BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/16512 21. Wahlperiode 19.03.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Detlef Ehlebracht, Harald Feineis und Peter Lorkowski (AfD) vom 13.03.19 und Antwort des Senats Betr.: Arbeitsplatz Lärmschutztunnel – Wie sieht die Realität für Polizei und Rettungskräfte aus? Im Hamburger Westen entsteht ein europaweit zukunftsweisendes Lärmschutzprojekt . Im Zuge der Erweiterung der A 7 werden drei Tunnel von insgesamt 3 753 Metern und zum Teil bis zu zehn Fahrstreifen inklusive beidseitiger Standstreifen geschaffen.1 Um die Umgebung trotz des zunehmenden Verkehrs auf der Autobahn zuverlässig vor dem Verkehrslärm schützen zu können, sind neben entsprechenden Wänden und Wällen sowie Flüsterasphalt auch drei Lärmschutztunnel geplant – Herzstücke der gesamten Lärmschutzmaßnahmen . „Ein Gewinn an Lebensqualität“, schwärmt der Senat.2 Von Lebensqualität können die Einsatzkräfte bei der Unfallaufnahme aber sicherlich nicht sprechen. Denn anders als beim Elbtunnel kann zwecks Unfallaufnahme nicht etwa eine Röhre gesperrt werden. Hier herrscht stets Verkehr in beiden Richtungen. Erschwerend kommt hinzu, dass es ein spezielles Filtersystem für die Feinstaub-Belastung oder ein Absaugsystem für Abgase, wie etwa im Elbtunnel, nicht gibt.3 In allen drei Tunneln blasen Ventilatoren mit Längslüftung die Abgase über die Tunnelausfahrten hinaus.4 Bei Unfällen oder sonstigen Ereignissen, die einen Einsatz von Rettungskräften notwendig machen, müssen diese dann unter Umständen längere Zeit in den Tunneln verbringen. Sie könnten dadurch extremen gesundheitsschädigenden Schadstoffemissionen und Lärmbelästigungen ausgesetzt sein. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Die drei Lärmschutztunnel Schnelsen, Stellingen und Altona werden nach dem Regelwerk der europäischen Tunnelrichtlinie errichtet und geprüft. Von den drei zu errichtenden „Deckeln“ sind derzeit die Tunnel Schnelsen und Stellingen eingeschränkt in Betrieb. Bei beiden Tunnelbauwerken sind jeweils die zweiten Tunnelröhren noch fertigzustellen. In Schnelsen fahren in der baubedingten Phase in der Tunnelröhre West die Verkehre in beiden Fahrtrichtungen. Diese Verkehrsführung ist nur für Zeit bis zur Fertigstellung 1 https://de.wikipedia.org/wiki/Hamburger_Deckel. 2 https://www.hamburg.de/fernstrassen/ziele-und-nutzen/. 3 https://www.mopo.de/hamburg/bau-der-a7-deckel-das-groesste-auspuff-rohr-der-stadt- 28108968. 4 https://www.niendorfer-wochenblatt.de/2017/02/22/wieso-weshalb-warumij-fragen-zum-a7- deckel/. Drucksache 21/16512 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 der gesamten Tunnelanlage eingerichtet. Im Tunnel Stellingen wird baubedingt derzeit nur der Verkehr von der Anschlussstelle Stellingen in Fahrtrichtung Flensburg durch den Tunnel geführt. Mit Fertigstellung der jeweils zweiten Tunnelröhre wird im Normalbetrieb in den Röhren Ost der Richtungsverkehr Nord, in den Röhren West der Richtungsverkehr Süd geführt. Im Havariefall werden im Regelbetrieb zur Evakuierung der Nutzerinnen und Nutzer beide Röhren voll gesperrt. Bei schweren Havarieunfällen wird der Verkehr in einer Röhre in beiden Richtungen geführt, damit Bergungsarbeiten und Unfallschadensbeseitigung ohne Verkehr in der entsprechenden Röhre erfolgen können. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie oft kam es bisher vor, dass Sicherheits-, Rettungskräfte und/oder sonstige Arbeiter, zwecks Unfallaufnahme- und/oder Wartungsarbeiten sowie sonstiger Störungsbeseitigungen in den Tunneln arbeiten mussten und über gesundheitliche Beeinträchtigungen klagten? Bitte konkret benennen, um welche Beeinträchtigungen und Ereignisse es sich handelte . Am 14. Februar 2019 ereignete sich im Tunnel Schnelsen ein Verkehrsunfall, bei dem sich zwei Fahrzeuge ineinander verkeilten. Die im Rahmen des etwa zweistündigen Einsatzes eingesetzten Polizeibeamten klagten nach Einsatzabschluss über Kopfschmerzen und Hustenreiz. Darüber hinaus hat die Polizei keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung. Derartige Meldungen von Einsatzkräften der Feuerwehr liegen nicht vor. 2. Gab es mittlerweile Lärm- und Feinstaubmessungen in den Tunneln? Wenn ja, bitte sämtliche gewonnenen Ergebnisse darlegen. Wenn nein, warum nicht? 