BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/16004 21. Wahlperiode 05.02.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Deniz Celik (DIE LINKE) vom 30.01.19 und Antwort des Senats Betr.: Das kann doch nicht sein – Medizinische Bademeister/-innen und Masseure/-innen braucht es nicht mehr? Oder was tut der Senat da? Schleswig-Holstein macht es vor mit einem Beschluss zur Schulgeldfreiheit rückwirkend zum 01.01.2019 für medizinische Bademeister/-innen. Wie steht es mit Hamburg? „Aus meiner Sicht ist es ein Anachronismus, dass Schülerinnen und Schüler, die einen Mangelberuf erlernen wollen, auf den wir angewiesen sind, noch Geld für die Ausbildung mitbringen müssen“, sagte die Gesundheitssenatorin Cornelia-Prüfer-Storcks im Gesundheitsausschuss am 10.1.2019, Ausschussprotokoll Nummer 21/29. Im Antrag der Regierungsfraktionen, der am 16.01.2019 in der Bürgerschaft beschlossen wurde, bleiben aber einige Gesundheitsfachberufe wie Podologen/-innen und medizinische Bademeister /-innen ausgenommen. Im Antrag der Regierungsfraktionen lautet es, dass eine auf zwei Jahre befristete Landesförderung nicht für Schulen infrage kommt, die freiwillig auf einen Finanzierung aus dem Krankenhausgesetz verzichtet haben. Die Senatorin führte aber im Gesundheitsausschuss zu einem Förderprogramm für Schulgeldfreiheit an privaten Berufsfachschulen zudem noch aus: „Da wäre es das Ziel, allen Schülerinnen und Schülern an diesen privaten Berufsfachschulen, die eine Ausbildung in einem Mangelberuf im Gesundheitswesen absolvieren, eine kostenfreie Ausbildung zu gewährleisten. Sie sollten nicht schlechter gestellt sein als die Schülerinnen und Schüler, die an einer nach KHG finanzierten Schule lernen.“ (Ausschussprotokoll Nummer 21/29.) Ein an den Gesundheitsausschuss der Bürgerschaft, Frau Prüfer-Storcks und die Leiterin der Versorgungsplanung Frau Huster-Nowack adressierter, auf den 20.02.2019 datierter offener Brief der Schulleitung der Döpfer Schulen Hamburg aus dem Fachbereich Massage und medizinische Bademeister/ -innen betont die Relevanz von medizinischen Bademeistern/-innen und Masseuren/-innen. Es wird eine Teilnahme am Dialog angeboten und Besorgnis bezüglich der Bildungsgerechtigkeit von Schülern/-innen geäußert. Befürchtet wird eine Abwanderung der Schüler/-innen, zum Beispiel nach Schleswig-Holstein. So würde eine Mangelversorgung der Bürger/-innen aufrechterhalten . Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche politischen Maßnahmen und sonstigen Handlungen erwägt der Senat auf Basis des offenen Briefes der Döpfer Schulen Hamburg vom 20.02.2019? Wenn keine, warum nicht? Drucksache 21/16004 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Der Koalitionsvertrag auf Bundesebene sieht vor, im Rahmen eines Gesamtkonzepts für die Gesundheitsfachberufe das Schulgeld für alle Ausbildungen abzuschaffen. Ein solches Gesamtkonzept für die Gesundheitsfachberufe wird der Bund unter Mitwirkung der Länder voraussichtlich bis Ende 2019 erarbeiten. Der Senat setzt sich dafür ein, dass der Bund die Schulgeldfreiheit für alle Gesundheitsberufe bis 2019 umsetzt, sodass ab 2021 Schulgeldfreiheit für alle Gesundheitsfachberufe bestehen könnte. 2. In ihrer Rede in der Bürgerschaft am 16.1.2019 sagte Senatorin Prüfer- Storcks: „Wir konzentrieren uns auf die Berufe, die für das Gesundheitswesen in Hamburg relevant sind.“ Sie nannte (Ausschluss-)Kriterien, wonach die Gesundheitsfachberufe ausgewählt wurden, die vom Schulgeld befreit werden sollen, darunter „für die medizinische Versorgung nicht relevant“ und „Ausbildung wird über Umschulung bezahlt“, „werden nicht in Hamburg ausgebildet“ und „Finanzierung ist schon anderweitig geregelt“. a. Nach welchen Maßgaben wurde beurteilt, ob ein Gesundheitsfachberuf relevant für die medizinische Versorgung ist und welche Gesundheitsfachberufe wurden aus welchen Gründen als nicht relevant erachtet? b. Nach welchen Kriterien wurde beurteilt, welche Gesundheitsfachberufe für das Hamburger Gesundheitswesen relevant sind und welche Gesundheitsfachberufe wurden aus welchen Gründen als für Hamburg nicht relevant erachtet? c. Nach welchen Kriterien wurde eine Berufsausbildung