BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/16243 21. Wahlperiode 22.02.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 14.02.19 und Antwort des Senats Betr.: Bekämpfung von Betrugsdelikten – Welche Strategie verfolgt der Senat? (IV) Die Anzahl der erfassten Betrugsdelikte (PKS-Straftatenschlüssel 510000) ist auch im vergangenen Jahr nochmals gestiegen, von 32 553 Taten im Jahre 2017 auf 33 173; gleichzeitig ist die Aufklärungsquote erneut gesunken: Wurden 2017 noch 58,6 Prozent aller Fälle aufgeklärt, waren es im letzten Jahr nur noch 55 Prozent, wie der Senat in der Antwort auf meine Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/15953 angibt. Insbesondere im Bereich des sonstigen Warenkreditbetrugs (PKS-Straftatenschlüssel 511200) sieht es noch schlechter aus: Hier sank die Aufklärungsquote von 50,5 Prozent auf traurige 36,1 Prozent. Der Senat bekommt das Problem der Betrugsbekämpfung einfach nicht in den Griff, was insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Dunkelfeld in diesem Bereich gerade bei Fällen von (versuchtem) Betrug im Internet sehr hoch sein wird, eine Katastrophe für die Opfer ist. In der Antwort auf meine Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/15659 gibt der Senat an, dass diesem Kriminalitätsfeld nur mit Unterstützung sowohl der Bürger als auch der Unternehmen entgegengetreten werden kann. Weiterhin führt er aus: „Eine Sensibilisierung für die Betrugsgefahren unter anderem im Umgang mit E-Mails, Bankdaten oder bei Online-Geschäften und das Treffen wirksamer Vorbeugemaßnahmen machen jeden einzelnen Bürger zu einem Teil wirksamer Kriminalprävention. Neben der präventiven und repressiven Tätigkeit der Sicherheitsbehörden und dem vorbeugenden Maßnahmen der Bürger tragen die Online-Versandhändler in diesen Deliktsfeldern eine besondere Verantwortung . Eine verstärkte Betrugsprävention seitens der Unternehmen führt zu einer Verhinderung beziehungsweise Verringerung von Tatgelegenheiten und wirkt sich damit positiv auf die Fallzahlen aus. Insbesondere im Bereich des Online- und Versandhandels stellen Betrugsformen wie zum Beispiel Zahlungsunfähigkeit oder die Angabe falscher Daten ein Problem dar. Diesem kann durch eine intensivierte eigenverantwortliche Sicherheitsvorsorge zumindest in Teilbereichen präventiv begegnet werden.“ Selbstverständlich kann von Bürgern und Unternehmen auch erwartet werden, dass sie selbst Maßnahmen ergreifen, um im Internet nicht schutzlos Betrügern ausgeliefert zu sein, aber die Antwort impliziert, dass der Senat keine Möglichkeiten sieht, dass die Polizei in diesem Bereich effektiv und auch nur ansatzweise erfolgreich arbeiten kann. In vielen anderen Bereichen leistet die Polizei Hamburg hingegen hervorragende Arbeit, wie die rückläufigen Zahlen im Bereich des Wohnungseinbruchsdiebstahls oder des Taschendiebstahls zeigen. Dass Unternehmen selbst ein hohes Interesse an der Betrugsabwehr haben, ist vollkommen klar. Nach einem Bericht in der Wirtschaftswoche gehen Schätzungen von einem deutschlandweit jährlichen Schaden in Höhe von 2,5 Drucksache 21/16243 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Milliarden Euro durch Online-Betrüger aus; Händler schätzen ihren finanziellen Schaden auf bis zu 5 Prozent des Umsatzes (https://www.wiwo.de/ unternehmen/handel/identitaetsraub-so-sollen-betrueger-beim-onlineshopping -gestoppt-werden/23599200.html), die Polizei hingegen hat nach Angaben in der Drs. 21/15659 keine