BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/16537 21. Wahlperiode 22.03.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Kurt Duwe und Jennyfer Dutschke (FDP) vom 14.03.19 und Antwort des Senats Betr.: Was unternimmt Hamburg zum Schutz der Allergiker? Statistisch gesehen entwickeln circa 20 Prozent der deutschen Bevölkerung im Laufe Ihres Lebens eine Pollenallergie. Die Hauptauslöser allergischer Reaktionen sind die Pollen von Birke, Erle, Hasel sowie Gräser. Wissenschaftlich erwiesen ist zudem, dass Allergiker in Großstädten stärker an Heuschnupfen leiden als auf dem Land. Die Gründe hierfür sind vielfältig. In Städten werden viele Bäume gepflanzt, das heißt, die Vielfalt des Baumbestands ist einer vorausschauenden Planung zugänglich. Trotzdem wurden und werden entgegen der Empfehlung von einigen Allergologen oft auch weiterhin Allergien fördernde Bäume angepflanzt. Dies hat in den letzten 35 Jahren ebenfalls zu einer höheren Konzentration von Pollen in der Luft geführt, während es bei den Gräserpollen kaum Veränderungen gegeben hat. Zwar können einige Pollen aufgrund ihres geringen Gewichtes weite Strecken zurücklegen, dennoch ist es sinnvoll, bei der Pflanzung von Bäumen alternative Baumarten zu berücksichtigen. Städte wie Jena oder Berlin berücksichtigten dies bereits und haben hierfür eigene Baumkonzepte entwickelt. Neben der Reduzierung der Pollenbelastung ist auch die medizinische Versorgung weiterhin ein großes Thema. „Leider muss 18 Jahren nach Erscheinen der ersten Auflage des Weißbuchs Allergie festgestellt werden, dass sich zwar die Allergischen Erkrankungen weiter ausgebreitet haben, sich aber in der Struktur der Versorgung nichts Wesentliches zugunsten der Betroffenen verändert hat“, schreiben die Herausgeber des Weißbuchs 2018. Die Experten fordern die Politik dazu auf, die Situation der Betroffenen und Familien in Deutschland entscheidend zu verbessern. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie hat sich der Bestand an Birken-, Erlen- und Haselbäumen in den letzten zehn Jahren in Hamburg entwickelt? Über die Bestände von Birken-, Erlen- und Haselbäumen gibt es keine Erhebungen. Aufgrund des anhaltenden Erlensterbens ist eher von rückläufigen Beständen auszugehen . Der Anteil der drei erfragten Arten an den Straßenbäumen ist gering und kann im öffentlichen Online-Kataster eingesehen werden: https://www.hamburg.de/ strassenbaeume-online-karte (Filter Baumart/Pflanzjahr). 2. Wie hat sich die Konzentration des Pollenfluges in Hamburg in den letzten fünf Jahren entwickelt? Bitte je Kalenderjahr und Art auflisten. Die zuständigen Behörden erheben weder Daten zu Konzentrationen des Pollenfluges in Hamburg, noch werden diese durch die Behörden statistisch ausgewertet. Die Stif- Drucksache 21/16537 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 tung Deutscher Polleninformationsdienst (PID) betreibt in Hamburg keine Pollenmessstation . Allgemein sammelt die PID die Messdaten ihrer Messstationen und wertet diese aus. Die Daten sind Eigentum der PID. Zur Erstellung einer Pollenflugvorhersage werden die erhobenen Messdaten der PID vertraglich durch den Deutschen Wetterdienst (DWD) bezogen und durch den DWD mit Pflanzen-Beobachtungsdaten sowie mit der Wetterprognose zu einer aktuellen Pollenvorhersage für Deutschland zusammengefügt . Die Pollenvorhersagen stehen beim PID und dem DWD abrufbar bereit unter dem Link https://www.dwd.de/DE/leistungen/gefahrenindizespollen/ gefahrenindexpollen.html beziehungsweise Pollenallergiker können sich über zahlreiche Medien dazu informieren. 3. Wird in Hamburg anhand einer Einstufung des Allergiepotenzials eine Kategorisierung der neu zu pflanzenden Bäume vorgenommen? a. Wenn ja, bitte darlegen seit wann und in welcher Form. b. Falls nein, aus welchen Gründen nicht? 4. Welche darüber hinausgehenden Maßnahmen haben die Behörden in den letzten fünf Jahren ergriffen, um den Anteil allergener Pflanzen im öffentlichen Raum zu reduzieren? 