BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/16478 21. Wahlperiode 15.03.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dirk Nockemann (AfD) vom 08.03.19 und Antwort des Senats Betr.: Warum so viele Strafprozesse ohne Verurteilung enden Das „Hamburger Abendblatt“ berichtet in seiner Ausgabe vom 06.03.2019 über die strafprozessualen Verurteilungsquoten der Hamburger Justiz. Danach wurden in den am Landgericht anhängigen Verfahren zwei Drittel und vor den Hamburger Amtsgerichten etwas mehr als ein Drittel der Täter verurteilt. Die Anteile ohne direkte Verurteilung sollen sich aufteilen in diejenigen Verfahren , die vorläufig mit oder ohne Auflagen eingestellt wurden (§§ 153 fortfolgende StPO) und denjenigen, die entweder durch Verbindung oder durch Verfahrenshindernisse erledigt worden sind. Ein nicht unerheblicher Teil habe sich auch dadurch erledigt, dass Anklagen nicht zur Hauptverhandlung wegen mangelnder Erfolgsaussicht zugelassen worden seien. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Quote der Verurteilungen ist für sich kein Indikator für die Belastungssituation oder die Qualität der Rechtsprechung.  Die Strafprozessordnung (StPO) sieht für die Strafgerichte nach Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft neben der Verurteilung verschiedene weitere Arten der Verfahrenserledigung vor, durch die den Umständen des jeweiligen Einzelfalles und dem Ergebnis der Beweisaufnahme Rechnung getragen werden kann und von denen einige im Folgenden dargestellt werden. Bei Vergehen, also bei Taten, die im Mindestmaß mit einer Freiheitsstrafe von unter einem Jahr oder mit Geldstrafe geahndet werden, kann das Gericht das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und mit Zustimmung der oder des Beschuldigten bei geringer Schuld einstellen (§ 153 Absatz 2 StPO). Eine „vorläufige“ Einstellung ist in diesem Fall nicht vorgesehen. Zum anderen kann das Gericht – ebenfalls bei Vergehen und mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und der oder des Beschuldigten – das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich Auflagen und/oder Weisungen erteilen , wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht (§ 153a Absatz 2 StPO). Hier kommt etwa die Zahlung eines Geldbetrages zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse in Betracht. Erfüllt die oder der Beschuldigte die Auflagen und/oder Weisungen, wird das Verfahren endgültig eingestellt. Auch im Jugendstrafrecht sind vergleichbare Einstellungsmöglichkeiten des Gerichts entweder unter Erteilung von Auflagen, Weisungen oder erzieherischen Maßnahmen oder ohne gegeben (§ 47 JGG). Neben der Einstellung bei dauerhaften Verfahrenshindernissen (§ 206a StPO) gehen auch vorläufige Verfahrenseinstellungen wegen Abwesenheit der oder des Beschul- Drucksache 21/16478 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 digten oder wegen eines anderen in ihrer beziehungsweise seiner Person liegenden, der Hauptverhandlung entgegenstehenden Hindernisses in die Gesamtstatistik ein (§ 205 StPO). Gleiches gilt für Verfahren, die durch die Verbindung mit einer anderen Sache erledigt werden. Zudem kommt vor dem Amtsgericht insbesondere im Falle des Ausbleibens oder der Abwesenheit der oder des Angeklagten unter bestimmten Voraussetzung auch noch nach Eröffnung des Hauptverfahrens der Erlass eines Strafbefehls in Betracht (§ 408a StPO). Diese Strafbefehle werden neben den Verurteilungen gesondert statistisch erfasst. Ein freisprechendes Urteil ergeht hingegen, wenn die Unschuld des Angeklagten entweder erwiesen ist oder seine Schuld aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt werden kann. Dabei werden die genauen Gründe, die zu einem Freispruch führen, nicht statistisch