BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/16154 21. Wahlperiode 19.02.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Sabine Boeddinghaus und Mehmet Yildiz (DIE LINKE) vom 11.02.19 und Antwort des Senats Betr.: Nachfragen zu Drs. 21/15904 Soziale Infrastruktur: Situation der Kinderschutzhäuser und der Bereitschaftspflege Ende 2017 hat die Stadt Hamburg die Zahl der Plätze in Kinderschutzhäusern auf 106 Plätze erhöht. 2016 gab es erst 65 Plätze. Die Anzahl der Einrichtungen ist auf neun Standorte zu diesem Zeitpunkt gestiegen. Im Jahresbericht 2017 des Landesbetriebes Erziehung und Beratung ist auf Seite 5 zu lesen: „Aus dem Engpass im Herbst 2016 haben wir noch eine weitere Konsequenz gezogen: Ende 2017 wurde ein neues Anfragemanagement installiert . Seither sind Belegungsanfragen der Jugendämter an das zentrale Anfragemanagement zu richten.“ Damit hat der Senat auf die damalige Kritik von ASD und Opposition reagiert. Denn in der Tat war es damals zeitweise schwierig, bei Notfällen Kinder in Kinderschutzhäusern unterzubringen. Im Bericht des Familien-, Kinder- und Jugendausschusses (Drs. 21/7290) spricht die Fachbehörde auf Seite 4 auch davon, dass es schwierig sei, „gutes Fachpersonal einzustellen“. An anderer Stelle des Berichtes (Seite 5) gibt die Fachbehörde zu Protokoll, dass ein Drittel der Plätze durch Langzeitfälle blockiert sei. Auch in der Bereitschaftspflege waren damals nur 40 Plätze vorhanden, sodass auch hier Nachsteuerungsbedarf gegeben war. Aus den Antworten des Senates beziehungsweise der Fachbehörde auf unsere Anfrage und die Berichterstattung in der „tageszeitung“ Hamburg vom 9. Februar 2019 ergeben sich Nachfragen. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften der PFIFF gGmbH wie folgt: I Kinderschutzhäuser 1. In der Schriftlichen kleinen Anfrage 21/15904 hatten wir in Frage 1. nach den für die Jahre 2016 – 2018 veranschlagten Haushaltsmitteln gefragt und um die Zuordnung zu den jeweiligen Einrichtungen gebeten. Diese Zahlen wurden nicht geliefert. Wir bitten erneut um tabellarische Zuordnung von Einrichtungen und jeweiligen Haushaltsmitteln für die Jahre 2016 – 2018. In den Haushaltsplanungen der Freien und Hansestadt Hamburg werden jährlich Mittel berücksichtigt für alle Kinderschutzhäuser. Eine weitere Zuordnung zu einzelnen Einrichtungen erfolgt nicht. Im Übrigen siehe Drs. 21/15904. Drucksache 21/16154 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. In der Antwort auf Frage 7., ob von den Fachkräftevorgaben abgewichen werden darf, antwortete der Senat mit „Nein. Die anspruchsvolle Arbeit in den Kinderschutzeinrichtungen des LEB setzt eine formale pädagogische Qualifikation voraus.“ Warum wird mit dem Einsatz von Security genau das getan? Pädagogisches Arbeiten setzt immer eine formale pädagogische Qualifikation voraus, über die alle pädagogischen Fachkräfte in den Kinderschutzeinrichtungen verfügen. Dies trifft für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes nicht zu; sie übernehmen keine pädagogischen Aufgaben. Im Übrigen siehe Drs. 21/14054. 3. In Frage 8. hatten wir gefragt, ob in Hamburgs Kinderschutzhäusern Security eingesetzt wird oder wurde. Dies beantwortete der Senat mit nein. Wie in der „tageszeitung“ vom 9. Februar zu lesen war, gibt es nach Aussage des Pressesprechers der BASFI und auch nach unseren Informationen den Einsatz von Security in den Kinderschutzgruppen für Sechs- bis Zwölfjährige, die im Jahresbericht des LEB auch als Kinderhäuser bezeichnet werden. Warum wurde die Frage nach Anwesenheit von Security in der Schriftlichen Kleinen Anfrage 21/15904 verneint? Kinderschutzhäuser sind Einrichtungen für Kinder im Alter von null bis sechs Jahren. Hier kamen keine Sicherheitskräfte zum Einsatz. Deshalb hat der Senat die Frage verneint. 