BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/16515 21. Wahlperiode 19.03.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Alexander Wolf (AfD) vom 13.03.19 und Antwort des Senats Betr.: Verstöße des IZH gegen die Wertegrundlagen des Staatsvertrags – Wie hat der Senat reagiert? Als Mitglied der SCHURA ist das Islamische Zentrum Hamburg seit November 2012 mittelbarer Partner des Senats und damit an die im Staatsvertrag fixierten Wertegrundlagen gebunden. Dort heißt es unter Artikel 2 (1): „Die Freie und Hansestadt Hamburg und die islamischen Religionsgemeinschaften bekennen sich (…) insbesondere zur Unantastbarkeit der Menschenwürde , der Geltung der Grundrechte, der Völkerverständigung und der Toleranz gegenüber anderen Kulturen, Religionen und Weltanschauungen sowie der freiheitlichen, rechtsstaatlichen und demokratischen Verfassung des Gemeinwesens. Sie sind sich einig in der Ächtung von Gewalt und Diskriminierung aufgrund von Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung, Glauben oder religiöser oder politischer Anschauungen und werden gemeinsam dagegen eintreten. (2) Die Freie und Hansestadt Hamburg und die islamischen Religionsgemeinschaften bekennen sich insbesondere zur Gleichberechtigung der Geschlechter und zur vollständigen und gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Mädchen am gesellschaftlichen und politischen sowie am schulischen und beruflichen Leben. Sie setzen sich für die Verwirklichung der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Mädchen ungeachtet ihrer religiösen Überzeugungen an Bildung, Erwerbstätigkeit und gesellschaftlichem Leben ein und wenden sich entschieden gegen jede Art von Diskriminierung .“1 Den Erkenntnissen des Landesamtes für Verfassungsschutz Hamburg zufolge hat das IZH in den vergangenen Jahren wiederholt gegen diese Wertegrundlagen verstoßen. In diesem Zusammenhang hat es etwa regelmäßig am antisemitischen Al-Quds-Tag in Berlin teilgenommen, bei dem gegen vermeintlich unrechtmäßige Besetzung Palästinas durch Israel demonstriert und dessen Existenzrecht direkt infrage gestellt wird. Darüber hinaus wird der israelischen Regierung ein Völkermord an den Palästinensern vorgeworfen. Schließlich vertritt das IZH eine Ideologie, die nach einhelliger Meinung der Sicherheitsbehörden nicht vereinbar mit dem Grundgesetz ist.2 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die deutsche Rechtsordnung kennt kein allgemeines staatliches Aufsichtsrecht über Religionsgemeinschaften. Auch die geschlossenen Verträge sehen keine „Auflagen“ oder „Sanktionen“ vor (siehe Drs. 21/14001). Die Teilnahme an einer antisemitischen Veranstaltung – auch wenn sie außerhalb Hamburgs stattfindet und versammlungs- 1 Confer Staatsvertrag Artikel 2. 2 Confer BT.-Drs. 18/13237. Seite 3. Drucksache 21/16515 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 rechtlich nicht verboten ist – verletzt jedoch die in Artikel 2 der Verträge verankerten Wertegrundlagen und stellt eine schwerwiegende Belastung für die Beziehungen zwischen der Stadt und SCHURA dar. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Vor der Unterzeichnung des Staatsvertrages am 22. November 2012 hatte das IZH in den Jahren 2004, 2009, 2010, 2011 und 2012 am Al-Quds-Tag in Berlin teilgenommen und die Veranstaltung teilweise sogar mit organisiert, während gleichzeitig führende IZH-Vertreter zu den Teilnehmern gehörten. Wie hat der Senat in den besagten Jahren jeweils auf die Teilnahme des IZH am Al-Quds-Tag reagiert? Bitte angeben , welche konkreten Maßnahmen seitens der involvierten Behörden erfolgt sind. 2. Nach Unterzeichnung des Staatsvertrags hat das IZH nachweislich in den Jahren 2013, 2014, 2015, 2016, 2017 und 2018 am Al-Quds-Tag teilgenommen und die Veranstaltung abermals mit organisiert sowie führende Vertreter als Teilnehmer nach Berlin entsandt. Wie hat der Senat darauf jeweils reagiert? Bei der Beantwortung bitte für jedes einzelne Jahr gesondert antworten und deutlich machen, welche Maßnahmen (Gespräche, Auflagen, Sanktionen) erfolgt sind. Bitte jeweils auch das Datum, den Ort, die Gesprächsteilnehmer sowie die hier beschlossenen Vereinbarungen nennen. Der Senat pflegt keine unmittelbaren Kontakte zum IZH. Die zwischen den verschiedenen Behörden und den muslimischen Verbänden geführten