Erkenntnisse darüber, wie hoch das Dunkelfeld ist. Einer der größten Versandhändler, der OTTO-Versand, hat seinen Firmensitz in Hamburg, sodass Betrugsstraftaten zum seinem Nachteil in den Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft Hamburg fallen. Allein der OTTO-Versand setzte im Geschäftsjahr 2017/2018 2,956 Milliarden Euro um (https://www.otto.de/unternehmen/de/unternehmen/ kennzahlen.php/). Selbst bei vorsichtiger Schätzung von nur 2 Prozent dieses Umsatzes beläuft sich der Schaden auf rund 59 Millionen Euro. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Wie in anderen Deliktsbereichen auch ist eine erfolgreiche Kriminalitätsbekämpfung insbesondere durch Zusammenwirken zwischen verschiedenen Akteuren und der Polizei möglich. Das Beispiel des Wohnungseinbruchsdiebstahls zeigt dies exemplarisch auf. Sowohl die zielgerichteten Maßnahmen der Polizei als auch die Sicherungsmaßnahmen der Bürgerinnen und Bürger und die Hinweise auf verdächtiges Verhalten aus der Bevölkerung haben hier dazu geführt, dass in rund 50 Prozent der Fälle die Tat über den Versuch nicht hinaus kommt und die Fallzahlen deutlich zurück gegangen sind. Dies vorausgeschickt, antwortet der Senat wie folgt: 1. Welche konkreten Maßnahmen wurden seit dem Jahr 2015 zur Sensibilisierung der Bürger für die Betrugsgefahren im Internet ergriffen? a. Inwiefern wurden diese evaluiert? b. Welche weiteren Maßnahmen zur Sensibilisierung sind geplant? Grundsätzlich informiert die Polizei die Öffentlichkeit über erkannte Kriminalitätsschwerpunkte kurzfristig und über alle der Polizei zur Verfügung stehenden Kommunikationswege ; dies gilt auch für Gefahren im Zusammenhang mit Betrug/Internetbetrug . Um möglichst eine breite Öffentlichkeit zu erreichen und zu sensibilisieren, hat die Polizei in den zurückliegenden Monaten eine verstärkte Pressearbeit durchgeführt. Hierzu zählen insbesondere auch mehrere umfassende Interviews zum Thema mit der Polizei in Hamburger Tageszeitungen und lokalen Fernsehsendern. Der für die allgemeine polizeiliche Kriminalprävention zuständige Fachstab 3 des Landeskriminalamtes (LKA FSt 3) nimmt mit seinen zwei Bereichen „Kriminalprävention und Opferschutz“ (LKA FSt 32) sowie der „Kriminalpolizeilichen Beratungsstelle“ (LKA FSt 33) unter anderem Aufgaben im Bereich Betrugsprävention wahr. Darüber hinaus bietet das Programm Polizeiliche Kriminalprävention (ProPK) über seine Internetseite für Ratsuchende ein umfangreiches Informationsangebot an. Unter https://www.polizei-beratung.de/themen-und-tipps/betrug/ finden sich Präventionstipps und -hinweise zu den vielfältigen Erscheinungsformen des Betruges. Über diese Seite haben Bürgerinnen und Bürger über ein Kontaktformular die Möglichkeit, direkt Kontakt zur Polizei aufzunehmen. Anfragen werden anhand der angegebenen Postleitzahl in das zuständige Bundesland gesteuert und laufen in den jeweiligen Fachdienststellen für Kriminalprävention auf. Der LKA FSt 32 stellt Interessierten bei Bedarf weiteres Informationsmaterial im Themenkomplex Betrug in den Bereichen „Online-Shopping“ und „Love-Scamming“ zur Verfügung. Der LKA FSt 32 hat das Thema „Betrug“ in den Jahren 2015/2016 allgemein im Rahmen der kriminalpräventiven Öffentlichkeitsarbeit bewegt. Anlassbezogen, so zum Beispiel bei Medien- oder Bürgeranfragen, wurden Präventionshinweise zu den unterschiedlichen Facetten dieser Deliktsform veröffentlicht. In den Jahren 2017 und 2018 bildete der sogenannte Call-Center-Betrug