4. Wann wurde Security in den Kinderschutzgruppen für Sechs- bis Zwölfjährige erstmals eingesetzt? Waren auch noch kleinere Kinder bei diesen Einsätzen anwesend? 5. In welchen Zeiträumen wurde Security in diesen Kinderschutzgruppen für Sechs- bis Zwölfjährige eingesetzt? Bitte mit Datum Beginn und Ende getrennt nach beiden Häusern aufführen. 6. Wann beginnt und wann endet die Schicht des Security-Mitarbeiters? Bitte getrennt für beide Häuser aufführen. 7. Welche Aufgaben haben die Security-Mitarbeiter in den Kinderschutzgruppen ? 8. Kann der Senat beziehungsweise die Fachbehörde ausschließen, dass Security pädagogische Aufgaben übernimmt? Durch welche Vorgaben wird das sichergestellt? In der Kinderschutzgruppe Rohrammerweg erfolgte der Einsatz vom 28.08.2018 bis zum 16.09.2018, und zwar jeweils von 14 bis 22 Uhr an den Werktagen montags bis freitags und an den Wochenenden von 12 bis 22 Uhr. In diesem Zeitraum befanden sich auch ein vier- und ein fünfjähriges Kind in der Einrichtung. In der Kinderschutzgruppe Rothenhäuser Damm erfolgte der Einsatz vom 18.10.2018 bis zum 23.10.2018 jeweils täglich von 14 bis 23 Uhr. Anschließend erfolgte ein weiterer Einsatz am 1.11.2018 von 16 bis 21 Uhr und ab 12.11.2018 fortlaufend bis heute von 13 bis 21 Uhr. Es ist jeweils ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes vor Ort in der Kinderschutzgruppe Rothenhäuser Damm und in der Kinderschutzgruppe Rohrammerweg im Einsatz. Dieser Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes hält sich räumlich im Hintergrund auf. Bei Konflikteskalationen mit Gefährdungspotenzial, denen nicht mehr durch Deeskalation von pädagogischen Fachkräften Einhalt geboten werden kann, werden Sicherheitskräfte hinzugerufen. Sie zeigen Präsenz und deeskalieren in Gefahrensituationen . Der Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes in den jeweiligen Kinderschutzgruppen ist nie ohne das pädagogische Fachpersonal tätig und hat eine klare Anweisung, dass pädagogische Aufgaben durch ihn nicht übernommen werden dürfen. Dies ist durch die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/16154 3 Anordnung des Sicherheitsdienstleister gegenüber seinen Beschäftigten auf Basis des Dienstleistungsvertrages sichergestellt. Im Übrigen siehe Drs. 21/14054. 9. Gehören das Festhalten von Kindern in den Einrichtungen und das Streitschlichten nicht zur pädagogischen Arbeit? Wie ist die Haltung der Fachbehörde beziehungsweise des Senates zu dieser Frage? 10. Warum können diese Aufgaben nicht mehr von den pädagogischen Fachkräften übernommen werden? Grundsätzlich gehört auch der Umgang mit Konflikten, das Streitschlichten und Beruhigen eines Kindes mit körperlichem Kontakt zu den Aufgaben der pädagogischen Fachkräfte. In besonderen Einzelfällen und eskalierten Situationen ist eine pädagogische Zugänglichkeit aber nicht mehr gegeben. Zeigen Kinder ein hoch aggressives und gewalttätiges Verhalten, dem allein durch pädagogische Intervention nicht begegnet werden kann, kann in diesen Situationen der Sicherheitsdienst durch seine Präsenz und deeskalierende Intervention das pädagogische Handeln der Betreuerinnen und Betreuer unterstützen. 