BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/16330 21. Wahlperiode 01.03.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Harald Feineis (AfD) vom 21.02.19 und Antwort des Senats Betr.: Stellt Hamburg die konsequente Umsetzung der Medizinprodukte- Betreiberverordnung wirklich sicher? Am 01. Januar 2017 trat die sogenannte Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) als bundesrechtliche Regelung in Kraft. § 6 dieser Verordnung verpflichtet Gesundheitseinrichtungen (zum Beispiel Krankenhäuser, MVZs et cetera),1 in denen Medizinprodukte betrieben beziehungsweise angewendet werden und die regelmäßig mehr als 20 Beschäftigte aufweisen, einen sogenannten Beauftragten für Medizinproduktesicherheit zu benennen. Dieser Beauftragte soll beim Auftreten von Risiken und Komplikationen im Zusammenhang mit Medizinprodukten als zentraler Ansprechpartner für Behörden, Hersteller und Vertreiber fungieren. Daneben obliegt ihm die Aufgabe , in der jeweiligen Einrichtung ein Verfahren zu etablieren, das die Rückverfolgbarkeit der Medizinprodukte und die Durchführung entsprechender Korrekturmaßnahmen sicherstellt (zum Beispiel bei Rückrufen von Medizinprodukten ). Eine im September 2017 gestellte Anfrage,2 in welcher die Umsetzungskontrolle des Senats im Hinblick auf die MPBetreibV eruiert wurde, ergab Folgendes : 1. Der Senat beschränkte sich in seinen Kontrollen, ob von hiesigen Gesundheitseinrichtungen verordnungsgemäß Beauftragte für Medizinproduktesicherheit eingesetzt worden sind, auf ein Minimum, indem er die Einsetzung lediglich anhand von Funktions-E-Mail-Adressen überprüfte – und auch dies nur stichprobenartig. 2. Zugleich beschränkte sich der Senat sowohl im Hinblick auf die Zahl der geprüften Gesundheitseinrichtungen als auch im Hinblick auf die Einrichtungsart auf ein Minimum an Kontrolle, indem lediglich Krankenhäuser kontrolliert wurden – und auch dies nur stichprobenartig. 3. Darauf, dass der Senat überhaupt kontrollierte, ob einrichtungsintern die geforderten Verfahren zur Rückverfolgbarkeit der Medizinprodukte und 1 Zu den von der Verordnung erfassten Einrichtungen gehören neben Krankenhäusern und Medizinischen Versorgungszentren auch große Arzt- und Zahnarztpraxen, Rettungsdienste, Pflegeeinrichtungen – um nur einige Beispiele zu nennen. 2   Drs. 21/10277, 21. Wahlperiode, 12.09.17, Schriftliche Kleine Anfrage (FDP) vom 04.09.17 und Antwort des Senats, Betr.: Medizinproduktebetreiberverordnung.    Drucksache 21/16330 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 für Korrekturmaßnahmen etabliert wurden, gibt es keinerlei Hinweis in der Senatsantwort auf die Anfrage. Im September 2017 war die MPBetreibV noch relativ neu, sodass die eher sporadische Umsetzungskontrolle möglicherweise mit der kurzen Anwendungszeit der Vorordnung zusammenhing – zumal ja auch die Implementierung der genannten internen Verfahren zunächst einmal mit einem gewissen zeitlichen Aufwand vorgenommen werden musste. Inzwischen allerdings sind seit dem Inkrafttreten der MPBetreibV mehr als zwei Jahre vergangen. Hinzu kommt, dass es in diesem Zeitraum immer wieder Meldungen über gesundheitliche Schäden durch fehlerhafte Medizinprodukte oder gar Offenlegungen ganzer Medizinprodukte-Skandale gab. Zuletzt wurde Derartiges im November 2018 publik, als ein Investigativ-Verbund – bestehend unter anderem aus dem NDR, dem WDR und der „Süddeutschen Zeitung“ – nachwies , dass Mängel bei medizinischen Produkten wie Implantaten und Prothesen aufgrund fehlender staatlicher Kontrollen bei einer immens großen Anzahl von Patienten zu gravierenden Gesundheitsschäden hatten führen können . 