BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/1660 21. Wahlperiode 29.09.15 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dietrich Wersich (CDU) vom 21.09.15 und Antwort des Senats Betr.: Wird das Erbe des Ohlsdorfer Friedhofs ausreichend geschützt (II)? Die Bedeutung des 4 Quadratkilometer großen, überkonfessionellen Parkfriedhofs in Ohlsdorf mit seinen über 250.000 Grabstellen für Hamburg ist unbestritten. Daher muss der Charakter des Friedhofs für Hamburg erhalten bleiben und vor allem dürfen die denkmalgeschützten Bereiche, Einzelgräber und Ensemblegräber nicht zerstört werden. Die Antwort des Senats auf die Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/1236 gibt Anlass zu Nachfragen. So antwortet der Senat etwa lapidar, dass für den Erhalt denkmalgeschützter Gräber die Eigentümer verantwortlich sind, während gleichzeitig 3.000 bis 4.000 Gräber abgeräumt werden. Zudem liegt eine Analyse der denkmalgeschützten Gräber nach 1950 nicht vor. Zudem ist zu befürchten, dass im Vorgriff auf die ins Auge gefasste Verringerung der Belegflächen in den nächsten Jahrzehnten („Ohlsdorf 2050“) Fakten geschaffen werden, bevor das Projekt zur Gestaltung der Gartenanlagen und zum Bestand an Grabdenkmalen genügend diskutiert und geordnet beschlossen wird. Der Diskussionsprozess zur weiteren Nutzung der fast 400 Hektar des Ohlsdorfer Friedhofs hat gerade erst begonnen, das Parlament wurde bisher nicht befasst. Noch ist völlig unklar, welche Anteile des Friedhofs künftig nicht mehr für Beisetzungen vorgesehen werden sollen und welche Alternativen für diese Flächen geplant werden können. Bleibt der Zaun erhalten oder sollen Flächen für Erholung und Sport genutzt werden? Für geschützte oder erhaltenswerte Grabmale wird zu klären sein, ob diese dann jeweils am angestammten Ort verbleiben oder auf bestimmten, zu planenden Flächen museal zusammengestellt werden sollen inklusive der finanziellen Folgen. Diese Diskussion über die flächige Abräumungen muss abgeschlossen werden . Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Hamburger Friedhöfe AöR (HF) wie folgt: In seiner Antwort auf die Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/1236 erklärt der Senat, dass Grabmale, die „erhaltenswert oder geschützt sind“, nicht geräumt werden. 1. a) Wie viele der 3.000 bis 4.000 abgeräumten Grabmäler in den Jahren 2010 bis 2015 (Stand 31.08.2015) stammten aus der Zeit vor 1950 und nach 1950? Drucksache 21/1660 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Eine genaue Differenzierung des Bestandes beziehungsweise der abgeräumten Grabmäler nach ihrer Entstehungszeit vor beziehungsweise nach 1950 ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Dazu müssten circa 20.000 Grabmalgenehmigungsakten in Einzelprüfungen durchsucht und ausgewertet werden. b) Wie viele Grabmale wurden in Ohlsdorf im Jahr 2014 geräumt? 3.793. c) Wie viele Grabmale wurden in Ohlsdorf im Zeitraum vom 01.01.2015 bis 30.06.2015 geräumt? Im Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 31. August 2015 wurden 3.081 Grabmale geräumt. Eine nachträgliche Ermittlung der Grabmale, die davon bis zum 30. Juni 2015 geräumt wurden, lässt sich in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht leisten. d) In wie vielen Einzelfällen (bitte nennen) wurde bei den unter 1. a) bis 1. c) genannten Räumungsaktionen der Denkmalschutz befasst? Von wem? Mit welchen Ergebnissen? Es gab im genannten Zeitraum keine Einzelfälle, die eine Beteiligung des Denkmalschutzamtes erforderlich gemacht hätten. e) Wie kann bei der unzureichenden Erfassung