BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/16042 21. Wahlperiode 08.02.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Michael Kruse (FDP) vom 31.01.19 und Antwort des Senats Betr.: Gasnetz Hamburg GmbH – Keine Aufsicht durch Senator Jens Kerstan? Im Dezember 2018 meldete die Deutsche Energie GmbH (DEG) inklusive ihrer Tochterunternehmen Insolvenz an. Die Gasnetz Hamburg GmbH (GNH) kündigte zwar unverzüglich die Verträge mit dem Anbieter, informierte aber nicht ihre Hamburger Netzkunden darüber. Dadurch konnten diese unter anderem Lastschriften nicht mehr rechtzeitig stornieren. Den dadurch entstandenen finanziellen Schaden müssen jetzt in vielen Fällen die Mieter der betreffenden Objekte tragen. Darüber hinaus fallen die betreffenden Kunden/ Mieter in die teure Grundversorgung, was zu zusätzlichen Kosten führt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Aufgrund der Regelungen des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) und der sonstigen Bestimmungen zur Grund- und Ersatzversorgung ist die Versorgung der Endkunden auch bei Insolvenzen von Gaslieferanten zu jedem Zeitpunkt gesichert. Gemäß EnWG erfolgt bei Ausfall eines Gaslieferanten die weitere Gaslieferung zunächst durch den Grundversorger. So wie im Insolvenzfall der DEG trifft den Grundversorger hierbei eine Versorgungspflicht. Zum weiteren Vorgehen im Falle einer Insolvenz eines Gaslieferanten siehe auch Antworten zu 3. und 4. Dies vorausgeschickt beantwortet der Senat die Fragen, teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Gasnetz Hamburg GmbH (GNH), der Hamburger Wasserwerke GmbH (HWW), der Hamburger Stadtentwässerung AöR (HSE) sowie des Norddeutschen Rundfunks (NDR), wie folgt: 1. Welche Firmen, die Gas auch im Verteilnetzgebiet der GNH beziehungsweise ihrer Rechtsvorgängerin angeboten haben, gingen in den vergangenen fünf Jahren jeweils wann genau pleite beziehungsweise stellten einen Insolvenzantrag? Firma Eröffnung Insolvenzverfahren AC Biogas GmbH 01.12.2014 sanogas GmbH 03.03.2014 Care Energy AG 16.08.2017 servenergy GmbH 31.01.2018 EnVersum GmbH 01.04.2018 Die Energieagenten Versorgungs GmbH 01.08.2018 Enerco System GmbH&Co KG 01.09.2018 Deutsche Erdgas Versorgungs GmbH 01.10.2018 e:veen Energie eG 01.10.2018 DEG Deutsche Energie GmbH 28.12.2018 (vorläufige Eigenverwaltung ) BEV Bayerische Energieversorgung 29.01.2019 Drucksache 21/16042 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Wie viele Gaskunden waren hiervon im Verteilnetzgebiet der GNH beziehungsweise ihrer Rechtsvorgängerin jeweils betroffen? Von den Insolvenzen waren in den Jahren 2014 bis 2019 insgesamt 2 726 Gaskunden betroffen. Von einer Zuordnung auf die einzelnen Lieferanten wird aufgrund der Entflechtungsvorschriften nach §§ 7 fortfolgende (EnWG) sowie der Datenvertraulichkeit der Vertragsinhalte zwischen Lieferant und Netzbetreiber abgesehen. 3. Jeweils wann genau und auf jeweils welchem Wege wurden die unter 2. aufgeführten Kunden seitens GNH beziehungsweise ihrer Rechtsvorgängerin über die jeweilige Insolvenz informiert? Sofern eine entsprechende Information der Kunden in einzelnen Fällen nicht erfolgt sein sollte: Aus jeweils welchen Gründen erfolgte dies nicht? Die erfragten Daten liegen der GNH nicht oder nur teilweise vor. Über die Vorbemerkung hinaus wird das grundsätzliche Vorgehen bei Insolvenzfällen exemplarisch anhand des Falles der DEG dargestellt: Der Marktgebietsverantwortliche GASPOOL Balancing Services GmbH hat den Bilanzkreisvertrag der DEG Deutsche Energie GmbH zum 22. Dezember 2018, 6.00 Uhr, außerordentlich gekündigt. Auf Antrag der DEG hat das Amtsgericht Heilbronn (AZ: 10 IN 921/18) am 28. Dezember 2018 die vorläufige Eigenverwaltung angeordnet . Nach Kenntnis der Kündigung des Bilanzkreisvertrages (BKV) am 22. Dezember 2018 hat