den Mittelpunkt der polizeilichen Präventionsarbeit. Ergänzend zum umfangreichen thematischen Informationsangebot des ProPK entwickelte der LKA FSt 32 weitere Materialien Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/16243 3 speziell für die Zielgruppe „Senioren“ und sensibilisierte umfassend. Konkret zum Thema „Betrug mittels Internet“ informierten Präventionsexperten auf zwei Veranstaltungen am 26. Juni 2018 in Kooperation mit der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz sowie am 11. November 2018 auf dem Sicherheitsforum des „Hamburger Abendblattes“. Der Schutz vor Betrugsdelikten im Internet bildet im Jahr 2019 einen Schwerpunkt der polizeilichen Kriminalprävention des LKA FSt 32; konkrete Maßnahmen werden derzeit entwickelt. Im Übrigen finden konkrete Evaluationen der Maßnahmen nicht statt. Um personelle und materielle Ressourcen jedoch zielgerichtet und somit erfolgreich einsetzen zu können, wird der Ressourceneinsatz kontinuierlich an gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen ausgerichtet. 2. Inwiefern führt eine Betrugsprävention seitens der Unternehmen zu einer Verhinderung beziehungsweise Verringerung von Tatgelegenheiten? Eine effektive Betrugsprävention ist auf eine umfassende Beteiligung aller betroffenen Akteure (Kunden und Unternehmen) angewiesen. Die Rolle der Polizei ist hierbei auf eine Beratung beziehungsweise Sensibilisierung für entsprechende Gefährdungen beschränkt. Präventionshinweise an Unternehmen haben hierbei Empfehlungscharakter . Die Umsetzung obliegt den Unternehmen. Maßnahmen im Sinne der Fragestellung, zum Beispiel durch die Nutzung von Identifizierungs -/Authentifizierungsdiensten, sind aus Sicht der Polizei geeignet, erheblich zu einer Verhinderung beziehungsweise Verringerung von Tatgelegenheiten beizutragen. 3. Zu der vom Senat genannten eigenverantwortlichen Sicherheitsvorsorge im Bereich des Online- und Versandhandels gehört insbesondere eine Abfrage der Händler zum Beispiel bei der SCHUFA, Crifbürgel, Creditrefom oder EOS. Werden durch die Polizei Hamburg dem SCHUFA- FraudPool alle Alias-Identitäten von Beschuldigten mitgeteilt? Falls ja, jeweils wann? Falls nein, weshalb nicht? Nein; im Sinne der Fragestellung verstößt eine Weiterleitung der Daten gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen. Im Übrigen handelt es sich bei den von Tätern genutzten Aliaspersonalien häufig um Personalien real existierender Personen. Bei einer Weiterleitung dieser Daten an Dritte im Sinne der Fragestellung ist davon auszugehen, dass diese unbeteiligten Dritten künftig Probleme bei der Teilnahme am Geschäftsverkehr bekämen. 4. Am 20. Dezember 2017 hat der Leiter des LKA die Arbeitsgruppe „Betrug “ mit dem Auftrag der Durchführung einer ganzheitlichen Betrachtung der Betrugssachbearbeitung eingerichtet, um eine nachhaltige Lösung für die Betrugssachbearbeitung zu erarbeiten, seit August 2018 wird das Umsetzungskonzept erarbeitet (Drs. 21/14575). In der Drs. 21/15659 gibt der Senat an, dass der Prozess aufgrund der notwendigen Abstimmungen mit den Beteiligten noch nicht abgeschlossen sei. Aufgrund der steigenden Anzahl an Fällen und der stetig sinkenden Aufklärungsquote ist es von immenser Bedeutung, dass endlich Ergebnisse präsentiert und Maßnahmen ergriffen werden. a. Wann soll das Umsetzungskonzept abgeschlossen sein? Siehe Drs. 21/15659. b. Hat die zuständige Behörde hier eine Frist gesetzt? Falls nein, weshalb nicht? Die Erarbeitung