BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/16415 21. Wahlperiode 08.03.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 01.03.19 und Antwort des Senats Betr.: Versagt die Integration in Neuallermöhe? Die Integration der nach Hamburg zugewanderten jungen Menschen und die Kinder der Zugewanderten stellen eine besondere Aufgabe für das Hamburger Schulwesen und die Hamburger Schulen dar. Nur mit frühzeitigen Lösungsstrategien können Probleme von Morgen in den Stadtteilen vermieden werden. Ein Mittel ist es, Schüler mit Migrationshintergrund auf möglichst viele Schulen im Stadtgebiet zu verteilen. Dementsprechend sollen in keiner Klasse mehr als vier neu zugewanderte Schüler aus einer Flüchtlingsunterkunft unterrichtet werden. Zudem sollen für sensible Quartiere pädagogische Konzepte, eine sozialräumliche Vernetzung und Sozialprojekte eine gute Integration ermöglichen. Tatsächlich ist der Schulalltag jedoch von einem steigenden Konflikt- und Gewaltpotenzial in Neuallermöhe gezeichnet. Zunehmend tragen Kinder ihre ethnischen und religiösen Konflikte in der Schule aus. Die Schule wird so zunehmend zum Ort der Erziehung statt der Bildung. Ein positives Beispiel, Kinder mit Verhaltens- und oder Lernproblematiken aufzufangen, ist die seit 2012 erfolgreich arbeitende „Zauberinsel“ in der Adolph-Diesterweg-Schule. Hier können Konflikte zwischen Elternhaus und Schule auf Anfrage von Lehrern und Schülern niedrigschwellig parallel zum Schulalltag gelöst werden. Das Angebot der „Zauberinsel“ mit den Eltern und integrativen Lerngruppen entlastet den Unterricht von emotionalen und sozialen Themen, sodass die fachlichen Inhalte nicht zu kurz kommen. Neben der Integrationsarbeit ist die Inklusion ein ebenso wichtiges wie großes Aufgabenfeld, das an den Schulen bewerkstelligt werden muss. Dennoch soll die „Zauberinsel“ zum Schuljahreswechsel 2018/2019 eingestellt werden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Das Schulprojekt „Zauberinsel“ an der Adolph-Diesterweg-Schule ist eine Integrierte Lerngruppe (ILG), in der bis zu zehn Schülerinnen und Schüler mit besonders herausforderndem Verhalten betreut werden. Die Einrichtung besteht seit Februar 2014. Vergleichbare Lerngruppen gibt es an zahlreichen Bergedorfer und Hamburger Schulen . Unterricht und Betreuung der Schülerinnen und Schüler werden einerseits durch die Schule über Lehrerstellenanteile und andererseits durch das Bezirksamt über Jugendhilfemittel organisiert und finanziert. Kooperationspartner der Schule ist jeweils ein Jugendhilfeträger, in diesem Fall der Hamburger Kinder- und Jugendhilfe e.V. Grundlage dieser Einrichtungen ist die Rahmenvereinbarung „Regionale Kooperationen zwischen Schule und Jugendhilfe für die Bildung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit besonders herausforderndem Verhalten“. Die Mittel der Rahmenvereinbarung werden als Zweckzuweisung von der für Arbeit, Soziales, Familie und Integration zuständigen Behörde an die Bezirksämter vergeben. Der aktuell bewilligte Förderzeitraum für das Projekt „Zauberinsel“ endet in Abstimmung zwischen dem Drucksache 21/16415 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Bezirksamt Bergedorf und dem Regionalen Bildungs- und Beratungszentrum (ReBBZ) Bergedorf mit dem Schuljahr 2018/2019. An welchen Schulen solche Lerngruppen eingerichtet werden, entscheiden das zuständige Bezirksamt und das örtliche ReBBZ unter Einbeziehung einer Steuerungsgruppe mit Vertreterinnen und Vertretern aus der für Arbeit, Soziales, Familie und Integration zuständigen Behörde und der für Bildung zuständigen Behörde gemeinsam . Es geht insofern