11. Wird es jedes Mal schriftlich dokumentiert, wenn ein Security-Mitarbeiter ein Kind festgehalten hat? Außergewöhnliche Vorfälle, das heißt auch solche mit Gewalt, werden dokumentiert. In der Dokumentation werden der Ablauf und die Beteiligten benannt, also auch, ob und wie ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes involviert war. 12. Wie oft kam es seit Beginn des Security-Einsatzes vor, dass ein Security -Mitarbeiter ein Kind festhalten musste? Bitte einzeln die Vorkommnisse aufführen. 13. Wie alt war das jüngste Kind, das von einem Security-Mitarbeiter festgehalten wurde? Wie alt war das älteste Kind? Da die hier erfragten Informationen jeweils nur auf eine Person zutreffen, wären die betroffenen Personen anhand dieser Informationen, zumindest für Stellen mit Zusatzkenntnissen , identifizierbar. Die erfragten Informationen haben deshalb Personenbezug (vergleiche Artikel 4 Nummer 1 DS-GVO). Es handelt sich damit um geschützte Sozialdaten im Sinne der §§ 35 SGB I, 61 ff SGB VIII, 67 ff SGB X, die der Senat gemäß § 67 b Absatz 1 SGB X nur bei Vorliegen einer gesetzlichen Übermittlungsbefugnis im SGB oder gemäß Artikel 6 Absatz 1 S. 1 Buchst. a DS-GVO mit Einwilligung der Betroffenen weitergeben darf. Das SGB enthält keine Übermittlungsbefugnis zugunsten der Beantwortung Parlamentarischer Anfragen. Eine Einwilligung der Betroffenen zur Datenübermittlung liegt nicht vor. Der Senat ist daher aus Gründen des Sozialdatenschutzes nach § 35 SGB I, §§ 61 ff SGB VIII, §§ 67 ff SGB X an der Beantwortung der Fragen in der erfragten Detaillierung gehindert. Eine Antwort ist daher nur wie folgt zusammengefasst möglich: Es kam im Zeitraum vom 29.08.2018 bis 09.02.2019 insgesamt 21 Mal vor, dass Kinder von Security-Mitarbeitern festgehalten wurden. 14. Wie sind die Security-Mitarbeiter im Dienst gekleidet? Die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes tragen Dienstkleidung, um in ihrer Rolle klar erkennbar zu sein. 15. Vor dem Hintergrund der anspruchsvollen Arbeit in den Kinderschutzhäusern beziehungsweise Gruppen, wie ist hoch ist die Krankenrate in den Einrichtungen? Bitte tabellarisch auflisten nach Einrichtung, Anzahl der Mitarbeiter/-innen in der jeweiligen Einrichtung und der Jahreskrankenrate . Siehe Anlage. Drucksache 21/16154 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 16. In Frage 18. hatten wir nach besonderen Vorkommnissen gefragt. In drei Fällen wurde der Betreute als Opfer einer Köperverletzung genannt. Geschah die Körperverletzung durch ein anderes Kind oder erfolgte die Verletzung durch eine Fachkraft, einen Security oder einen anderen Erwachsenen? 17. In zwei Fällen erfolgte ein Übergriff auf einen Betreuer. Waren die Verursacher Kinder oder andere Erwachsene? In vier Fällen waren Kinder die Verursacher, in einem weiteren Fall handelte es sich um einen Verdacht, der im Weiteren nicht bestätigt werden konnte. Deshalb blieben die konkrete Situation und damit auch der mögliche Verursacher unklar. Im Übrigen siehe Antwort zu 13. II Bereitschaftspflege 18. In Antwort auf Frage 24. antwortet der Senat: „Die zuständige Behörde sieht einen weiteren Bedarf an Bereitschaftspflegestellen. Deshalb hat sie mit den Bezirksämtern Altona, Wandsbek, Eimsbüttel und Bergedorf einen Ausbau von bezirklichen Bereitschaftspflegestellen vereinbart. Zudem hat die zuständige Behörde mit dem Träger PFIFF gGmbH, der im Rahmen seiner Zuwendung hamburgweit für die Öffentlichkeitsarbeit, Werbung und Akquise für die Hamburger Pflegekinderhilfe zuständig ist, einen „Schwerpunkt Bereitschaftspflege“ vereinbart. So sollen mit gezielten Maßnahmen weitere Bereitschaftspflegefamilien gewonnen werden.