Hamburger Kitas gGmbH (Elbkinder) hat mitgeteilt, dass Sandwesten grundsätzlich in ihren Kitas nicht eingesetzt werden. Eine Ausnahme bildet hierbei der Einsatz im Rahmen einer therapeutischen Maßnahme. Hierbei muss das Einverständnis der Eltern eingeholt und die Anwendung von speziell im Umgang mit den Westen geschultem Personal durchgeführt werden. Ferner wird den Kindern ein Mitspracherecht eingeräumt. Das Tragen der Weste wird als Maßnahme in dem auf das Kind zugeschnittenen interdisziplinären Förder- und Behandlungsplan gemäß Landesrahmenvertrag Kinderbetreuung in Tageseinrichtungen § 7 Nummer 3 benannt. Die Rudolf-Ballin-Stiftung setzt Sandwesten auf Anraten kooperierender Ergotherapeuten im Rahmen therapeutischer Maßnahmen im Einverständnis mit Eltern und Kindern ein. Die Westen werden unter der spielerischen Bezeichnung „Bauarbeiterwesten “ geführt und dementsprechend als therapeutisches Spielmaterial eingesetzt. Sie haben die Funktion das Körperbewusstsein der Kinder zu stärken. Das Tragen der Westen wird entsprechend der ergotherapeutischen Empfehlung auf maximal 30 Minuten zeitlich begrenzt. Sie werden in den Räumen und im Rahmen einer übersichtlichen Betreuungssituation, nicht auf dem Außengelände getragen. Die Kinder entscheiden immer selbst, ob sie die Westen tragen möchten. Sie können sie jederzeit wieder ausziehen. Die Rudolf-Ballin-Stiftung hat die Erfahrung gemacht, dass die Kinder die Westen mögen und gerne tragen. Sie äußerten dieses verbal und legten sie ungerne wieder ab. Keine der übrigen Kitas anderer Träger, die eine Rückmeldung gaben, benutzen Sandwesten in den Kitas. 2. Welche rechtlichen Grundlagen bestehen für den Einsatz von Sandwesten in Kitas? 3. Inwieweit ist der Einsatz der Sandwesten mit den Verträgen zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und den Kita-Trägern beziehungsweise den Kita-Trägern und den Eltern vereinbar? Es bestehen keine gesonderten rechtlichen Regelungen für den Einsatz von Sandwesten in Kitas. Der Landesrahmenvertrag Kinderbetreuung in Tageseinrichtungen schließt den Einsatz von Sandwesten nicht aus. Der Senat geht davon aus, dass ein Einsatz von Sandwesten in Kitas grundsätzlich eingebettet in ein pädagogisches beziehungsweise therapeutisches Gesamtkonzept der Einrichtung und im Einvernehmen mit den Eltern und Kindern stattfindet. Unter diesen Voraussetzungen sieht der Senat keine juristischen Probleme. Darüber hinaus werden zwischen Kita-Trägern und Eltern individuelle privatrechtliche Verträge abgeschlossen, welche dem Senat nicht im Einzelnen bekannt sind. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 4. Wer hat jeweils wann und mit welcher Begründung über den Einsatz von Sandwesten gemäß Frage 1. an diesen Kindertagesstätten zu entscheiden beziehungsweise in der Vergangenheit entschieden? 5. Können Haltungsschäden und psychische Beeinträchtigungen aufgrund etwaiger Stigmatisierungen der betroffenen Kinder durch den Einsatz von Sandwesten an Kitas jederzeit und vollumfänglich ausgeschlossen werden? Wenn ja, aus welchen Gründen? Wenn nein, wie rechtfertigt sich dann der Einsatz dieser Westen? 6. Inwieweit, durch wen und auf Basis welcher individuellen Qualifikation wird der Einsatz von Sandwesten an Kitas medizinisch und psychisch überwacht? Wenn keine Überwachung stattfindet, warum nicht? Siehe Antwort zu 1. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15982 3 Darüber hinaus liegen den zuständigen Behörden keine gesicherten Erkenntnisse vor. 7. Liegen dem Senat und der zuständigen Behörde wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse vor, die Wirkmechanismus, Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit der Westen darlegen? a. Wenn ja, bitte wissenschaftlich gesicherte Begründung für den Einsatz der Westen darlegen. b. Wenn nein, bitte erläutern, warum keine wissenschaftlich gesicherte Begründung vorliegt und inwiefern der Einsatz von wissenschaftlich nicht gesicherten Methoden gerechtfertigt werden kann. Nein. Der zuständigen Behörde liegen dazu keine Erkenntnisse vor. 8. Inwieweit, durch wen und auf Basis welcher individuellen Qualifikation wird der Einsatz von Sandwesten angeordnet? Siehe Antwort zu 1. 9. Werden die Sandwesten in Absprache mit den Eltern und/oder der Kita- Leitung angelegt? Siehe Antwort zu 1. In einem Einzelfall wurde bei der Rudolf-Ballin-Stiftung vor Anlegen der Sandweste das Einverständnis der Eltern leider nicht eingeholt. Das Kind wurde in einer Spielsituation gefragt, ob es eine Sandweste tragen wolle, was es, ohne dass Druck ausgeübt wurde, gerne tat. Der Mutter wurde in einer Abholsituation der Umgang mit der Weste erläutert. Sie äußerte sich positiv zum beobachtbaren Verhalten von ihrem Kind in seiner Weste. 10. Inwieweit sieht der Senat juristischen Probleme, wenn der Einsatz von Sandwesten weder mit Eltern noch Kita-Leitungen durchgeführt wird? Siehe Antwort zu 2. und 3. 11. Welche Mitspracherechte haben die betroffenen Kinder hinsichtlich des Einsatzes der Sandwesten? 12. Wie wird sichergestellt, dass Wille und Rechte der betroffenen Kinder hinreichend gewahrt bleiben? Siehe Antwort zu 1. 13. Wie sind die Westen aktuell finanziert? Werden die Westen durch Kauf oder Miete bereitgestellt? Wie hoch sind die Kosten pro Weste und an den jeweiligen Kitas? Sollten unterschiedliche Bereitstellungsformen bestehen, bitte nach Kita und Form der Bereitstellung auflisten. Die Elbkinder verfügen über wenige Sandwesten, die zentral als mögliche Hilfsmittel vorgehalten und bei Bedarf den Kitas kostenlos zur Verfügung gestellt werden. In der Vergangenheit haben einige wenige Kitas mit entsprechend geschultem therapeutischem Personal selbst eine Sandweste angeschafft. Die Kosten pro Sandweste (2,0 Kg) vom Hersteller Beluga betragen aktuell circa 150 Euro. Bei der Rudolf-Ballin-Stiftung werden die Westen aus Sachmitteln für Therapie finanziert und kosten circa 160 Euro das Stück. 14. Ist dem Senat und der zuständigen Behörde bekannt, ob es Pläne für den weiteren Einsatz der Westen in Hamburgs Kitas gibt? Wenn ja, bitte den geplanten Zeitraum und die geplante Entwicklung, das heißt Ausweitung, Beibehaltung oder Reduzierung des Einsatzes der Westen darstellen. Wenn nein, warum nicht? Die Elbkinder und die Rudolf-Ballin-Stiftung planen, an der bisherigen Praxis festzuhalten . Die anderen Träger haben mitgeteilt, auch zukünftig keine Sandwesten nutzen zu wollen. Darüber hinaus liegen dem Senat keine weiteren Informationen über den geplanten Einsatz von Sandwesten vor.