BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/16406 21. Wahlperiode 08.03.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 28.02.19 und Antwort des Senats Betr.: 7 000 Euro für Terrorhelfer – Justizpanne mit Folgen Nach aktuellen Presseberichten ist bei der Abschiebung des Terrorhelfers und Verurteilten M. nach Marokko in der JVA Fuhlsbüttel ein Versehen der Justiz geschehen. M. war als Mitglied der Terrorgruppe al-Qaida beteiligt an dem Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 in New York. Die Gefängnisverwaltung der JVA Fuhlsbüttel soll diesem Mann circa 7 000 Euro von seinem Häftlingskonto ausgezahlt haben und dies, obwohl die Zahlungen an ihn nach einer Verordnung der Europäischen Union (EU) rechtlich unzulässig waren. Er ist dort als Terror-Verdächtiger aufgelistet. Die Bundesbank habe bereits im Oktober 2018 Anzeige erstattet, da die Auszahlung gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstoße. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Aufgrund einer Anzeige der Deutschen Bundesbank vom 23. Oktober 2018 wurden bei der Staatsanwaltschaft Hamburg Ermittlungen gegen unbekannt wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) aufgenommen. Hintergrund der Anzeige ist die Auszahlung des vorhandenen Guthabens vom Gefangenenkonto des Verurteilten M. in Höhe von 7 194,43 Euro am 15. Oktober 2018 im Zusammenhang mit seiner Abschiebung nach Marokko. M. wird in der Liste der Personen , Gruppen und Organisationen in Anhang I der EG-VO Nummer 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002 geführt und unterliegt somit sanktionsrechtlichen Beschränkungen . Gegenstand der Ermittlungen ist die Frage, ob ein strafrechtlich relevantes Verhalten der an verschiedenen Stellen an der Auszahlung und Weitergabe des Kontoguthabens beteiligten Personen vorgelegen hat. Dabei ist auch aufzuklären, durch wen und in welcher Höhe gegebenenfalls Gelder an den Verurteilten M. gelangt sind. Die JVA Fuhlsbüttel erhielt am 20. Dezember 2018 Kenntnis von den strafrechtlichen Ermittlungen, worüber sie im Weiteren die Aufsichtsbehörde informierte. Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft ist am 28. Februar 2019 auf Grundlage der Zentralstellen-Errichtungsanordnung zuständigkeitshalber von der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg übernommen worden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt. 1. Hat Justizsenator Steffen dafür gesorgt, dass die JVAs über die EU- Verordnung informiert wurden, wonach Konten Inhaftierter mit Terrorverdacht gesperrt werden müssen? a. Wenn ja, wie und seit wann? b. Wenn nein, warum nicht und welche Maßnahmen fehlten? 2. Warum hatten Mitarbeiter der JVA Fuhlsbüttel keine Kenntnis davon, dass Zahlungen vom Häftlingskonto an M. rechtlich unzulässig waren? Drucksache 21/16406 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 a. Inwiefern gab es keinerlei Informationen durch die Justizbehörde oder durch eine andere zuständige Stelle? b. Warum wurde das Konto des Inhaftierten M. auf Grundlage welcher EU-Verordnung nicht gesperrt? Wer trägt dafür aus Sicht der Behörde die Verantwortung? Über den Umgang mit Sanktionsmaßnahmen zur Terrorbekämpfung wurden sämtliche Justizvollzugsanstalten der Freien und Hansestadt Hamburg mit Schreiben der Justizbehörde vom 19. Januar 2007 unterrichtet. Hierin enthalten war eine Handlungsanleitung zu Rechtsgrundlagen und Inhalt von Sanktionen, der Umsetzung (einschließlich des Verfahrens zur Einholung von Sondergenehmigungen) und Folgen bei Verstößen. Bis zum Zeitpunkt der Ausantwortung des Verurteilten M. wurde in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Fuhlsbüttel entsprechend verfahren. Im Übrigen betrifft die Beantwortung der Fragen den Gegenstand der laufenden Ermittlungen. Um den Untersuchungszweck nicht zu gefährden, können weitere Angaben derzeit nicht gemacht werden. 