BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/16349 21. Wahlperiode 01.03.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Deniz Celik (DIE LINKE) vom 22.02.19 und Antwort des Senats Betr.: Stand der Umsetzung eines koordinierenden Zentrums für die Beratung und Behandlung von Folteropfern und traumatisierten Geflüchteten nach Mai 2018 Nach Angaben der Bundestherapeutenkammer leidet die Hälfte der Geflüchteten an posttraumatischen Belastungsstörungen. Geflüchtete Kinder sind 15-Mal so oft betroffen wie in Deutschland geborene, aber nur ein Bruchteil der Geflüchteten erhält eine Psychotherapie. Am 14.04.2016 gab es einen Beschluss der Bürgerschaft über die Einrichtung eines koordinierenden Zentrums für die Beratung und Behandlung von Folteropfern und traumatisierten Geflüchteten (Drs. 21/3816). In meiner schriftlichen kleinen Anfrage (Drs. 21/13141) vom 29.05.2018 lautet es, dass die Beratungen bezüglich einer konkreten Umsetzung des koordinierenden Zentrums für die Beratung und Behandlung von Folteropfern und traumatisierten Geflüchteten Ende des 3. Quartals 2018 abgeschlossen sein wird, ein Konzept zur Umsetzung erarbeitet wurde und das Zentrum den zuständigen Behörden zufolge 2018 seine Arbeit aufnehmen könne. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen zum Teil auf der Grundlage von Auskünften des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) wie folgt: 1. Hat der Senat inzwischen Kenntnisse über die Anzahl der Geflüchteten, die seit Juni 2018 psychotherapeutische beziehungsweise psychiatrische Behandlung/Therapie in Anspruch genommen haben? Von der AOK Bremen/Bremerhaven wurden für das Jahr 2018 ab Juni 58 und für das Jahr 2019 bis Februar 23 Psychotherapien genehmigt. Die Zahlen betreffen nur die Anzahl der von der AOK Bremen/Bremerhaven genehmigten Psychotherapien für Geflüchtete während des Grundleistungsbezugs nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz . Im Übrigen liegen dem Senat keine Zahlen vor, da die Geflüchteten größtenteils in der gesetzlichen Krankenversicherung versorgt werden. Die Anzahl der in Anspruch genommenen psychiatrischen Behandlungen wird statistisch nicht erfasst, da es sich bei diesen um eine ärztliche Behandlung handelt, bei der keine vorherige Genehmigung erforderlich ist. Eine händische Auswertung der ärztlichen Abrechnungen durch die betreuenden Krankenkassen ist aufgrund der Vielzahl der Fälle (über 10 000 Einzelpositionen pro Quartal) in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 2. Sind weitere Traumaambulanzen seit Juni 2018 entstanden? Nein. Drucksache 21/16349 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 3. Mit wie vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind die Traumaambulanzen seit Juni 2018 ausgestattet und wie viele Therapiesuchende werden seit Juni 2018 pro Mitarbeiter/-in betreut. Bitte VZÄ und Berufsbezeichnung benennen. In der Traumaambulanz für Erwachsene der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKE werden derzeit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Umfang von 2,57 Vollkräften (VK) eingesetzt. Hierbei handelt es sich um mehrere Psychologinnen und Psychologen sowie eine Ärztin. Pro Quartal werden von diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern insgesamt circa 190 Patientinnen und Patienten behandelt. In der Flüchtlingsambulanz für Kinder und Jugendliche der Ambulanzzentrum der UKE GmbH werden derzeit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Umfang von (gerundet) insgesamt 8,8 VK therapeutisch tätig, darunter Ärztinnen und Ärzte (2,1 VK), Kinderund Jugendlichen-Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten (1,6 VK), Psychologinnen und Psychologen (1,3 VK), Kunsttherapeutinnen und Kunsttherapeuten (1,1 VK) sowie Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Systemische Therapeutinnen und Therapeuten und Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Ausbildung (2,7 VK). Insgesamt werden in dieser Ambulanz circa 350 Patientinnen und Patienten pro Quartal behandelt. Hinsichtlich des Trauma-Bereichs der psychiatrischen Institutsambulanz der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik des UKE siehe Drs. 21/13141. 