erfasst. Am Amtsgericht werden nach der StPO von vornherein nur solche Verfahren geführt, in denen kein besonders hohes Strafmaß zu erwarten ist. Daher liegen die Zahl der Einstellungen – gegebenenfalls unter Auflagen – und andere Verfahrensabschlüsse hier naturgemäß höher als beispielsweise bei Strafsachen am Landgericht. Im Übrigen lassen sich die Fragen aus der Geschäftsstatistik der Strafgerichte nicht in Bezug auf die Anzahl der Verfahren beantworten und werden daher im Folgenden in Bezug auf die Anzahl der Beschuldigten in Strafverfahren beantwortet. Dieses vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie hoch ist im Jahre 2018 der Anteil derjenigen Verfahren gewesen, die im Rahmen des § 153 StPO vorläufig und anschließend endgültig eingestellt wurden? Die Hamburger Amtsgerichte haben für 4,3 Prozent aller Beschuldigten das Strafverfahren nach § 153 StPO wegen Geringfügigkeit eingestellt. Beim Landgericht Hamburg liegt dieser Anteil bei 1,9 Prozent für die Berufungsverfahren. Bei den erstinstanzlichen Verfahren des Landgerichts gab es keine derartigen Fälle. 2. Wie hoch ist im Jahre 2018 der Anteil derjenigen Verfahren gewesen, die im Rahmen des § 153 a StPO vorläufig und anschließend endgültig eingestellt wurden? Die Hamburger Amtsgerichte haben für 8,7 Prozent aller Beschuldigten das Strafverfahren nach § 153a StPO mit Auflagen und/oder Weisungen eingestellt. Beim Landgericht Hamburg liegt dieser Anteil bei 1,5 Prozent für die erstinstanzlichen Strafverfahren und 5,5 Prozent für die Berufungsverfahren. Im Übrigen schließt die Geschäftsstatistik der Strafgerichte Strafverfahren statistisch ab, sobald die entsprechende Entscheidung des Gerichts vorliegt. Die endgültige Einstellung wird statistisch nicht erfasst. Für 2018 handelt es sich um rund 2 200 landgerichtliche und rund 16 000 amtsgerichtliche Verfahren, die bezüglich einer endgültigen Einstellung händisch ausgewertet werden müssten. Dies ist in der für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 3. Wie hoch ist im Jahre 2018 der Anteil derjenigen Verfahren gewesen, die durch Verfahrenshindernisse eingestellt werden mussten? Die Hamburger Amtsgerichte haben für 0,4 Prozent aller Beschuldigten das Strafverfahren wegen Verfahrenshindernisses (§ 206 a StPO) eingestellt. Beim Landgericht Hamburg liegt dieser Anteil bei 0,5 Prozent für die erstinstanzlichen Strafverfahren und 0,4 Prozent für die Berufungsverfahren. 4. Wie hoch ist im Jahre 2018 der Anteil derjenigen Verfahren gewesen, in denen die Anklage nicht zur Hauptverhandlung vor dem erkennenden Gericht zugelassen worden sind? Bitte nach Amts- und Landgericht differenzieren . Die Hamburger Amtsgerichte haben bei 1,1 Prozent aller Beschuldigten die Anklage nicht zur Hauptverhandlung zugelassen. Beim Landgericht Hamburg liegt dieser Anteil bei 3,0 Prozent für die erstinstanzlichen Strafverfahren. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/16478 3 5. Wie hoch ist im Jahre 2018 der Anteil derjenigen Verfahren gewesen, die durch Freispruch beendet wurden? Bitte nach Amts- und Landgericht differenzieren. Bei den Hamburger Amtsgerichten endeten die Verfahren für 6,2 Prozent aller Angeklagten mit einen Freispruch. Beim Landgericht Hamburg liegt dieser Anteil bei 7,2 Prozent für die erstinstanzlichen Strafverfahren und 2,6 Prozent für die Berufungsverfahren . 6. Wo lagen die Gründe der erfolgten Verfahrensbeendigungen durch Freisprüche ? Bitte nach Amts- und Landgericht differenzieren. Siehe Vorbemerkung. Für 2018 handelt es sich um rund 2 200 landgerichtliche und rund 16 000 amtsgerichtliche Verfahren, die bezüglich der Entscheidungsgründe händisch ausgewertet werden müssten. Dies ist in der für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.