BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/16323 21. Wahlperiode 26.02.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Peter Lorkowski und Dr. Alexander Wolf (AfD) vom 20.02.19 und Antwort des Senats Betr.: Immer noch keine Verrechnungsmöglichkeit bei der Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) für Importe über den Hamburger Hafen. Wie ist der Status ? Mit einer Schriftlichen Kleinen Anfrage hatte sich die AfD-Fraktion Mitte Oktober 2018 (Drs. 21/14675) zum Status der von Bund und Ländern vorgeblich in Umsetzung befindlichen Verrechnungsmöglichkeit bei der Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) erkundigt. Eine entsprechende Verrechnung ist für Importe, die über den Hamburger Hafen abgewickelt werden, nicht zuletzt aufgrund der angeschlagenen Wettbewerbsposition des Hafens von erheblicher Bedeutung. Denn anders als in Deutschland brauchen Importeure bei Anlieferung über belgische oder niederländische Seehäfen faktisch keine Einfuhrumsatzsteuer auf eingeführte Waren zu zahlen. Schon 2017 hatte die AfD-Fraktion zur Lösung dieser Problematik einen Antrag gestellt, der jedoch unter dem Vorwand, die von der AfD-Fraktion geforderte „Verrechnungslösung “ stehe ohnehin kurz vor ihrer Realisierung (Drs. 21/10230 vom 30.08.2017), von der Bürgerschaftsmehrheit abgelehnt wurde. In seiner Antwort auf die Schriftliche Kleine Anfrage der AfD-Fraktion vom Oktober 2018 räumte der Senat nun allerdings ein, dass die zuvor behauptete rasche Umsetzung einer „Verrechnungslösung“ tatsächlich jedoch „auf Eis liegt“. Zitat: „Für die von Hamburg angestrebte Umsetzung der Verrechnungslösung bedarf es eines entsprechenden Auftrags an eine anders formierte interdisziplinäre Arbeitsgruppe auf Grundlage einer zumindest mehrheitlichen Entscheidung des Bundes und der Länder. Dieser Entscheidungsprozess dauert derzeit noch an.“ „Tatsächlich scheint der notwendige Entscheidungsprozess in den meisten Ländern noch nicht abgeschlossen zu sein.“ „Eine Umsetzung der Lösung setzt komplexe Änderungen in vielen Bereichen der Bundes- und Landesfinanzverwaltungen voraus … Die Dauer der Umsetzung kann aufgrund deren Komplexität heute nicht abschließend prognostiziert werden …, (so) dass eine Umsetzung des Verfahrens aufgrund der Komplexität vonseiten des Gesetzgebers beziehungsweise der Verwaltung nicht kurzfristig erwartet werden kann.“ Allerdings halte „der Senat an der Umsetzung dieser Lösung fest.“ Dies vorausgeschickt fragen wir den Senat: Drucksache 21/16323 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Nachdem die deutsche Import- und Logistikwirtschaft auf Wettbewerbsnachteile an deutschen Standorten hingewiesen hatte, hat sich Hamburg dieses Anliegens angenommen . Nach Abstimmungen auf politischer und Arbeitsebene konnten die für eine Änderung der Rechtslage und der technischen und organisatorischen Abläufe erforderlichen Mehrheiten im Bund und in den Ländern gewonnen werden. Die Annahme, dass die mit dem Vorhaben zu beseitigenden Nachteile nur am Wirtschaftsstandort Hamburg eintreten, konnte zuletzt mit Unterstützung von Vertreterinnen und Vertretern der betroffenen Unternehmen und der Handelskammer Hamburg widerlegt werden . Der Finanzsenator hat am 27. November 2018 das Thema bei den Ländern im Vorfeld der Finanzministerkonferenz angesprochen und eine einheitliche Position hierzu hergestellt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welche Gründe genau sind dafür maßgeblich, dass es zur Umsetzung einer Verrechnungslösung nun einer „anders(!) formierten interdisziplinären Arbeitsgruppe“ bedarf? Bitte detailliert erläutern. Wie genau soll sich die neue Arbeitsgruppe von der bisherigen unterscheiden? Gibt es dazu seitens des Bundes und der Länder schon eine Entscheidung? Die vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) eingesetzte Bund-Länder- Arbeitsgruppe hatte den Auftrag, den von der deutschen Import- und Logistikwirtschaft aufgezeigten Handlungsbedarf zu untersuchen und Maßnahmen zur Abhilfe aufzuzeigen . Diese Arbeitsgruppe war vorrangig mit Vertreterinnen und Vertretern aus den Umsatzsteuerreferaten der Länder besetzt und hatte nicht den Auftrag, diese Maßnahmen umzusetzen. In der nunmehr folgenden Umsetzungsphase sind Vertreterinnen und Vertreter der Länder aus den Bereichen IT, Haushalt, Organisation und Kasse hinzuzuziehen, um das von Bund und Ländern einzuführende gemeinsame Verfahren im Detail entwickeln zu können. 