3. Existiert diesbezüglich eine Gefährdungsanalyse? Wenn ja, mit welchem Ergebnis, wenn nein, warum nicht? Eine Lärm- und Feinstaubmessung wird nicht durchgeführt, weil die Richtlinie des Bundes diese Messeinrichtungen für den Betrieb von Straßentunneln nicht vorsieht. 4. Als was für ein Arbeitsplatz wird der Elbtunnel klassifiziert beziehungsweise welcher Arbeitsplatzgrenzwert gemäß Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) wird hier angesetzt? Bitte sämtliche gewonnenen Ergebnisse aller erhobenen Stoffe chronologisch darlegen. Für Wartungsarbeiten des Tunnelbetreibers, die langfristig und in Abstimmung mit den dafür zuständigen Stellen in der verkehrsarmen Zeit (nachts und am Wochenende) vorgenommen werden, wurde eine Gefährdungsbeurteilung erstellt. 5. Wie wird garantiert, dass die Einsatzkräfte in den Tunnelbauten bei laufendem Fahrbetrieb keiner gesundheitlichen Gefährdung ausgeliefert sind? 6. Kommen während der Zeit der Unfallaufnahme und/oder Wartungsarbeiten sowie sonstiger Störungsbeseitigungen auch Maßnahmen einer Vollsperrung infrage? Der Elbtunnel ist für Einsatzkräfte der Feuerwehr und der Polizei kein Arbeitsplatz gemäß Arbeitsstättenverordnung. Grundsätzlich reduzieren Polizei und Feuerwehr den Aufenthalt an Einsatzorten, die besonderen Belastungen ausgesetzt sein können, soweit wie möglich sowohl bezüglich der Aufenthaltsdauer als auch der eingesetzten Kräfte. Dabei werden die erforderlichen Maßnahmen zur Eigensicherung ebenso wie der Schutz der Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer und der Infrastruktur berücksichtigt . Im Rahmen eines abgestuften Vorgehens ist erforderlichenfalls auch eine Vollsperrung der Fahrbahn möglich. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/16512 3 Im Übrigen ist Gegenstand regelmäßiger Prüfungen, inwieweit Einsatzkonzepte und Ausrüstung von Feuerwehr und Polizei den Anforderungen entsprechen oder Anpassungsbedarf besteht. 7. Warum wurden bei den Tunnelbauten nicht spezielle Filtersysteme für die Feinstaub-Belastung oder Absaugsysteme für Abgase, wie etwa im Elbtunnel, entwickelt? Die Tunnel Altona, Stellingen und Schnelsen werden beziehungsweise sind mit einem Längslüftungssystem versehen, bei dem jeweils eine Entlüftung über die Portale erfolgt. Nach Untersuchungen wurde festgestellt, dass an den Portalen alle Grenzwerte eingehalten werden. 8. Medienberichten zufolge wurde bereits ein Brand in einem der neuen Tunnel simuliert. Welche konkreten Ergebnisse ergab diese Untersuchung ? Und inwiefern ist dieses Ergebnis vergleichbar mit einem Brand im Elbtunnel? Nach den Richtlinien für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln (RABT) sind vor Inbetriebnahme jeder Tunnelanlage sogenannte heiße Brandversuche erforderlich , um die Funktion der Sicherheitseinrichtungen zu testen. Erst mit erfolgreichem Test aller Sicherheitsanlagen wird durch die Verwaltungsbehörde der Tunnel für den Verkehr freigegeben. 9. Ist in den Tunnelbauten die Kommunikation über Funk garantiert? Wenn nicht, welche alternativen Möglichkeiten existieren? Die neuen Tunnelbauwerke auf der A 7 sind beziehungsweise werden grundsätzlich mit einem standardisierten Funksystem für die Rettungs- und Sicherheitsdienste ausgerüstet . Zudem steht dem Tunnelbetreiber ein Betriebsfunksystem zur Verfügung. Eine Kommunikation über Mobilfunk ist ebenso möglich.