BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/16591 21. Wahlperiode 26.03.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 20.03.19 und Antwort des Senats Betr.: Inhaftierter der JVA Fuhlsbüttel bei Ausführung entflohen – Wie ist der aktuelle Stand? Am 19.März 2019 ist ein 24-jähriger Inhaftierter der JVA Fuhlsbüttel nach einer Ausführung zum Arbeitsamt entflohen. Er wurde von einer Bediensteten beaufsichtigt. Fahndungsmaßnahmen waren bisher erfolglos. Sein Entlassungstermin wäre im Juli 2019 gewesen. Er verbüßt in der JVA Fuhlsbüttel eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung sowie 40 Tage Ersatzfreiheitsstrafe wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat betrachtet Vollzugslockerungen als wichtigen Bestandteil des modernen Strafvollzugs. Das schrittweise Erlernen eines verantwortungsvollen Umgangs mit Freiheit und Selbstbestimmung stellt einen wesentlichen Beitrag für eine erfolgreiche Resozialisierung dar. Lockerungen dienen dazu, das Vollzugsziel zu befördern. Im vorliegenden Fall erfolgte am 19. März 2019 eine Ausführung des Gefangenen, dessen Haftende für den 22. Juli 2019 notiert ist, zur Teilnahme an einem entlassungsvorbereitenden Beratungsgespräch bei der Agentur für Arbeit. Im Anschluss fand ein Mittagessen statt. Dabei wurde eine in der Beaufsichtigung und Begleitung von Gefangenen sehr erfahrene Bedienstete eingesetzt. Außerdem wurde der Gefangene auf eigenen Antrag von seiner Lebensgefährtin und einem Bruder begleitet. Beide Termine verliefen beanstandungslos. Auf dem Rückweg hat sich der Gefangene offenbar spontan zur Flucht entschieden. Dieses Verhalten war für die aufsichtführende Bedienstete weder anhand des Verhaltens des Gefangenen noch aufgrund objektiver Umstände vorhersehbar. Gegen 12.30 Uhr rannte der Gefangene am U-Bahnhof Hoheluft plötzlich und unvermittelt mit hoher Geschwindigkeit davon. Die sofort nacheilende Bedienstete verlor ihn auf dem Bahnhofsvorplatz aus den Augen. Die Suche blieb auch mit Unterstützung hinzugezogener Polizeikräfte vor Ort erfolglos . Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie konnte der Inhaftierte überraschend gegen 12.30 Uhr am 19. März 2019 am U-Bahnhof Hoheluft flüchten, obwohl er unter Aufsicht stand? (Bitte aus Sicht und nach Kenntnissen der zuständigen Behörde darstellen .) Siehe Vorbemerkung. 2. Wann hat die zuständige Behörde durch welche Stelle Kenntnis von der Flucht erhalten und welche Maßnahmen wurden dann eingeleitet? Drucksache 21/16591 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Fuhlsbüttel zuständige Vollzugsleitung benachrichtigte die zuständige Behörde um 13.10 Uhr telefonisch über das Ereignis. Zu diesem Zeitpunkt war die Polizei bereits informiert, sodass die Einleitung weiterer Maßnahmen zur Ergreifung des Gefangenen nicht erforderlich war. 3. Warum wurde der 24-jährige Inhaftierte durch eine Bedienstete beaufsichtigt ? Warum waren nicht mindestens zwei Bedienstete zur Aufsicht bei der Ausführung eingeteilt? Angesichts seiner in vier Monaten bevorstehenden Entlassung wurde die Fluchtgefahr derart gering bewertet, dass die Beaufsichtigung durch zwei Bedienstete als nicht erforderlich gesehen wurde. