BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15989 21. Wahlperiode 05.02.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Alexander Wolf und Dirk Nockemann (AfD) vom 29.01.19 und Antwort des Senats Betr.: Beobachtung linksextremistischer Gruppierungen seit 2015 (II) In Drs. 21/15820 antwortet der Senat auf die Frage, welche Personenzusammenschlüsse im Bereich „Linksextremismus“ 2015, 2016, 2017 und 2018 gemäß § 4 Hamburgisches Verfassungsschutzgesetzes (HmbVerfSchG) beobachtet wurden, obwohl sie nicht im jeweiligen Verfassungsschutzbericht aufgeführt wurden und welche Personenzusammenschlüsse vorrangig und mit Erwähnung im jeweiligen Verfassungsschutzbericht beobachtet wurden, wie folgt: „Im nachgefragten Zeitraum waren auch die folgenden Organisationen im Bereich des linksextremistischen Spektrums als Beobachtungsobjekt eingestuft : - Marxistische Gruppe (MG), - Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD), - Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten e.V. (VVN-BdA), - antideutsche Gruppierungen und Strukturen. Hinsichtlich der anderen nachgefragten Personenzusammenschlüsse wird auf die Jahresberichte des LfV Hamburg verwiesen; https://www.hamburg.de/innenbehoerde/publikationen-verfassungsschutz/ 231572/verfassungsschutzberichte-pdf/.“1 Aus der Antwort des Senats geht nicht präzise hervor, welche Personenzusammenschlüsse in den abgefragten Jahren tatsächlich Beobachtungsobjekte des LfV waren, da aus den Jahresberichten nicht hervorgeht, ob einzelne erwähnte Organisationen einen, und wenn ja, welchen, (Beobachtungs-) Status haben. Außerdem ergeben sich aus der bisherigen Antwort weitere Nachfragen. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Aufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz Hamburg ist gemäß § 4 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz (HmbVerfSchG) die 1 Drs. 21/15820. Drucksache 21/15989 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Sammlung und Auswertung von Informationen über Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der verfassungsmäßigen Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des HmbVerfSchG sind gemäß § 5 Absatz 1 Nummer 3 HmbVerf- SchG solche politisch motivierten ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in § 4 Absatz 2 HmbVerfSchG genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Kraft zu setzen. Weitere „Einstufungen“ enthält das HmbVerfSchG nicht, es enthält insbesondere keine ausdrückliche Regelung hinsichtlich Prüffall, Verdachtsfall oder Beobachtungsobjekts. Mittelbar ergibt sich die Notwendigkeit der Prüffallbearbeitung indes aus dem oben genannten Beobachtungsauftrag in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Da das Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zur Beobachtung verpflichtet ist, muss es prüfen können, ob die Beobachtungsvoraussetzungen vorliegen. Das Landesamt hat insbesondere den Senat über Gefahren für die Schutzgüter des § 1 HmbVerfSchG zu informieren, § 4 Absatz 1 Satz 2 HmbVerfSchG. Darüber hinaus unterrichtet es mindestens einmal jährlich die Öffentlichkeit über Gefahren für die Schutzgüter des § 1 HmbVerfSchG, § 4 Absatz 1 Satz 4 HmbVerfSchG. Innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens ist das Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg bei der konkret-inhaltlichen Ausgestaltung des Verfassungsschutzberichts frei. Es besteht keine Pflicht zur Nennung sämtlicher verfassungsfeindlicher Bestrebungen. Der Verfassungsschutzbericht ist kein Rechenschaftsbericht, sondern dient der Aufklärung der Öffentlichkeit im Rahmen der Frühwarn- und Gefahrenabwehrfunktion des Verfassungsschutzes , wobei die Möglichkeit der eigenen Gewichtung und Schwerpunktsetzung , aber auch der Berücksichtigung von etwaigen Geheimschutzaspekten, eingeräumt ist. Gleiches gilt für Pressemitteilungen und Veröffentlichungen auf der Internetseite des LfV. Regelmäßig werden nur solche verfassungsfeindlichen Bestrebungen oder Tätigkeiten aufgenommen, die ein gewisses Gewicht erlangt haben und damit nicht nur unerhebliche Gefahren für die Schutzgüter der freiheitlich demokratischen Grundordnung begründen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welche Einstufungen existieren hinsichtlich einer Prüfung/eines „Prüffalles “/eines Verdachtsfalls/einer Beobachtung von Personenzusammenschlüssen /Organisationen/Strukturen/Einzelpersonen gemäß Hamburgischem Verfassungsschutzgesetzes (HmbVerfSchG)? Gibt es gegebenenfalls weitere Abstufungen/Kategorien? Bitte jeweils die Rechtsnorm