keineswegs um eine Einsparung, sondern um eine bedarfsgerechtere Verteilung der Mittel. Die Mittel bleiben sowohl dem Bezirksamt Bergedorf wie auch den Schulen in Neuallermöhe erhalten. In Neuallermöhe wird zurzeit geprüft, wie die Mittel bedarfsgerechter auf die Schulen verteilt werden können. In einem gemeinsamen Prozess wollen Vertreterinnen und Vertreter des ReBBZ und des Bezirksamtes mit allen Schulen jetzt Wege erörtern, wie alle betroffenen Schulen von dem Angebot profitieren können. Denkbar ist eine bedarfsgerechte Aufteilung der zusätzlichen Mittel auf alle betroffenen Schulen, denkbar ist aber auch eine gemeinsame Kooperation aller betroffenen Schulen. Hierzu werden die betroffenen Grundschulleitungen, das ReBBZ Bergedorf als zuständige Beratungseinrichtung der für Bildung zuständigen Behörde und das Jugendamt Bergedorf ein Konzept erarbeiten, bei dem der individuelle Bedarf der Schülerinnen und Schüler pro Schule berücksichtigt wird. In den Prozess werden die Träger auf der Grundlage eines Interessenbekundungsverfahrens einbezogen. Die Entscheidung, welcher Träger den Auftrag erhält, wird von der hamburgweiten Steuerungsgruppe getroffen, der neben Vertreterinnen der für Arbeit, Soziales, Familie und Integration zuständigen Behörde und der für Bildung zuständigen Behörde eine Leitung eines ReBBZ und zwei Jugendamtsleitungen angehören. Die Überlegungen der beteiligten Stellen für eine Neuausrichtung in Neuallermöhe sind noch nicht abgeschlossen. Es gibt jedoch keine Planungen, Kooperationsangebote zwischen Schule und Jugendhilfe ersatzlos zu streichen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Können angesichts der Großunterkunft Am Mittleren Landweg die Vorgaben für die umliegenden Schulen eingehalten werden, dass nicht mehr als vier neu zugewanderte Schüler in einer Klasse unterreichtet werden? Wenn ja, welche Verlängerung für die Schulwege hat das zur Folge? Wenn nein, wie soll dennoch eine Integration gelingen? Ja, auch im Schuljahr 2018/2019 werden nicht mehr als vier Schülerinnen oder Schüler , die aus einer Wohnunterkunft kommen, in einer Regelklasse beschult. Für die Kinder der Unterkunft am Mittleren Landweg werden Schulbusse eingesetzt, damit diese die jeweiligen Grundschulen (Heidhorst, Fünfhausen-Warwisch, Ernst-Henning- Straße, Mendelstraße und Sander Straße) gut erreichen sowie am Ganztagsangebot teilnehmen können und eine angemessene Verteilung auf die Bergedorfer Schulen erfolgen kann. 2. Welche gemeinsamen (Präventions-)Projekte von Schule, Eltern und Kindern gibt es in Neuallermöhe seit wann? Neben dem Schulprojekt „Zauberinsel“ wird an der Stadtteilschule Gretel Bergmann in Neuallermöhe in Kooperation mit dem Jugendhilfeträger Alsterdorf Assistenz Ost seit dem 1. November 2016 entsprechend der Rahmenvereinbarung „Regionale Kooperationen zwischen Schule und Jugendhilfe für die Bildung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit besonders herausforderndem Verhalten“ eine ILG angeboten. Daneben werden in Kooperation von Schulen und dem Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) für Schülerinnen und Schüler mit Fluchterfahrung beziehungsweise Migrationshintergrund Kurse „Deutsch als Zweitsprache“ mit dem Ziel der zeitnahen Partizipation und Teilhabe am Unterricht, der Integration und somit der Förderung einer beruflichen Perspektive angeboten. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/16415 3 Darüber hinaus steht das ReBBZ Bergedorf für Eltern sowie Schülerinnen und Schüler der Unterkunft „Mittlerer Landweg“ als ständiger Ansprechpartner und zusätzlich einmal wöchentlich vor Ort zur Verfügung. Temporäre Lerngruppen (TLG) sowie ein Gruppenangebot von intera.hamburg stehen allen Schülerinnen und Schülern mit psychiatrischen Grunderkrankungen der Schulen Bergedorfs im ReBBZ Bergedorf zur Verfügung. 