2. Wann genau und aufgrund welcher Sachverhalte ist die Notwendigkeit einer „anders formierten interdisziplinären Arbeitsgruppe“ – und von wem – erkannt worden? Das gestufte Vorgehen stand von Beginn der Überlegungen an fest. 3. Hat sich die neue „interdisziplinäre Arbeitsgruppe“ inzwischen formiert und ihre Arbeit aufgenommen? Falls ja: Wann genau und in welcher personellen und funktionalen Zusammensetzung? Wie unterscheiden sich Zusammensetzung, Kompetenzen und Aufgabenbereiche der Arbeitsgruppe und ihrer Mitglieder von der früheren Arbeitsgruppe? Falls nein: warum nicht? Und wann ist mit der Konstituierung der Arbeitsgruppe zu rechnen? Die Federführung für die Arbeitsgruppe obliegt dem BMF. Dieses hatte zu einer konstituierenden Sitzung am 24. Januar 2019 eingeladen, der mit Ausnahme von zwei entschuldigt fehlenden Ländern alle Länder gefolgt sind. Für die Umsetzungsarbeiten für eine zeitnähere Bearbeitung unter Berücksichtigung des Fälligkeitszeitpunkts (sog. Beschleunigungsmodell) hat sich auf Länderseite eine Unterarbeitsgruppe gebildet, die sich am 27. und 28. Februar 2019 in Hamburg mit den länderseitigen Maßnahmen befassen wird. Teilnehmen werden Hamburg (Umsatzsteuer (USt), IT und Organisation), Bremen (USt), Hessen (USt), Niedersachsen (Organisation), Saarland (USt), Bayern (Verfahrensbetreuung), Mecklenburg- Vorpommern (USt), Schleswig-Holstein (USt), Nordrhein-Westfalen (USt), Gesamtleitung KONSENS. Hamburg hat die Koordination für diese Unterarbeitsgruppe übernommen . 4. Ist der „Entscheidungsprozess (hinsichtlich der Realisierung einer Verrechnungslösung , d.V.) in den meisten Ländern“ inzwischen abgeschlossen ? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/16323 3 Falls ja: mit welchen Ergebnissen genau? Welche Länder vertreten welche Position? Falls nein: Warum – und in welchen Bundesländern genau – ist der „Entscheidungsprozess noch nicht abgeschlossen“? Falls nein: Gibt es für den Abschluss des Entscheidungsprozesses Terminvorgaben ? Falls ja: Wer gibt die Termine vor und wer überwacht die Termine? Wie verbindlich sind die Terminvorgaben? Welche Termine stehen im Raum? Falls nein: warum nicht? Die Finanzministerkonferenz hat einstimmig auf Antrag Hamburgs mit Beschluss vom 29. November 2018 die interdisziplinäre Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Optimierung des Erhebungsverfahrens der Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) mit den weiteren Arbeiten beauftragt. Zum einen soll diese mit den Umsetzungsarbeiten für eine zeitnähere Bearbeitung unter Berücksichtigung der Verschiebung des Fälligkeitszeitpunkts bei der EUSt beginnen, ohne hierbei mögliche Betrugsrisiken außer Acht zu lassen. Zum anderen sollen parallel hierzu alle gesetzlichen, untergesetzlichen, organisatorischen, kassen- und haushaltsrechtlichen sowie IT-technischen Maßnahmen, die für die Einführung eines Verrechnungsmodells erforderlich sind, benannt und deren zeitliche Realisierbarkeit bestimmt werden. Bis spätestens zum 30. September 2019 sind die Ergebnisse zum Sachstand in einem Bericht zusammenzufassen und der Finanzministerkonferenz vorzulegen. 