als umschulungsfinanziert betrachtet und deshalb von einer Schulgeldbefreiung ausgeschlossen? (zum Beispiel prozentualer Anteil von Umschülern /-innen an den Ausbildungsjahrgängen, grundsätzliche Förderfähigkeit als Umschulung oder Anderes.) Bitte ausführen. Bei einer Herstellung von Schulgeldfreiheit durch öffentliche Zuwendungen ist es nach der Landeshaushaltsordnung erforderlich, dass die Freie und Hansestadt Hamburg an der Erfüllung des Zwecks ein erhebliches Interesse hat. Insoweit muss bei der Auswahl der geförderten Ausbildungen in den Gesundheitsfachberufen eine besondere Relevanz auf die medizinische Versorgungssituation in Hamburg gelegt werden. Für die Berufsgruppen der Physiotherapeutinnen und -therapeuten sowie in der Sprachtherapie stellt die Fachkräfteengpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit (https://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Arbeitsmarktberichte/ Fachkraeftebedarf-Stellen/Fachkraefte/BA-FK-Engpassanalyse.pdf, Stand Juni 2018) für alle Bundesländer einen Fachkräftemangel fest. Nach Rückmeldungen der Verbände und Krankenhäuser in Hamburg ist die Situation im Bereich Ergotherapie ähnlich problematisch. Der Fachkräftemangel für diese Gesundheitsberufe hat von daher eine besondere Relevanz für die medizinische Versorgung in Hamburg. Hinzu kommt, dass die Geriatrie und die neurologische Frührehabilitation in Hamburg sehr gut ausgebaut sind und auch einige spezialisierte Krankenhäuser (wie zum Beispiel das BG Klinikum Hamburg , Schön Klinik Hamburg Eilbek) einen besonders hohen Bedarf an entsprechenden Therapeutinnen und Therapeuten haben. Ferner sind diese Berufe fast ausschließlich auf der Grundlage ärztlicher Verordnungen tätig und sind insofern integrativer Bestandteil der gesundheitlichen Versorgung. Der Einsatz von medizinischen Bademeisterinnen und Masseurinnen beziehungsweise des medizinischen Bademeisters und Masseurs dagegen ist nicht auf die medizinische Versorgung beschränkt, sondern der Einsatz erfolgt auch in privaten Einrichtungen außerhalb des Gesundheitswesens wie zum Beispiel Schwimmbädern oder Wellnesshotels . Das gleiche gilt für die Podologinnen und Podologen, die oft in der kosmetischen Fußpflege tätig sind. Die geringere Relevanz der Ausbildung medizinischer Bademeisterin und Masseurin beziehungsweise medizinischer Bademeister und Masseure für die gesundheitliche Versorgung zeigt sich auch dadurch, dass für diesen Beruf nach § 2 Absatz 1a KHG Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/16004 3 die Finanzierung von Schulen, deren Ausbildungsstätten mit Krankenhäusern verbunden sind, anders als für 13 andere Gesundheitsberufe nicht vorgesehen ist. Im Übrigen wird auf die Drs 21/15866 verwiesen. 3. Wie viele ärztliche Indikationen für Behandlungen bei Masseuren/ -innen/medizinischen Bademeistern/-innen gab es seit 2015? (Bitte aufgliedern nach Jahr, Anzahl der Indikationen, Anzahl der Patienten/-innen, die die Indikation benötigen, Bezeichnung der Indikation laut Heilmittelkatalog .) Diese Zahlen werden nicht erfasst und können deshalb nicht ausgewertet werden. 4. Welche Weiterqualifikationsmöglichkeiten ergeben sich durch den Abschluss der Ausbildung zum/zur medizinischen Bademeister/in/ Masseur/in? Als Weiterqualifikationsmöglichkeit kommt eine Ausbildung zur Physiotherapeutin beziehungsweise zum Physiotherapeuten in Betracht. 5. Im Antrag der Regierungsfraktionen zur Schulgeldfreiheit der therapeutischen Gesundheitsfachberufe (Drs. 21/15593) lautet es, dass eine auf zwei Jahre befristete Landesförderung nicht für Schulen infrage kommt, die freiwillig auf einen Finanzierung aus dem Krankenhausgesetz verzichtet haben. Gibt es bereits Kenntnisse des Senats von Schulen, die freiwillig auf eine Finanzierung verzichtet haben? Wenn ja, welche Schulen welcher Gesundheitsfachberufe betrifft das und was sind die Sachgründe? Wenn nein, warum nicht? Nein. 6. Was wird aus den Berufsschulen, die Ausbildungen anbieten wie die der medizinischen Bademeister/-innen/Masseure/-innen, die eine Förderung nach dem KHG-Gesetz nicht in Anspruch nehmen können? Siehe Antwort zu 1. 