GNH systemseitig und unverzüglich die erforderlichen Schritte zur Information der Netzkunden über deren Ersatzversorgung eingeleitet. Die an alle betroffenen Kunden versandte Information enthielt eine Kundenselbstablesekarte (KSA) mit der Bitte, den aktuellen Zählerstand abzulesen. Im beigefügten Schreiben informierte GNH die Kunden, dass eine weitere Belieferung durch die DEG nicht mehr möglich ist und der zuständige Ersatzversorger die Belieferung übernommen hat. Aufgrund der Feiertage gingen die Sendungen bis 4. Januar 2019 in den Postweg. Es gibt keinen Automatismus zur Beendigung der Vertragsbeziehungen zwischen GNH und dem entsprechenden Lieferanten. Nach dem Lieferantenrahmenvertrag ist der Lieferant gegenüber dem Netzbetreiber verpflichtet, bilanzierungsrelevante Informationen mitzuteilen. Bei einer Kündigung des Bilanzkreisvertrages wird GNH auch vonseiten des Marktgebietsverantwortlichen GASPOOL Balancing Services GmbH informiert. Nach Bekanntwerden einer Kündigung des BKV erfolgt die Information des Grundversorgers über die elektronischen Marktprozesse umgehend. Beim Versand der KSA können die Bearbeitungszeiten aufgrund von Qualitätsprüfungen und Auftraggeber-/ -nehmer-Prozessen schwanken. In der Regel beträgt die Bearbeitungszeit drei bis vier Arbeitstage. Während die Information bei den Kunden einging, war für die DEG die vorläufige Eigenverwaltung angeordnet. Über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens war zu diesem Zeitpunkt noch nicht entschieden worden. Bei einer Eigenverwaltung gemäß §§ 270 fortfolgende Insolvenzordnung bleibt das Unternehmen – unterstützt durch einen Sachwalter – verwaltungs- und verfügungsbefugt. Fällige Zahlungen mussten die Kunden daher weiter direkt an die DEG leisten. Darüber hinaus wurde der Lieferantenrahmenvertrag zu keinem Zeitpunkt gekündigt. Somit hat GNH die Kunden unverzüglich über den Wegfall der Netzzugangsberechtigung der DEG und die Ersatzversorgung unterrichtet. Zusätzlich zum Netzbetreiber ist der Grundversorger nach § 3 Gasgrundversorgungsverordnung verpflichtet, die Kunden über den Eintritt in die Ersatzversorgung zu informieren. Zum Versand der Information an die Kunden der insolventen Lieferanten liegen der GNH derzeit folgende Informationen vor: Firma Kündigung BKV/LRV Versand Ablesekarte servenergy GmbH 9.10.2017 19.10.2017 EnVersum GmbH 10.03.2018 14.03.2018 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/16042 3 Firma Kündigung BKV/LRV Versand Ablesekarte Die Energieagenten Versorgungs GmbH 10.04.2018 10.04.2018 Deutsche Erdgas Versorgungs GmbH 18.07.2018 20.07.2018 DEG Deutsche Energie GmbH 22.12.2018 04.01.2019 BEV Bayerische Energieversorgung 01.02.2018 04.02.2019 Die Versanddaten der KSA an die Kunden der AC Biogas GmbH, der sanogas GmbH sowie der Care Energy AG liege der GNH nicht vor und konnten in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht ermittelt werden. Bei der e:Veen Energie EG und der Enerco Systems GmbH & Co. KG kam es zu keinem Versand von KSA, da hier nach wie vor Kunden in der Belieferung sind. 4. Wie viele der unter 2. aufgeführten Kunden waren auch noch drei sowie sechs Monate nach der Insolvenz des jeweiligen vorherigen Versorgers in der Grundversorgung? Jeder Kunde ist während der Ersatzversorgung berechtigt, seinen Energielieferanten frei zu wählen. Im Sinne des § 3 Gasgrundversorgungsverordnung weist der Grundversorger zu diesem Zeitpunkt die Kunden darauf hin, dass sie für drei Monate ersatzversorgt werden und in diesem Zeitraum ein Versorgungsverhältnis mit einem anderen Lieferanten abschließen können oder anschließend grundversorgt werden. Daten darüber, wie viele Kunden infolge einer Insolvenz eines Lieferanten in der Grundversorgung verblieben sind, sind statistisch nicht erfasst und können in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage nicht aufbereitet werden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. In welchen der unter 1. aufgeführten Fälle wurde der Aufsichtsrat der GNH beziehungsweise ihrer Rechtsvorgängerin hierüber jeweils wann genau informiert beziehungsweise hat sich der Aufsichtsrat jeweils wann genau informieren lassen? Der Aufsichtsrat der GNH wurde in den Jahren 2018 und 2019 nicht über Insolvenzen von Lieferanten informiert. In diesem Zeitraum ereigneten sich keine Insolvenzen von berichtspflichtigem Ausmaß. 