“ Um welche gezielten Maßnahmen handelt es sich? Die Öffentlichkeitsarbeit für die Hamburger Pflegekinderhilfe durch den Träger PFIFF gGmbH spricht mit allen Werbeaktionen auch gezielt potenzielle Bereitschaftspflegepersonen an. Im Internet werden hierfür spezielle Seiten zu dem Thema bereitgestellt: https://www.hamburg.de/pflegekinder/4974436/bereitschaftspflege/, https://www.bereitschaftspflege.info/. Zudem wird fortlaufend über Artikel in den Printmedien, unter anderem den Hamburger Wochenblättern, und in Fernsehbeiträgen für das Thema geworben. Darüber hinaus hat sich die Präses der zuständigen Behörde im Januar 2018 in einem persönlichen Schreiben an alle Pflegepersonen gewandt, sich für ihr Engagement ausdrücklich bedankt und gezielt für die Bereitschaftspflege geworben. Insgesamt handelt es sich um einen fortlaufenden Prozess, in dem mit dem Träger PFIFF gGmbH und den weiteren Beteiligten in der Hamburger Pflegekinderhilfe ergänzende und neue bedarfsgerechte Maßnahmen für die Werbung besprochen und vereinbart werden. Im Übrigen siehe Drs. 21/9608. 19. Gibt es Zielvorgaben? Wenn ja, wie viele Plätze werden für die genannten Bezirke als Zielvorgaben vereinbart? Wenn nein, warum werden keine Zielvorgaben gesetzt? Für den Träger PFIFF gGmbH gilt im Rahmen der Zuwendungsfinanzierung mit zwei Vollzeitstellen die Zielvorgabe, im Jahresdurchschnitt 40 Plätze in Bereitschaftspflegefamilien vorzuhalten. Die Bezirksämter, die den Auf- beziehungsweise Ausbau an Bereitschaftspflegeplätzen umsetzen, sollen perspektivisch bis zu zehn weitere Plätze im Jahresdurchschnitt vorhalten. 20. Ist auch an der Verbesserung der Attraktivität der Bereitschaftspflege gedacht? Wenn ja, welche Maßnahmen sind geplant? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/16154 5 Wenn nein, welche Konsequenzen zieht der Senat beziehungsweise die Fachbehörde aus der langjährigen Erfolglosigkeit bei dem Versuch der Gewinnung von Bereitschaftspflegestellen? Die Rahmenbedingungen für die Bereitschaftspflege wurden 2015 verbessert. Es werden fortlaufend neue Bereitschaftspflegefamilien gewonnen. Im Übrigen siehe Drs. 21/3845. Drucksache 21/16154 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 Anlage Krankenrate in Kinderschutzhäusern 2016 2017 2018 Anzahl der Beschäftig - ten Fehlzeiten - quote*) Anzahl der Beschäftig - ten Fehlzeiten - quote*) Anzahl der Beschäftig - ten Fehlzeiten - quote*) KSH Altona 6,9 5,6 8,1 2,2 9,8 7,0 KSH Harburg 6,3 5,3 7,1 6,0 7,0 8,7 KSH Nord 13,6 13,9 13,6 12,5 13,6 5,8 KSH Südring 17,8 7,4 21,8 8,6 19,6 10,0 KSH Wandsbek 12,7 8,2 13,3 7,4 13,8 7,0 KSH Lerchenfeld **) **) **) **) 18,7 7,2 KSG Neuwiedenthaler Straße 6,0 1,4 6,1 7,8 6,0 5,5 KSG Rohrammerweg 6,0 2,0 5,9 3,7 6,1 7,4 KSG Rotenhäuser Damm 8,8 5,9 7,1 4,9 7,9 4,1 durchschnittliche Fehlzeitenquote 6,21 6,64 6,97 *) Die krankheitsbedingten Fehlzeiten umfassen die wegen Krankheit, Unfall oder Kur ausgefallenen Arbeitstage. Die Ausfalltage werden in Bezug zur Sollarbeitszeit gesetzt und so eine Fehlzeitenquote in % ermittelt. **) Die Inbetriebnahme des Kinderschutzhauses Lerchenfeld erfolgte im Dezember 2017