Gespräche werden nicht zentral erfasst und regelhaft nicht protokolliert, sodass sich im Nachhinein nicht flächendeckend rekonstruieren lässt, in welchen Gesprächen die Beteiligung des IZH am sogenannten Al-Quds-Tag angesprochen wurde. In der für die Beantwortung zur Verfügung stehenden Zeit konnten über die in den Drs. 21/7840 sowie 21/10401 hinaus genannten Gespräche jedoch die folgenden Kontakte recherchiert werden: Nr. Datum Art, Teilnehmer und Ort des Austauschs 1 22.03.2018 Gespräch von Vorstandsmitgliedern von SCHURA mit dem Staatsrat der Senatskanzlei und dem zuständigen Referenten (Rathaus) 2 21.06.2018 Gespräch von Vorstandsmitgliedern von SCHURA mit dem Staatsrat der Senatskanzlei und dem zuständigen Referenten (Rathaus) 3 13.08.2018 Gespräch von Vorstandsmitgliedern von SCHURA mit der zuständigen Abteilungsleiterin und dem zuständigen Referenten (Rathaus) 4 23.01.2019 Gespräch von Vorstandsmitgliedern von SCHURA einschließlich Herrn Hosseini mit dem Staatsrat der Senatskanzlei und dem zuständigen Referenten (Rathaus) 5 21.02.2019 Gespräch von Vorstandsmitgliedern von SCHURA mit der zuständigen Abteilungsleiterin und dem zuständigen Referenten (Rathaus) Darüber hinaus hat es in Einzelfällen noch E-Mail-Wechsel zwischen dem Vorstand von SCHURA und der zuständigen Behörde gegeben. Im Übrigen siehe Vorbemerkung . 3. Gemäß den Erkenntnissen des Landesamtes für Verfassungsschutz Hamburg gilt das IZH neben der iranischen Botschaft als wichtigste Außenstelle Teherans in Europa.3 In diesem Zusammenhang bringe das IZH systematisch schiitische Moscheeverbände in ganz Deutschland unter seine Kontrolle und arbeite auf eine weltweite schiitische Revolution hin. Ferner warnt der Verfassungsschutz davor, das IZH präsentierte sich bewusst als tolerante und gemäßigte Organisation, um die Öffent- 3 Confer BT.-Drs. 18/13237. Seite 3. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/16515 3 lichkeit über seine wahre Gesinnung hinwegzutäuschen. Auch wird deutlich darauf hingewiesen, dass das IZH die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtete Ideologie Teherans teile.4 Wie geht dieser Befund aus Sicht des Senats mit einem Bekenntnis des IZH zu den in Artikel 2 fixierten Wertegrundlagen konform, und wo sieht der Senat hier etwaige Widersprüche? Siehe Vorbemerkung sowie Drs. 21/14001. 4. Ist es korrekt, dass das IZH dem Senat nach seiner Teilnahme am Al-Quds-Tag die mündliche Zusage gegeben hatte, künftig nicht mehr an der Veranstaltung teilzunehmen? Wie sehen die Hintergründe der Gespräche aus, in deren Rahmen diese Zusage gegeben worden ist? Bitte jeweils das Datum, den Ort, die Gesprächsteilnehmer sowie die hier beschlossenen Vereinbarungen nennen. Siehe Drs. 21/10401. 5. Ist es korrekt, dass das IZH durch seine erneute Teilnahme 2018 vorsätzlich gegen diese Zusage verstoßen hat? 6. Wie hat der Senat darauf im Einzelnen reagiert? Siehe Protokoll des Innenausschusses vom 24. Januar 2019 (Ausschussprotokoll Nummer 21/32). Darüber hinausgehende Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen nicht vor. Im Übrigen siehe Vorbemerkung sowie Antwort zu 1. und 2. 7. Hat das IZH daraufhin im Rahmen weiterer Gespräche weitere Zusagen abgegeben? Falls ja, welche? Bitte jeweils auch das Datum, den Ort, die Gesprächsteilnehmer sowie die hier beschlossenen Vereinbarungen nennen. Der Senat pflegt keine unmittelbaren Kontakte zum IZH, siehe Antwort zu 1. und 2. Im Übrigen: nein. 8. In wie vielen Fällen hat das IZH bis heute gegen zuvor gegebene Zusagen verstoßen? Dies wird nicht erfasst. 9. Welche Versuche hat der Senat unternommen, um eine erneute Teilnahme des IZH am Al-Quds-Tag 2019 zu verhindern? 10. Welche Sanktionen können verhängt werden, sollte das IZH erneut am Al-Quds-Tag teilnehmen? 11. Wie bewertet der Senat hinsichtlich einer Mäßigung des IZH den Erfolg seiner Strategie, Verstöße gegen die Wertegrundlangen nicht mit Sanktionen zu beantworten? Aus dem parlamentarischen Fragerecht ergibt sich ein Anspruch auf Auskünfte, nicht aber auf meinungsbildende Stellungnahmen (vergleiche ThürVerfGH, Urteil vom 19.12.2008 – 35/07 –, juris Rn. 177), von denen der Senat deshalb auch im vorliegenden Fall absieht. Im Übrigen siehe Vorbemerkung sowie Antwort zu 1. und 2. 4 Confer Verfassungsschutzbericht Hamburg 2016. Seiten 56 – 57.