5. Wann genau (Monat, Jahr) sind Bund beziehungsweise Länder zu der Erkenntnis gelangt, dass „eine Umsetzung der Lösung … (derart) komplexe Änderungen in vielen Bereichen der Bundes- und Landesfinanzverwaltungen voraus(setzt, sodass) … die Dauer der Umsetzung … aufgrund deren Komplexität heute nicht abschließend prognostiziert werden “ könne? Warum genau ist die Notwendigkeit „komplexer Änderungen “ nicht schon früher erkannt worden (die Arbeitsgruppe tagt immerhin schon seit mehreren Jahren)? Hierzu liegen der zuständigen Behörde keine Erkenntnisse vor. 6. Welche „komplexen Änderungen“ genau verhindern eine zeitnahe Umsetzung einer Verrechnungslösung? Bitte detailliert erläutern. Als Voraussetzung für die Durchführung des Verrechnungsmodells muss ein Antrags-/ Registrierungsverfahren eingerichtet werden, das auch die Zugehörigkeit zu einem Organkreis korrekt und vollständig abbildet. Fehlerhafte Zuordnungen aufseiten des Zolls und der Steuerverwaltungen der Länder müssen dabei ausgeschlossen werden, da sie den weiteren Verfahrensablauf massiv beeinträchtigen und erheblichen personellen Bearbeitungsaufwand zur Aufklärung der Unstimmigkeiten auslösen würden. Eine maschinelle Unterstützung des Antrags-/Registrierungsverfahrens erscheint angezeigt. Die vom Zoll per Datenaustausch zu den Einzelsachverhalten mitgeteilten EUSt- Beträge sind in den Ländern den konkreten Steuerfällen und dort den richtigen Besteuerungszeiträumen zuzuordnen. Ein einheitlich vom Zoll und den Finanzbehörden der Länder genutztes Zuordnungskriterium, das unter anderem in Organschaftsfällen der vom Zoll abweichenden steuerlichen Sicht Rechnung trägt, muss erst definiert und eingeführt werden. Dieses Ordnungskriterium muss bei Veränderungen (zum Beispiel bei Verkauf von Unternehmen, in Umwandlungsfällen) synchron in beiden Systemen beim Bund und Land zur Verfügung stehen und aktualisiert werden. Die gesetzlich zugelassene Dauerfristverlängerung durch den Unternehmer muss dabei in die Überlegungen einbezogen werden. Bei Umsetzung der durch die Arbeitsgruppe vorgeschlagenen Maßnahmen werden weitere gesetzliche und untergesetzliche Anpassungsbedarfe entstehen. Anforderungen für die Anpassung der IT- und Arbeitsprozesse aufseiten des Zolls und der Steuerverwaltungen der Länder sind zu entwickeln. Drucksache 21/16323 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 7. Gibt es zu den Lösungsansätzen dieser „komplexen Änderungen“ eine gemeinsame Auffassung von Bund, Ländern, Generalzolldirektion und anderen Gremiumsmitgliedern – oder wo genau weichen die einzelnen Auffassungen voneinander ab? Welche genau sind die „Hauptstreitpunkte “ oder „-Schwierigkeiten“ bei der angestrebten Umsetzung einer Verrechnungslösung ? Bitte detailliert erläutern. Die Lösungsansätze sind durch die interdisziplinäre Arbeitsgruppe erst zu erarbeiten. Ziel ist, Einvernehmen bezüglich des weiteren Vorgehens zu erzielen. 8. Der Senat erklärte in seiner Antwort auf unsere Schriftliche Kleine Anfrage vom Oktober 2018, dass er an der „Umsetzung einer Verrechnungslösung weiter festhalte“. Welche anderen Mitglieder der bisherigen beziehungsweise der neuen interdisziplinären Arbeitsgruppe unterstützen den Senat in dieser Auffassung – und welche nicht? Siehe Antwort zu 6. 9. Wie schätzt der Senat aus heutiger Sicht ganz allgemein den zeitlichen Rahmen ein, innerhalb dessen eine Umsetzung der geforderten „Verrechnungslösung “ realisiert werden kann? Die Finanzministerkonferenz hat mit Beschluss vom 29. November 2018 die interdisziplinäre Arbeitsgruppe gebeten, den Zeitrahmen für den komplexen Umsetzungsprozess zu bestimmen. Eine Umsetzung wird auch maßgeblich von der Priorisierung der Einführung von fachlichen und technischen Verfahren in Bund und Ländern abhängen . Erst wenn der mit der Umsetzung des Vorhabens zusammen hängende Verwaltungsaufwand absehbar ist, kann der zeitliche Rahmen der Umsetzung abgeschätzt werden. 10. Wie schätzt der Senat aus heutiger Sicht ganz allgemein die Wahrscheinlichkeit (in Prozent) ein, dass es tatsächlich noch innerhalb der laufenden Legislaturperiode (Bundesebene) zur faktischen Umsetzung einer „Verrechnungslösung“ kommen wird? Wie hoch schätzt der Senat die Wahrscheinlichkeiten ein, dass es stattdessen zu einer – in der Debatte zum Teil geforderten – Lösung über eine „Grundgesetzänderung “ kommen könnte beziehungsweise dass gar keine Lösung gefunden wird? Der Senat wird dem zum 30. September 2019 vorzulegenden Bericht der interdisziplinären Arbeitsgruppe und der sich anschließenden Meinungsbildung nicht vorgreifen. Er geht davon aus, dass die auf Grundlage dieses Berichts als erforderlich anzusehenden Arbeiten zügig begonnen werden.