angeben, auf die die entsprechende Einstufung bzw. Kategorisierung gestützt wird. 2. Insbesondere: Sieht das Hamburgische Verfassungsschutzgesetz (HmbVerfSchG) einen sogenannten Prüffall vor? 3. Auf welche Rechtsnormen wird – im Unterschied zu einer Prüfung beziehungsweise Beobachtung selbst – eine Veröffentlichung der Tatsache einer Prüfung/Beobachtung (gemäß den Ziffern 1. und 2.) gestützt, sei es durch Aufnahme in den VS-Bericht, sei es in anderer Form, beispielsweise durch eine Pressemitteilung oder Veröffentlichung auf der Internetseite des Verfassungsschutzes oder Ähnliches? Bitte einzeln für die Unterfälle gemäß Ziffern 1. und 2. (Prüfung, „Prüffall“, Verdachtsfall, Beobachtungsfall, gegebenenfalls weitere) aufschlüsseln. Siehe Vorbemerkung. 4. Welche Personenzusammenschlüsse/Organisationen/Strukturen/Einzelpersonen im Bereich „Linksextremismus“ wurden 2015, 2016, 2017 und 2018 gemäß Hamburgischem Verfassungsschutzgesetzes mit welcher Einstufung geprüft/beobachtet? Bitte hierzu tabellarisch die Personenzusammenschlüsse/Organisationen /Strukturen/Einzelpersonen jahrweise unter exakter Angabe ihrer Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15989 3 Einstufung (Prüfung, Beobachtung et cetera) und unter Angabe ihrer Erwähnung/Nichterwähnung im jeweiligen Verfassungsschutzbericht darlegen. Die Strukturen in den jeweiligen Teilspektren Autonome, autonome Antifaschisten, Antideutsche, Anarchisten und Antiimperialisten sind von einer großen Volatilität gekennzeichnet. Oft existieren Gruppierungen nur für eine kurze Zeit oder werden immer wieder unter neuem Namen aktiv. BO*/VSB** BO/VSB BO/VSB BO/VSB 2015 2016 2017 2018*** Antiimperialistische Gruppen - Roter Aufbau Hamburg, RAH - Sozialistische Linke, SoL - Bündnis gegen imperialistische Aggression, BgiA - Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen - Verein der Neuen Demokratie, VND - Projekt Revolutionäre Perspektive, PRP - Revolutionärer Aufbau BRD ja/ja ja/ja ja/ja ja/ja ja/ja ja/ja nein/nein ja/ja ja/ja ja/ja ja/ja ja/ja ja/ja ja/ja ja/ja ja/nein ja/nein ja/nein ja/ja ja/ja ja/nein ja/- ja/- ja/- ja/- ja/- ja/- ja/- Anarchisten - Freie Arbeiter Union, FAU ja/ja ja/ja ja/ja ja/ja ja/ja ja/nein ja/- ja/- Antideutsche Gruppierungen und Strukturen - Gruppe gegen Kapital und Nation Hamburg - Antinationale Antifa Altona - Gruppe für den organisierten Widerstand , GROW ja/nein nein/nein ja/nein ja/nein ja/nein nein/nein ja/ja ja/ja ja/nein ja/nein ja/nein ja/nein ja/- ja/- ja/- ja/- Autonome Szene/ Autonome Antifaschisten - Antifa 309 nein/nein ja/ja ja/ja ja/- Drucksache 21/15989 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 BO*/VSB** BO/VSB BO/VSB BO/VSB 2015 2016 2017 2018*** - a2 Hamburg - Antifa Altona-Ost - Ates.H -Rote Flora ja/ja nein/nein ja/ja ja/ja ja/ja nein/nein ja/nein ja/ja ja/ja nein/nein ja/nein ja/ja ja/- ja/- ja/- ja/- Deutsche Kommunistische Partei (DKP) ja/ja ja/ja ja/ja ja/- Interventionistische Linke (IL) ja/ja ja/ja ja/ja ja/- Marxistische Abendschulen (MASCH) ja/ja ja/ja ja/nein ja/- Marx21 ja/nein ja/nein ja/nein ja/- solid ja/ja ja/ja ja/ja ja/- Rote Hilfe ja/ja ja/ja ja/ja ja/- Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) ja/ja ja/ja ja/nein ja/- Sozialistische Alternative ja/ja ja/ja ja/nein ja/- Marxistisch- Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) ja/nein ja/nein ja/nein ja/- Marxistische Gruppe (MG) ja/nein ja/nein ja/nein ja/- Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten e. V. (VVN-BdA) ja/nein ja/nein ja/nein ja/- * BO = Beobachtungsobjekt ** VSB = Nennung im Verfassungsschutzbericht *** Der Jahresbericht 2018 wird gegenwärtig erstellt. Es ist noch nicht abschließend entschieden , welche Gruppierungen genannt werden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. Nach welchen Kriterien werden Personenzusammenschlüsse/Organisationen /Strukturen/Einzelpersonen im Bericht erwähnt beziehungsweise nicht erwähnt und gelten diese Kriterien für Personenzusammenschlüsse sämtlicher politisch/religiöser Spektren gleichermaßen? Bitte umfassend darlegen. Siehe Vorbemerkung. 6. Welche Anhaltspunkte und welche gesicherten Erkenntnisse liegen dem LfV hinsichtlich Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung durch den Verein VVN-BdA Hamburg vor? Die VVN-BdA ist eine bundesweit linksextremistisch beeinflusste Organisation im Bereich des Antifaschismus. Sie kooperiert seit Jahren mit anderen linksextremisti- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15989 5 schen, unter anderem auch autonomen Antifa-Gruppen und bringt ihr organisatorisches Potenzial in die Vorbereitung und Durchführung von Demonstrationen gegen Rechtsextremisten ein. Auch nach Feststellung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 07.02.2018 ist die VVN-BdA aufgrund des auf sie einwirkenden Einflusses der linksextremistischen „Deutschen Kommunistischen Partei“ (DKP) als linksextremistisch beeinflusste Organisation einzustufen. 