7. In meiner Schriftlichen Kleinen Anfrage an den Senat (Drs. 21/15866) wurde die Frage nach Übernahme der Schulgelder oder des Lebensunterhalts nicht so beantwortet, dass ersichtlich wurde, ob auch Schulgelder übernommen wurden. Deshalb frage ich erneut: Bekamen die Auszubildenden , die eine Förderung über Arbeitsagentur/Jobcenter, Rentenversicherung oder Berufsförderungsdienst bekamen, eine vollständige oder teilweise Förderung des Schulgeldes oder des Lebensunterhalts oder beides? Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Anzahl der Personen, Angabe ob vollständige oder teilweise Schulgeldübernahme oder/und Lebensunterhalt und Förderinstitution. 8. Bekamen die Auszubildenden, die BAföG bezogen haben, auch das Schulgeld gefördert? Falls ja, muss diese Förderung nach Abschluss der Ausbildung zurückgezahlt werden? Genaue Daten über den Umfang der einzelnen Förderungen können nicht erhoben werden. Die Förderbedingungen betreffen das Rechtsverhältnis zwischen Auszubildender beziehungsweise Auszubildendem und fördernder Institution (zum Beispiel Agentur für Arbeit). 9. Wie gedenkt der Senat mit über der Hälfte der Auszubildenden für den Beruf medizinische/r Bademeister/in oder Masseur/in zu verfahren, die nicht über eine Umschulung eine Finanzierung bekommen (siehe meine Schriftliche Kleine Anfrage dazu, Drs. 21/15866)? 10. Wenn es weiterhin keine Schulgeldfreiheit für die Ausbildung zur/zum medizinischen Bademeister/in/Masseur/in gibt, droht die Gefahr, dass Drucksache 21/16004 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 die Auszubildenden und Fachkräfte in andere Bundeländer abwandern. Welche politischen Maßnahmen hat der Senat, um dem entgegenzuwirken ? Siehe Antwort zu 1. 11. Senatorin Prüfer-Storcks sagte am 10.1.2019 im Gesundheitsausschuss: „Die medizinischen Bademeister in Schleswig-Holstein vor dem Hintergrund , dass sie in den dortigen Rehakliniken Einsatz finden. Das ist aber bei uns in den Akutkrankenhäusern nicht der Fall.“ Ausschussprotokoll Nummer 21/29. Im offenen Brief der Döpfer Schulen Hamburg vom 20.2.2019 lautet es aber, dass auch medizinische Bademeister/-innen auf ärztliche Verordnungen hin arbeiten und in den stationären Krankenhäusern der Stadt Hamburg arbeiten. In wie vielen Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken und -zentren sowie ambulanten Einrichtungen werden medizinische Bademeister/-innen beziehungsweise Masseure/ -innen seit 2015 eingesetzt? (Bitte aufgliedern nach Einrichtung, Träger, Anzahl der medizinischen Bademeister/-innen/Masseure/-innen, Jahr). Eine Abfrage von über 5 000 vertragsärztlich tätigen Ärztinnen und Ärzten war in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Bearbeitungszeit nicht möglich. Soweit die Hamburger Plankrankenhäuser Daten in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit übermittelt haben, werden Beschäftigte mit der Ausbildung zum medizinischen Bademeister und Masseur wie folgt eingesetzt: Krankenhaus Beschäftigte mit der Ausbildung zum medizinischen Bademeister und Masseur Stand 2018 Vollkräfte/VK Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg 5,26 Albertinen Krankenhaus/Albertinen Haus 13,72 Asklepios Klinik Barmbek 0,25 Asklepios Klinik Harburg 2,46 Asklepios Klinik St. Georg 4,50 Asklepios Klinik Wandsbek 4,75 Asklepios Westklinikum Hamburg 2,64 Bethesda Krankenhaus Bergedorf 1,00 BG Klinikum Hamburg 17,99 Ev. Amalie Sieveking Krankenhaus 1,75 Kath. Marienkrankenhaus 9,67 Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf 2,52 Wilhelmsburger Krankenhaus Groß Sand 5,44 Eingesetzt werden medizinische Bademeister und Masseure in folgenden Bereichen: klassische Massage (insbesondere im Bereich Palliativ, Geriatrie beziehungsweise bei langer Liegedauer), manuelle Lymphdrainage (insbesondere in den Bereichen Onkologie, Gefäßmedizin , Geriatrie, Unfallchirurgie), Elektrotherapie (Schmerzlinderung, Muskelstimulation), Wärmeanwendungen (insbesondere Geriatrie). Diese Aufgaben könnten nach Darstellung der Krankenhäuser auch von Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten wahrgenommen werden, die vielseitiger einsetzbar wären. Die für entsprechende Tätigkeiten bevorzugte Berufsgruppe sei daher die der Physiotherapie.