6. Wie stellt GNH sicher, dass sie unverzüglich über die Insolvenz von Gasversorgern in Kenntnis gesetzt wird und diese Information auch zeitnah die Hamburger Gasnetzkunden erreicht? GNH versendet unverzüglich nach Kenntnis des Wegfalls der Netzzugangsberechtigung eines Lieferanten eine Kundenselbstablesekarte (KSA) mit der Bitte, den aktuellen Zählerstand abzulesen. Diese werden systemseitig erzeugt, qualitätsgesichert und freigegeben. Das zugehörige Schreiben enthält den Hinweis darauf, dass die weitere Belieferung durch den bisherigen Anbieter nicht mehr möglich ist und der zuständige Ersatzversorger die Belieferung übernommen hat. 7. Welche Dienststellen, öffentliche Unternehmen und sonstige Einrichtungen der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) waren zum Zeitpunkt der Insolvenz Strom- oder Gas-Kunden der DEG? Inwieweit waren insbesondere Hamburger Stadtentwässerung AöR (HSE) und Elbphilharmonie sowie der NDR mit jeweils welcher Vertragslaufzeit noch Kunden der DEG? a. Wann genau haben sie auf jeweils welchem Wege von der Insolvenz der DEG erfahren? b. Welche Maßnahmen wurden daraufhin jeweils wann genau durch wen eingeleitet? Inwieweit müssen Neuausschreibungen vorgenommen beziehungsweise vorgezogen werden? Drucksache 21/16042 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 c. Wann wurden jeweils Geschäftsführung und Aufsichtsrat erstmals über die Insolvenz des bisherigen Energielieferanten DEG informiert ? d. Welche Mehrkosten entstehen den genannten Einrichtungen beziehungsweise Unternehmen durch die Insolvenz des bisherigen Energielieferanten DEG? Zum Zeitpunkt der Insolvenz waren die HWW, die HSE sowie der NDR mit einer Vertragslaufzeit bis zum 31. Dezember 2019 Kunden der DEG. Eine erste Information der HWW und der HSE erfolgte per E-Mail der DEG vom 21. Dezember 2018. Der Anschlussvertrag für die Gaslieferung ab 2020 für die HWW und die HSE war Ende 2018 ausgeschrieben und neu vergeben worden. Unter Rückgriff auf die dort erzielten Bedingungen und Preise wurde der neue Lieferant mit separatem Auftrag, auch für den Zeitraum 22. Dezember 2018 bis 31. Dezember 2019, beauftragt. Die Geschäftsführung wurde zeitnah informiert. Laut den Statuten von HAMBURG WASSER ist der Aufsichtsrat nur dann zu informieren, wenn eine besondere Auswirkung auf die wirtschaftliche Situation entsteht. Durch den Insolvenzfall der DEG entstehen keine Mehrkosten. Der NDR hat von seinem Energieberater VEA, dem Bundesverband der Energie- Abnehmer e.V. am 20. Dezember 2018 von einer drohenden Insolvenz erfahren. Eine offizielle Mitteilung der DEG und des eingesetzten Insolvenzverwalters erfolgte am 10. Januar 2019. Die betroffenen Fachbereiche und die Leitung des Hauses wurden umgehend in Kenntnis gesetzt. Am 10. Januar 2019 erfolgte seitens des NDR eine außerordentliche Kündigung des bestehenden Vertrags mit sofortiger Wirkung. Nach einer Marktabfrage zum Abschluss eines gegenüber der Grundversorgung wirtschaftlich günstigeren Interimsvertrags bis zum Abschluss eines erneuten europaweiten Vergabeverfahrens für die Gas-Lieferungen wurde mit der Firma EON rückwirkend ein Vertrag zum 23. Dezember 2018 bis zum 31. Mai 2019 geschlossen. Es werden Mehrkosten entstehen, deren Höhe derzeit noch nicht bezifferbar ist.