3 Die Veröffentlichung in den sogenannten Implant Files erzeugte nicht nur in Fachkreisen beachtliche öffentliche Resonanz, und auch die Gesundheitssenatorin äußerte sich in einer Pressemeldung ihrer Behörde zum Risikopotential von Medizinprodukten und der unbedingten Schutzwürdigkeit von Patienten .4 Eine konsequente Umsetzung der MPBetreibV in Hamburg wäre ein probates Mittel, die mit Medizinprodukten verbundenen Gefahren einzudämmen und die Patientensicherheit in unserer Stadt zu fördern. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die/der Beauftragte für Medizinproduktesicherheit nimmt in einer Gesundheitseinrichtung mit mehr als 20 Beschäftigten für den Betreiber die Aufgaben einer Kontaktperson für Behörden, Hersteller und Vertreiber im Zusammenhang mit Meldungen über Risiken von Medizinprodukten sowie bei der Umsetzung von notwendigen korrektiven Maßnahmen wahr. Ferner hat sie/er die Aufgabe, für den Betreiber die internen Prozesse einer Gesundheitseinrichtung zur Erfüllung der Melde- und Mitwirkungspflichten zu koordinieren und die Umsetzung korrektiver Maßnahmen durch den Verantwortlichen nach § 5 des Medizinproduktegesetzes (MPG), das heißt den Hersteller, seinen Bevollmächtigten oder den Einführer des Medizinproduktes, in den Gesundheitseinrichtungen zu koordinieren. Gemäß Drs. 21/10277 wird die Benennung und vorgeschriebene Veröffentlichung der Funktions-E-Mail-Adresse der/des Beauftragten für Medizinproduktesicherheit im Rahmen der Routinekontrollen strichprobenhaft geprüft. Dies beinhaltet zum einen die Benennung der/des Beauftragten und zum anderen die Veröffentlichung der Funktions -E-Mail-Adresse. Das bedeutet nicht, dass die Benennung lediglich anhand der Veröffentlichung der Funktions-E-Mail-Adresse überprüft würde. Insoweit handelt es sich um eine Fehlinterpretation der Drs. 21/10277. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 3 https://projekte.sueddeutsche.de/implantfiles/politik/implant-files-sueddeutsche-dee 952128/. 4 Patientensicherheit : Prüfer-Storcks für strengere Kontrollen bei risikobehafteten Medizinprodukten , GESUNDHEITSSENATORIN: PATIENTENSICHERHEIT MUSS AN ERSTER STELLE STEHEN, 26. November 2018, Pressearchiv FHH. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/16330 3 1. Hat der Senat die Kontrollintensität bezüglich der Umsetzung des § 6 MPBetreibV in Hamburg im Vergleich zum September 2017 erhöht, zum Beispiel indem nicht mehr nur Stichproben durchgeführt, sondern systematisch möglichst viele Einrichtungen einer Kontrolle unterzogen werden ? 2. Hat der Senat den Kontrollumfang bezüglich der Umsetzung des § 6 MPBetreibV in Hamburg im Vergleich zum September 2017 erhöht, zum Beispiel indem nunmehr nicht nur Krankenhäuser, sondern alle Arten von Gesundheitseinrichtungen kontrolliert werden? Gesundheitseinrichtungen wurden auch bereits 2017 entsprechend der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Medizinproduktegesetzes gemäß eines risikoorientierten Überwachungsplans systematisch kontrolliert. Bei diesen Routinekontrollen wird bei Einrichtungen, die erkennbar mehr als 20 Beschäftigte haben, auch geprüft, ob eine Beauftragte/ein Beauftragter für Medizinproduktesicherheit benannt und eine Funktions-E-Mail-Adresse veröffentlicht sind. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Konnte sich der Senat in ausreichendem Ausmaß davon überzeugen, dass in den von der Verordnung betroffenen Gesundheitseinrichtungen inzwischen die geforderten „internen Verfahren“ zur Rückverfolgbarkeit der Medizinprodukte und für Korrekturmaßnahmen etabliert wurden? Zur Mitwirkung an Maßnahmen der Verantwortlichen nach § 5 MPG sind Betreiber und Anwender aufgrund § 16 der Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung (MPSV) bereits schon zuvor verpflichtet gewesen. Die/der Beauftragte für Medizinproduktesicherheit hat hier jetzt eine Koordinierungsfunktion für die internen Prozesse und die Umsetzung korrektiver Maßnahmen. Die Fälle, in denen Prüfungen vorgenommen wurden oder in denen Beauftragte für Medizinproduktesicherheit kontaktiert wurden, ließen nicht erkennen, dass sie die ihnen obliegenden Funktionen nicht erfüllen konnten. 4. Auf wie viele Gesundheitseinrichtungen in Hamburg ist die MPBetreibV anwendbar und in wie vielen davon ist der § 6 durch die Einsetzung eines Beauftragten für Medizinproduktesicherheit mittlerweile umgesetzt ? Auf medizinprodukterechtlicher Grundlage bestehen keine Anzeige- oder Registrierungspflichten für Gesundheitseinrichtungen oder zur Datenerhebung von Beschäftigtenzahlen . Nach Erhebungen der zuständigen Behörde wird geschätzt, dass rund 50 Krankenhäuser und Privatkrankenanstalten, 3 500 Praxen, 1 100 Zahnarztpraxen, 600 Praxen von Heilpraktikern sowie 150 Pflegeheime und weitere Einrichtungen des Gesundheitswesens (Rettungsdienste, Labore et cetera) der MPBetreibV unterliegen. Wie viele dieser Einrichtungen dem § 6 MPBetreibV unterfallen wird aufgrund der medizinprodukterechtlich nicht normierten Datenerfassung zu Beschäftigtenzahlen nicht gesondert erhoben. Die Erfüllung der Anforderung nach § 6 MPBetreibV wird im Rahmen der Routinekontrolle geprüft (siehe auch Antwort zu 1. und 2.). 5. In wie vielen Fällen und bei wie vielen Gesundheitseinrichtungen5 kam es in Hamburg im Zeitraum vom 01.01.2017 bis 12.02.2019 zu Komplikationen mit Medizinprodukten, bei denen Beauftragte für Medizinproduktesicherheit Behörden oder andere staatliche Stellen informierten beziehungsweise in die Problembehebung einbezogen? Die/der Beauftragte für Medizinproduktesicherheit dient beim Betreiber als Kontaktperson für Behörden, Hersteller und Vertreiber. Daher verläuft der Kommunikationsweg anders als die Frage impliziert. Die/der Beauftragte für Medizinproduktesicherheit ist lediglich für die Koordinierung der internen Prozesse beim Betreiber zur Erfüllung der Meldepflichten verantwortlich. 5 Gemeint sind Gesundheitseinrichtungen im Sinne der MPBetreibV. Drucksache 21/16330 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Meldungen von Verantwortlichen nach § 5 MPG, Betreibern und Anwendern werden an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gerichtet und von diesem an die zuständigen Behörden der Länder weitergeleitet. Ob es sich bezüglich der Betreiber- und Anwendermeldungen bei der meldenden Person zugleich um die/den Beauftragten für Medizinproduktesicherheit handelt, lässt sich aus den Meldungen der Betreiber und Anwender nicht erkennen. 6. Gibt es auf Seiten des Senats ungefähre Einschätzungen beziehungsweise Vermutungen darüber, in wie vielen Fällen es in Hamburg im Zeitraum vom 01.01.2017 bis 12.02.2019 zu Komplikationen mit Medizinprodukten gekommen sein könnte, ohne dass Behörden oder andere staatliche Stellen offiziell davon Kenntnis erhielten und worauf beruhen gegebenenfalls diese Einschätzungen beziehungsweise Vermutungen? Nein.