4. Wie hat sich die durchschnittliche Wartezeit auf einen Therapieplatz in den jeweiligen Traumaambulanzen seit Juni 2018 entwickelt? Bitte im Durchschnitt je Ambulanz angeben. In der Flüchtlingsambulanz für Kinder und Jugendliche der Ambulanzzentrum des UKE GmbH beträgt die Wartezeit derzeit sieben bis acht Monate für einen Ersttermin, wobei für poststationäre Behandlungen Termine innerhalb von zwei Wochen vergeben werden können. Im Übrigen siehe Drs. 21/13141. 5. Wie viele Dolmetscher/-innen werden seit Juni 2018 in den Traumaambulanzen für welche Sprachen eingesetzt? Welche Qualifikationsanforderungen müssen die Dolmetscher/-innen erfüllen und wie werden sie vergütet seit Juni 2018? Das Ambulanzzentrum des UKE hat für die Flüchtlingsambulanz für Kinder und Jugendliche Honorarverträge mit 47 Dolmetscherinnen und Dolmetschern abgeschlossen , die insgesamt mehr als 21 Sprachen bedienen. Dies sind (Stand Januar 2019) im Wesentlichen Arabisch, Albanisch, Englisch, Dari/Farsi, Französisch, Fula, Pashto, Russisch, Serbisch/Kroatisch, Somali, Türkisch, Armenisch, Kurdisch, Tscheschenisch , Tigrinya, Soninke, Kurmanci, Sorani, Persisch, Mandinka. Die in der Flüchtlingsambulanz eingesetzten Dolmetscherinnen und Dolmetscher haben langjährige Erfahrung in der Flüchtlingsambulanz. Zudem besteht seit Längerem eine jährliche Pflichtfortbildung, die von der Ärztlichen Leitung durchgeführt wird. Die Pflichtfortbildung beinhaltet die Grundlagen und die Besonderheiten des Dolmetschens in dem therapeutischen Setting. Hinsichtlich der Traumaambulanz der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie und des Trauma-Bereichs der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik des UKE sowie der Vergütung der eingesetzten freiberuflichen Dolmetscherinnen und Dolmetscher siehe Drs. 21/13141. 6. Wie ist die Auslastung des Dolmetscher-/-innendienstes im International Office (IO) des UKE? Bitte mit Fallanzahlen pro Quartal und Dolmetscher /in angeben und den Anteil an Traumatisierungen bei Erwachsenen sowie Geflüchteten im Kindes- und Jugendalter bei den Fallzahlen angeben. Nach Auskunft des UKE werden aus dem International Office (IO) des UKE durchschnittlich 2 350 Einsätze pro Quartal an die freiberuflich als Honorarkräfte tätigen Dolmetscherinnen und Dolmetscher vermittelt. Für die meisten dieser Einsätze werden Kenntnisse der folgenden Sprachen nachgefragt: 1. Arabisch; 2. Dari/Farsi; Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/16349 3 3. Türkisch; 4. Russisch. Von den 2 350 Einsätzen pro Quartal im UKE entfallen durchschnittlich 150 Dolmetschereinsätze pro Quartal auf traumatisierte Erwachsene und Geflüchtete im Kindes- und Jugendalter. Nähere Angaben zur Auslastung der Dolmetscherinnen und Dolmetscher im International Office des UKE sind dem UKE nicht möglich, da die Dolmetscherinnen und Dolmetscher als freiberufliche Honorarkräfte für das UKE tätig werden und über ihre Einsätze und Tätigkeiten für das UKE und/oder Dritte frei und eigenständig entscheiden . Unabhängig hiervon wäre eine individualisierte Angabe von Einsatzzahlen pro Dolmetscherin/Dolmetscher aus Datenschutzgründen nicht zulässig. 7. Wie viele Sprachmittlerinnen und Sprachmittler sind bei Segemi e.V. seit Juni 2018 unter Vertrag? Welche Sprachen werden abgedeckt und wie viele Anfragen konnten bedient werden? Wie werden sie vergütet? Bitte seit Juni 2018 angeben. Der „Dolmetscherpool für psychotherapeutische Behandlung von traumatisierten und psychisch kranken Flüchtlingen“ (siehe Drs. 21/6411) von Segemi e.V. hatte 71 Sprachmittlerinnen und Sprachmittler im 3. Quartal 2018 und 73 im 4. Quartal 2018 unter Vertrag, die folgende 42 Sprachen bedienen können: Albanisch, Amharisch, Arabisch, Armenisch, Aserbaidschanisch, Bambara, Belarussisch , Bosnisch, Bulgarisch, Dari/Farsi, Englisch, Französisch, Fula, Hindi, Italienisch, Kirgisisch, Kroatisch, Kurdisch (Sorani, Kurmandschi, Khanaqiny), Mandinka, Mazedonisch , Nigerianisches Pidgin, Oruba, Pashto, Persisch (Dari/Farsi), Polnisch, Rumänisch, Russisch, Serbisch, Spanisch, Somali, Tadschikisch, Tigrinya, Türkisch, Tschetschenisch, Twi, Ukrainisch, Urdu, Urhobo, Vietnamesisch, Wolof. Seit Projektbeginn (01.07.2017) konnten 380 Anträge bis 31. Dezember 2018 bewilligt werden, davon 152 im 3. und 4. Quartal 2018. Vom 01. Juli 2017 bis 31. Dezember 2018 konnten 1.840 psychiatrische beziehungsweise psychotherapeutische Sitzungen mit Sprachmittlerinnen beziehungsweise Sprachmittlern durchgeführt werden, davon 839 im 3. und 4. Quartal 2018. Das Honorar für die Sprachmittlerinnen und Sprachmittler beträgt 35 Euro pro Stunde zuzüglich 10 Euro für Fahrtkosten. 8. Welche finanziellen Mittel sind seit einschließlich 2018 und planmäßig für 2019 und 2020 für das koordinierende Zentrum für die Beratung und Behandlung von Folteropfern, Ankerland e.V. Traumatherapiezentrum sowie für First Steps for Tomorrow bereit gestellt? Für das Koordinierende Zentrum sind jährlich bis zu 1 Million Euro vorgesehen. Ankerland e.V. erhält aus Mitteln des Hamburger Integrationsfonds vom 01.09.2017 bis zum 31.08.2019 insgesamt 145 560 Euro, davon 24 260 Euro im Jahr 2017, 84 900 Euro im Jahr 2018 und 36 400 Euro im Jahr 2019. Mit Drs. 21/14468 hat die Bürgerschaft beschlossen, zudem weitere 50 000 Euro zur Förderung der Etablierung und Sicherstellung der Traumatherapie für minderjährige unbegleitete Geflüchtete zur Verfügung zu stellen. Zur Finanzierung von „First Steps for Tomorrow“ siehe Drs. 21/13141. 9. Welche finanziellen Mittel hatte die Stadt der Flüchtlingsambulanz für Kinder- und Jugendliche für 2018 und planmäßig für 2019 und 2020 gestellt? Für das Jahr 2018 hat das UKE 98 985,44 Euro erhalten. Für das Jahr 2019 wurden 102 461,53 Euro bewilligt. Für 2020 liegt noch kein Antrag vor. 10. Welche Organisationen, Initiativen und Behandlungsangebote werden im koordinierenden Zentrum für die Beratung und Behandlung von Folteropfern und traumatisierten Geflüchteten der Planung nach inbegriffen sein? 11. In meiner Schriftlichen Kleinen Anfrage Drs. 21/13141 gibt der Senat an, dass die Träger der beiden geeigneten Konzepte des koordinierenden Zentrums für die Beratung und Behandlung von Folteropfern und traumatisierten Geflüchteten sich auf eine Kooperation verständigt und ein Drucksache 21/16349 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 gemeinsames Konzept erarbeitet haben. Bitte das Konzept im Wortlaut anhängen. 12. In der in Frage 11. genannten Schriftlichen Kleinen Anfrage Drs. 21/13141 gibt der Senat zudem an, dass die Beratungen bezüglich einer konkreten Umsetzung des Zentrums zum Ende des 3. Quartals 2018 abgeschlossen werden. Wenn sie nicht abgeschlossen sind, warum nicht? 13. Ist das koordinierende Zentrum für Beratung und Behandlung von Folteropfern und traumatisierten Geflüchteten inzwischen einsatzbereit, zumal in Drs. 21/13141 angegeben wurde, dies sei noch im Jahr 2018 der Fall? Wenn nein, warum nicht? Über die Verständigung der konzeptionellen Leistungsanforderungen zur Errichtung eines koordinierenden Zentrums zur Behandlung von Folteropfern und traumatisierten Flüchtlingen hinaus waren nachträglich noch Finanzierungs-, Förder- und Vergabebedingungen zu klären. Diese Klärungen sind abgeschlossen. Es ist nunmehr geplant, im Wege eines bei der Bewilligung von Zuwendungen praktizierten Bekanntgabeverfahrens Anforderungen an Konzepte und Förderbedringungen im März 2019 öffentlich zu machen, sodass sich Organisationen oder Zusammenschlüsse von Organisationen für die Aufgabe bewerben können. Eine schnellstmögliche Umsetzung wird angestrebt . Im Übrigen ist das Verfahren noch nicht abgeschlossen. 14. Werden die für die in 8. und 9. genannten Mittel und seit 2018 in voller Höhe abgerufen? Wenn nein, warum nicht? Für das koordinierende Zentrum siehe Antwort zu 10. bis 13. Bezüglich Ankerland e.V. und „First Steps for Tomorrow“ geht die zuständige Behörde davon aus, dass die Mittel bis Ende des Zuwendungszeitraumes vollständig abgerufen werden. Die Mittel für die Flüchtlingsambulanz für Kinder und Jugendliche wurden nach Auskunft des UKE für das Jahr 2018 in voller Höhe abgerufen.