3. Sollen aktuell „Schul-Eltern-Kind-Projekte“ eingestellt werden, obwohl der Bedarf an Schulen wächst? Wenn ja, warum werden statt Streichung nicht eher Konzeptveränderungen zusammen mit den aktuellen Trägern ausgearbeitet? 4. Ist es zutreffend, dass statt „Schul-Eltern-Kind-Projekten“ ein neues Konzept ausschließlich auf behördlicher Ebene erarbeitet werden soll, unter Ausschluss der freien Träger? Wenn ja, warum und verstößt dies nicht gegen die Rahmenvereinbarung Jugendhilfe/Schule? Siehe Vorbemerkung. 5. Wurde der Jugendhilfeausschuss der Bezirksversammlung Bergedorf beteiligt? Wenn ja, wann und in welcher Form sowie mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? Die Jugendhilfeausschüsse der Bezirksämter sind an der Mittelverteilung nicht beteiligt . Eine allgemeine Information des Jugendhilfeausschusses unter anderem zu dem Thema Schule/Jugendhilfe erfolgt in der Regel im Zusammenhang mit den thematischen Schwerpunktsetzungen des Ausschusses. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 6. Wie können gegebenenfalls das Jugendamt und das Regionale Bildungs - und Beratungszentrum Bergedorf (ReBBZ) das Risiko für die Kinder und Familien einschätzen, zumal vom bisherigen Projekt der „Zauberinsel“ mehrere Fälle der Kindeswohlgefährdung an den Allgemeinen Sozialen Dienst gemeldet wurden und diese zusätzliche Einschätzung nicht mehr gewährleistet wäre? Bei Bekanntwerden von Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung bearbeitet der ASD die Meldung nach einem geregelten Verfahren, schätzt das Risiko für das Kind nach § 8a des SGB VIII ein und sorgt für erforderliche Maßnahmen, um die Gefährdung des Kindes abzuwenden. Mit dem neuen Konzept sollen die Zusammenarbeit aller drei Grundschulen mit ReBBZ und Jugendhilfe auch im Blick auf mögliche Kindeswohlgefährdungen optimiert werden. Schon jetzt ist es eine Regelaufgabe von Schulen, bei Kindeswohlgefährdung das Jugendamt einzubeziehen. Auch stehen ASD und ReBBZ in Einzelfällen mit den Schulen in Kontakt. 7. Welche Alternativen haben die Eltern aktuell ohne „Schul-Eltern-Kind- Projekte“ und an wen können sie sich zwecks Beratung wenden? Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für Eltern sind in allen Schulen die Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer, die Schulleitungen, die Beratungslehrerinnen und Beratungslehrer, die Förderkoordinatorinnen und Förderkoordinatoren sowie die Kinderschutzfachkräfte . Darüber hinaus können sich die Eltern jederzeit an die Psychologinnen und Psychologen, die Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen sowie die Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen der ReBBZ-Beratungsabteilung wenden. Ebenso stehen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ASD, die Kinderschutzbeauftragten des Bezirks sowie die Fachkräfte Gewaltprävention im Kindesalter (GiK) in ASD und/oder ReBBZ, die stets als Tandem arbeiten, zur Verfügung. Hinzu kommen Einrichtungen freier Träger oder kommunaler Träger der Jugendhilfe im Bezirk, die bei unterschiedlichen Fragestellungen und Problemlagen Beratung der Drucksache 21/16415 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 kommunalen Träger und Unterstützung anbieten und über den ASD erfragt werden können. 8. Wie soll die gleiche Qualität nach der Auflösung der „Zauberinsel“ erreicht werden, wenn die gleichen Mittel auf drei Schulen verteilt werden ? Siehe Vorbemerkung.