3. Wer beziehungsweise welche zuständige Stelle hat die Zahlung von 7 000 Euro von dem Häftlingskonto am Tag der Freilassung an M. auf Grundlage welcher Anweisung angeordnet? 4. Seit wann hat der Justizsenator Steffen Kenntnis von der Zahlung in Höhe von 7 000 Euro an den Verurteilten M. erhalten? a. Welche Maßnahmen wurden von welcher zuständigen Stelle seit der Kenntnis der Zahlung unternommen? b. Welchen konkreten Beitrag leistet die Justizbehörde zur Aufklärung dieses Versehens? 5. Seit wann ist ein möglicher Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz, gegen die EU-Verordnung und gegebenenfalls gegen weitere rechtliche Bestimmungen der JVA Fuhlsbüttel und der Justizbehörde bekannt gewesen? a. Wie haben die Justizbehörde und die JVA Fuhlsbüttel darauf regiert? b. Wurde bereits im Oktober 2018 auf die Anzeige der Bundesbank reagiert? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht? c. Welche Gespräche mit welchem Ergebnis gab es mit welcher zuständigen Stelle unter Beteiligung welcher Personen? d. Welche Anweisungen, Maßnahmen wurden daraufhin von welcher zuständigen Stelle ergriffen? e. Wie und seit wann wurde mit der Staatsanwaltschaft zusammengearbeitet oder wurde erst seit Aufnahme des Ermittlungsverfahrens im November 2019 reagiert? f. Welche weiteren Probleme kann dieser Fall nach sich ziehen, insbesondere Verdacht auf Förderung der Terrorgruppe durch die Liste der UNO, auf der sich M. ebenfalls befindet? Siehe Vorbemerkung. Sämtliche beteiligten Dienststellen der Freien und Hansestadt Hamburg unterstützen die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, die im Falle des Verdachts einer Straftat zur Sicherung des Untersuchungszwecks grundsätzlich Vorrang vor eigenen Aufklärungsbemühungen haben. Im Übrigen betrifft die Beantwortung der Fragen den Gegenstand der laufenden Ermittlungen. Um den Untersuchungszweck nicht zu gefährden, können weitere Angaben derzeit nicht gemacht werden. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/16406 3 6. In welchem Zeitraum wird der Ausschuss für Justiz und Datenschutz über den Vorgang der Zahlung an M. informiert? Wenn die parlamentarischen Ausschüsse eine entsprechende Information durch den Senat wünschen, wird der Senat entsprechende Auskünfte geben, soweit dies ohne Gefährdung des anhängigen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens möglich ist, beispielsweise am 4. April 2019 in einer dann zu beschließenden Selbstbefassung. Der Umfang einer möglichen Information ist damit auch vom Fortgang des Ermittlungsverfahrens abhängig. 7. In wie vielen Fällen seit dem Jahr 2010 bis zum Jahr 2019 gab es Zahlungen an Verurteilte von Häftlingskonten, welche abgeschoben beziehungsweise aus Hamburg ausgewiesen wurden? Bitte nach Jahren, der Höhe der Zahlung und dem Land, in das die Ausweisung /Abschiebung erfolgte, darstellen. Zur Beantwortung der Frage wäre eine Auswertung aller erfolgten Entlassungen erforderlich, die dann wiederum nach dem Entlassungsgrund der Ausweisung/ Abschiebung gefiltert werden müssten. Im Anschluss müsste eine Einzelauswertung dieses Personenkreises dergestalt erfolgen, dass jeder einzelne Kontostand zum erfragten Zeitpunkt aufgerufen und ausgewertet wird. Allein für die Jahre 2015 bis 2019 – und lediglich für Fälle gemäß § 456a StPO – wären dies 318 Fälle. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Übrigen liegen den Zahlstellen der Justizvollzugsanstalten elektronische Daten erst ab Mitte des Jahres 2014 vor, da die Vorjahre unter die allgemeine Löschfrist fallen. Die Vorjahre müssten ebenfalls anhand der Gefangenenpersonalakten, die sich in den Archiven befinden, händisch ausgewertet werden.