des Konzeptes soll zügig, aber unter Beteiligung der betroffenen Dienststellen und der Personalvertretung abgeschlossen werden. Entscheidend ist aber die Geeignetheit des Konzeptes. Drucksache 21/16243 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 5. Nach Angaben des Senats in der Drs. 21/15659 setzt die Polizei Hamburg X-Ways Investigator zur Auswertung von Festplatten und USB- Sticks, XRY-Reader und Universal Forensic Extraction Device (UFED)- Reader zur Auswertung von Smartphones und Tablets sowie FARMEx zur Auswertung von Verkehrs- und Funkzellendaten ein, sodass dem Ermittlungssachbearbeiter dadurch ein Erkennen von Serien möglich ist. a. Seit wann stehen diese Software-Produkte dem LKA 55 zur Verfügung ? Seit Einrichtung der Dienststelle im Februar 2014. b. Wie viele Ermittlungssachbearbeiter des LKA 55 haben seitdem für die Anwendung dieser Software-Produkte jeweils Schulungen erhalten ? Die Anzahl der im Sinne der Fragestellung beschulten Mitarbeiter ist in der folgenden Tabelle dargestellt: Programm Anzahl Mitarbeiter X-Ways 10 FARMEx 3 Darüber hinaus sind für die Programme XPY und UFED-Reader keine besonderen Schulungsmaßnahmen der Mitarbeiter erforderlich. Im Übrigen handelt es sich bei den Programmen X-Ways und FARMEx um spezielle Softwareanwendungen, die nicht nur eine umfangreiche Einarbeitung, sondern auch eine ständige, auf Eigeninitiative basierende Fortbildung erfordern. Die in den erwähnten Lehrgängen geschulten Mitarbeiter fungieren dabei als Multiplikatoren und geben ihr erworbenes Wissen an kriminalpolizeiliche Sachbearbeiter weiter. c. Wie viele und welche Serien konnten seit der Anschaffung der Software -Produkte erkannt werden? Statistiken im Sinne der Fragestellung werden von der Polizei nicht geführt. Für die Beantwortung wäre eine manuelle Durchsicht sämtlicher gemäß den Datenschutzvorschriften bei der Kriminalpolizei noch vorliegenden Hand- und Ermittlungsakten erforderlich . Die Auswertung mehrerer Hunderttausend Vorgänge ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich . 6. Wie viele persönliche Beratungen in Hamburger Unternehmen wurden durch die Mitarbeiter des LKA 54 (ZAC) 2017 und 2018 sowie bislang im Jahr 2019 durchgeführt? Die Anzahl der durchführten Maßnahmen im Sinne der Fragestellung ist in der folgenden Tabelle dargestellt: Jahr 2017 2018 2019* Anzahl 86 73 4 * Stichtag 17. Februar 2019 7. Wie ist die Resonanz auf die monatliche Sprechstunde, die das LKA 54 in der Handelskammer abhält? Das Konzept eines Cybercrime-Sprechtages in der Handelskammer existiert seit Oktober 2018 und wird von der Handelskammer verantwortlich organisiert. Nach den Wahrnehmungen der Polizei bestand für die erste Sprechstunde im Oktober 2018 nur ein geringes Interesse. Da der Dezember-Sprechtag jedoch ausgebucht war, traf die Handelskammer die Entscheidung, das Pilotprojekt bis März 2019 zu verlängern. Im Januar/Februar 2019 wurde bislang lediglich eine Cybersprechstunde durchgeführt. 8. Wie ist die Resonanz auf die ZAC-Hotline, über die Unternehmen Auskünfte und Beratung erhalten? Statistische Daten im Sinne der Fragestellung werden von der Polizei nicht erhoben. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/16243 5 In Abhängigkeit von auftretenden Cyberangriffswellen wird die ZAC-Hotline des LKA 54 regelmäßig von Unternehmen genutzt. Im Übrigen erfolgen aufgrund des Bekanntheitsgrades des LKA 54 Anfragen im Sinne der Fragestellung auch durch Privatpersonen .