5. Welche Maßnahmen planen die Behörden in den nächsten drei Jahren, um den Anteil allergener Pflanzen im öffentlichen Raum zu reduzieren? Anpflanzungen durch die Naturschutzbehörden richten sich nach naturschutzfachlichen Erfordernissen. Bei der Auswahl von Straßenbaumarten fließt das allergene Potenzial als eines von mehreren Kriterien in die Entscheidung mit ein. Insgesamt haben jedoch die erfragten Arten und auch Weiden aufgrund ihrer eingeschränkten Eignung als Straßenbaum eine deutlich untergeordnete Bedeutung. Meist werden weniger allergiekritische Bäume gepflanzt. Im Bezirk Harburg beispielsweise wird auf die Pflanzung von Birken, Erlen und Hasel im siedlungsnahen Raum weitestgehend verzichtet. Treten in Grünanlagen Pflanzen wie Riesen-Bärenklau, Ambrosia oder Jakobskreuzkraut auf, werden diese anlassbezogen entfernt. Im Übrigen siehe auch Drs. 21/1170 und 20/12109. 6. Wie hat sich die Konzentration des Pollenfluges in Hamburg in den letzten fünf Jahren entwickelt? Bitte je Kalenderjahr und Art auflisten. Siehe Antwort zu 2. 7. Sind in Hamburg bereits Präventionsprogramme etabliert, die profunde Kenntnisse über die Diagnose und Behandlung von Allergien in der hausärztlichen Versorgung sicherstellen? a. Wenn ja, seit wann und in welcher Form? b. Wenn nein, welcher Handlungsbedarf besteht aus Sicht der Behörde ? Die Fortbildungsakademie der Ärztekammer Hamburg hat in den letzten Jahren – insbesondere im Rahmen der Hausärztlichen Fortbildung Hamburg – zahlreiche Fortbildungen zum Thema Allergie angeboten (zum Beispiel am 12. April 2016 „Augen zu – Nase voll! – Allergie“).  Die hohe Prävalenz allergischer Erkrankungen in westlichen Industrienationen und die eingeschränkten Möglichkeiten einer kausalen Therapie machen aus Sicht der zuständigen Behörde eine evidenz-basierte Primärprävention weiterhin notwendig. Ansätze hierfür enthält zum Beispiel die unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) und der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) entwickelte S3-Leitlinie Allergieprävention von 2014 (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/061-016l_S3_ Allergieprävention_2014-07.pdf), die in 2019 aktualisiert werden soll. Als eine der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/16537 3 besonderen Zielgruppen werden danach Kinder mit einer genetischen Vorbelastung angesehen, bei denen mindestens ein Elternteil oder Geschwister unter einer allergischen Erkrankung leiden. 8. Eine zentrale Forderung der Allergie-Experten ist die Aufnahme der Allergologie als Pflichtfach und in den Prüfungskatalog des Medizinstudiums . Welche Überlegungen gibt es hierzu seitens der Behörden? Allergien, allergische Erkrankungen sowie die pathophysiologischen Prinzipien von Autoimmunität und Allergie sind bereits Gegenstand des Curriculums und der Ausbildung an der Medizinischen Fakultät der Universität Hamburg. Die dazugehörigen Lernziele sind in den Modulbeschreibungen des Studiengangs Medizin beschrieben und werden in den Modulprüfungen überprüft. Darüber hinaus sind entsprechende Lernziele auch auf nationaler Ebene im Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) aufgenommen. Die Fächer und Querschnittsbereiche für den Studiengang Medizin, die als solche in Form von Leistungsnachweisen auszuweisen sind, werden in der Approbationsordnung der Ärzte von 2002 benannt. Darin ist die Allergologie nicht als Fach oder Querschnittsbereich , sondern als mögliches Wahlfach im Rahmen des Wahlpflichtunterrichts geführt. Eine Änderung der Approbationsordnung dahin gehend, die Allergologie als eigenständiges Fach zu führen und einen entsprechenden Leistungsnachwies auszuweisen, ist daher nur auf Bundesebene in Form einer Änderung der Approbationsordnung möglich. 9. Welche Bedarfe sieht der Senat darüber hinaus bei der medizinischen Versorgung der Allergiker? Die Medizinische Versorgung von Allergikern erfolgt im ambulanten, teilstationären und stationären Bereich. Neben der Behandlung im niedergelassenen Bereich durch Haus- oder Fachärzte bestehen Schwerpunkte in einzelnen Hamburger Plankrankenhäusern , zum Beispiel Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und AK St. Georg (Hautkliniken, HNO-Kliniken), aber auch im Bereich der beruflichen Rehabilitation. Weitergehende Bedarfe werden von der zuständigen Behörde nicht gesehen.