7. Wer sind die Hauptakteure der VVN-BdA (Vorstand, Vorstandsmitglieder ) in Hamburg? Der Senat hat vor dem Hintergrund der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen keine rechtliche Grundlage, personenbezogene Daten zu übermitteln. 8. Welche Personenzusammenschlüsse/Organisationen/Strukturen/Einzelpersonen werden derzeit konkret unter der Bezeichnung „Antideutsche Gruppierungen und Strukturen“ beobachtet? Bitte die einzelnen Gruppierungen und Strukturen so exakt wie möglich benennen und verorten sowie ihre ideologische Ausrichtung und ihr Agitationsfeld beschreiben. „Antideutsche Strukturen“ verneinen jedwede Existenzberechtigung von Nationalstaaten . Dies gilt insbesondere für die Bundesrepublik Deutschland, da sie ein erneutes Erstarken des Nationalsozialismus befürchtet. Neben szenetypischen Zusammenkünften führen antideutsche Strukturen Kundgebungen oder Aktionen durch oder beteiligen sich an solchen. Thematisch beschäftigen sich auch Antideutsche wie andere Linksextremisten unter anderem mit den Themen Antiimperialismus, Antiglobalisierung und Antifaschismus. Im Übrigen siehe Antwort zu 4. 9. Wer sind die Hauptakteure der antideutschen Gruppierungen und Strukturen in Hamburg? Siehe Antwort zu 7. 10. Welche Personenzusammenschlüsse/Organisationen/Strukturen/Einzelpersonen werden derzeit hinsichtlich der „Marxistischen Gruppe“ beobachtet ? Bitte die ideologische Ausrichtung und das Agitationsfeld dieser Gruppierung beschreiben. Hervorgegangen ist die „Marxistische Gruppe“ (MG) aus der Studentenbewegung Ende der 1960er-Jahre in München. Nach einer öffentlichen Benennung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) erfolgte im Mai 1991 eine Scheinauflösung der MG, um der Beobachtung durch die Sicherheitsbehörden zu entgehen. In der Folgezeit trat diese Gruppierung unter Beibehaltung des bisherigen Spitzenpersonals und verschiedenen Tarnbezeichnungen auf, in Hamburg unter anderem unter dem Namen „Redaktion Gegenstandpunkt“ – abgeleitet von ihrer gleichnamigen Publikation – oder „Gruppe Kritik und Diskussion“, „Forum Gegenargumente“, „Arbeitslose Akademiker/Nachwuchsorganisation“ oder „Arbeitskreis Das Kapital“. Kennzeichnend für diese vorwiegend aus Akademikern bestehende Gruppe sind der hohe Abstraktionsgrad , mit dem politische Debatten (Kritik an der Marx‘schen Theorie, Abgrenzung zur DKP und anderen orthodoxen Kommunisten) geführt werden und ein ebenso hohes Maß an Konspiration. Mit zynisch-destruktiver Argumentation wird die rigorose Ablehnung des demokratischen Rechtstaats manifestiert. Die Führungspersonen sind zudem nicht durch demokratische Wahl legitimiert. Von dieser sektenartig agierenden Organisation gehen keine nennenswerten Aktivitäten aus. 11. Wer sind die Hauptakteure der „Marxistischen Gruppe“ (Vorstand, Vorstandsmitglieder ) in Hamburg? Siehe Antwort zu 7. 12. Welche Anhaltspunkte und welche gesicherten Erkenntnisse liegen dem LfV hinsichtlich Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung durch die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands in Hamburg vor? Drucksache 21/15989 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 Die MLPD ist eine im Jahre 1982 gegründete Partei, die sich nicht nur auf die Lehren Marx und Lenins beruft, sondern auch die Sichtweisen Maos und Stalins rezipiert. Sie ging aus den sogenannten K-Gruppen hervor. Diese Partei möchte mit revolutionären Methoden die bestehende politische Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland überwinden, um eine Diktatur des Proletariats zu errichten. Die MLPD ist eine sich in Dogmen verhaftete sektiererisch gebende Partei, die auch innerhalb des linken beziehungsweise linksextremistischen Spektrums weitgehend isoliert ist. In Hamburg verfügt sie über eine nur sehr kleine Mitgliederanzahl und ist öffentlich kaum präsent. Regelhaft tritt die MLPD bundesweit und daher auch in Hamburg mit Kandidaten zu Bundestagswahlen und zu Wahlen zum Europäischen Parlament an. 13. Wer sind die Hauptakteure der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (Vorstand, Vorstandsmitglieder) in Hamburg? Siehe Antwort zu 7.