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 4. Wie werden die Bediensteten grundsätzlich auf Situationen der Ausführungen von Inhaftierten vorbereitet? Die Vorbereitung der Bediensteten erfolgt im Rahmen der Ausbildung. In Ausführungen weniger erfahrene Bedienstete werden zudem in der Anstalt in die Abläufe bei der Beaufsichtigung und der Begleitung von Gefangenen unterwiesen. Für jede Ausführung wird eine schriftliche Verfügung erstellt, die Ziel und Zweck der Ausführung sowie gegebenenfalls zu beachtende Besonderheiten enthält. Diese Verfügung nehmen die begleitenden Bediensteten zur Ausführung mit. 5. Welche zwei ihm nahestehenden Personen haben den Inhaftierten aus welchen Gründen begleitet? Siehe Vorbemerkung. 6. Zeigten sich Auffälligkeiten im Verhalten bei dem Inhaftierten? Wenn ja, seit wann und durch wenn wurden diese dokumentiert? Während der Ausführung bis zur Entweichung zeigte der Gefangene keine Auffälligkeiten . Im Vollzug wurden von Februar 2016 bis März 2018 neun Disziplinarmaßnahmen gegen den Gefangenen ausgesprochen. Im März 2018 während seines Aufenthaltes in der Sozialtherapeutischen Anstalt versuchte er nach einem Besuch Betäubungsmittel in das Hafthaus einzubringen. Als er Ende Mai 2018 aus der Sozialtherapeutischen Anstalt in die JVA Fuhlsbüttel verlegt werden sollte, reagierte er aufgrund seines Unverständnisses über diese Maßnahme aufbrausend und aggressiv. Bis auf die Weigerung der Abgabe einer Urinprobe zur Kontrolle eines etwaigen Betäubungsmittelkonsums im Februar 2019 war das weitere Vollzugsverhalten beanstandungsfrei. Die Auffälligkeiten wurden jeweils durch die zuständigen Bediensteten des Allgemeinen Vollzugsdienstes und der Vollzugsabteilungsleitung dokumentiert. 7. Wie erfolgt grundsätzliche eine Aufsicht durch Bedienstete bei Ausführungen der Inhaftierten aus der JVA Fuhlsbüttel, insbesondere um wie im vorliegenden Fall auf die anstehende Entlassung vorzubereiten? Welche Abweichungen gab es gegebenenfalls von der gängigen Praxis? Die Aufsicht erfolgt durch Bedienstete des Allgemeinen Vollzugsdienstes ständig und unmittelbar, das bedeutet, die aufsichtführenden Bediensteten befinden sich direkt bei dem Gefangenen und behalten ihn immer im Auge. Falls es erforderlich ist, wird zusätzlich die Fesselung des Gefangenen angeordnet. Zu welchem Zweck die Ausführung durchgeführt wird, ist dabei nicht entscheidend. Maßgeblich ist die Einschätzung der Anstalt zu einer etwaigen Flucht- oder Missbrauchsgefahr. Im vorliegenden Fall gab es keine Abweichung von der üblichen Praxis bei Ausführungen . 8. Wie ist der aktuelle Stand der Umstände des Hergangs nach den Ermittlungen ? Siehe Vorbemerkung. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/16591 3 9. Wer ist aus Sicht der zuständigen Behörde für die Flucht des Inhaftierten verantwortlich beziehungsweise welche Maßnahmen haben wohl nicht gegriffen? Die Flucht des Gefangenen wurde offenbar allein durch dessen Motivation ausgelöst. Die aufsichtführende Bedienstete trifft kein Versäumnis bei der Beaufsichtigung des Gefangenen. Auch die Begleitung durch die Lebensgefährtin und einen Bruder steht in keinem Zusammenhang mit der Flucht. 10. Wie viele und welche vergleichbaren Vorfälle hat es in dem Zeitraum März 2011 bis März 2019 in Hamburger Justizvollzugsanstalten gegeben (bitte Angaben in Jahren, unter Angabe der Straftaten der Inhaftierten und der Angabe der Justizvollzugsanstalt darstellen)? Siehe Drs. 20/756 und 21/3185.