der denkmalschutzwürdigen Grabmäler nach 1950 der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde garantieren, dass unter den abgeräumten Grabmälern aus der Zeit nach 1950 nicht doch schützenswerte Gräber sind? Und welche Maßnahmen hat der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde ergriffen, um Abräumungen von Grabmalen ohne vorherige Feststellung der Denkmalschutzwürdigkeit auszuschließen? f) Was gedenkt der Senat zu tun, damit nicht Grabmäler aus der Zeit nach 1950 abgeräumt werden, die aus Denkmalsicht schützenswert sind, beziehungsweise wie stellt der Senat sicher, dass es nicht zu pauschalen Abräumungen schützenswerter Grabmale kommt, bevor auf Landes- und/oder Bundesebene Auswahlkriterien erarbeitet worden sind? Siehe Drs. 21/1236 zur Erfassung und zum Schutz denkmalwerter Grabstätten. Im Zuge der Prüfung der zur Räumung anstehenden Grabmale werden von HF regelmäßig auch solche Grabmale von der Räumung ausgenommen, die als erhaltenswert eingestuft wurden, unabhängig davon, ob die Grabmale vor oder nach 1950 auf dem Friedhof gesetzt wurden. Voraussetzung für den Schutz möglicherweise noch nicht erfasster denkmalwerter Grabmale ist die systematische Dokumentation und denkmalfachliche Bewertung des Gesamtbestandes. Wegen der großen Zahl an Objekten auf dem Ohlsdorfer Friedhof, der bundesweit bisher nur geringen Kenntnisse über denkmalwerte Anlagen der Nachkriegsjahrzehnte und gebundener personeller Ressourcen ist ein solches Vorhaben in mittelfristiger Aufgabenplanung. 2. a) Sind die Eigentümer denkmalgeschützter Grabmale informiert worden über die Verpflichtung zur Genehmigung von Veränderungen? Wenn ja: wann und auf welchem Wege? Wenn nein: warum nicht? b) Wann und in welcher Form gedenkt der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde die Eigentümer denkmalgeschützter Gräber über den Denkmalschutz und etwaige Schutzmaßnahmen zu informieren ? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1660 3 Im Zuge der Novellierung des Denkmalschutzgesetzes 2013 wurden Eigentümer beziehungsweise Verfügungsberechtigte über die Neuregelung informiert. Darüber hinaus ist eine Benachrichtigung des Eigentümers beziehungsweise des Nutzungsberechtigten nach § 24 des Hamburgischen Bestattungsgesetzes nicht vorgesehen. Die für den Denkmalschutz zuständige Behörde bietet begleitend im Rahmen verschiedener Informationsveranstaltungen in Zusammenarbeit mit dem Förderkreis Ohlsdorfer Friedhof e.V. Beratung und Informationen über den Status denkmalgeschützter Gräber an. c) Über welche anderen Verfahren können die Eigentümer erfahren, dass ihr Grabmal einen besonderen Status hat? Die HF und das Denkmalschutzamt geben auf Nachfrage Auskunft. Sofern Verfügungsberechtigte und Eigentümer des Grabmals identisch sind, ist diese Information auch über das Friedhofs-Informations-System FRITS verfügbar. 3. a) Wer stellt genau fest, welche Grabmäler, die nach 1950 auf dem Ohlsdorfer Friedhof aufgestellt wurden, schützenswert im Sinne des Denkmalschutzes sind? Und wann? Die Feststellung des Denkmalwerts sowie die Unterschutzstellung obliegen dem Denkmalschutzamt. Siehe dazu auch Antwort zu 1. e) und f). b) Nach welchen Kriterien werden Grabmäler nach 1950 als denkmalschützenswert eingestuft? Siehe Antwort zu Drs. 21/1236. Die Kriterien sind durch das Hamburgische Denkmalschutzgesetz vorgegeben. c) Wer dokumentiert die geschützten und schützenswerten Grabmäler nach 1950; und vor allem wann und wie? Die Dokumentation erfolgt über das Friedhofs-Informations-System FRITS sowie über die Grabakten. Die als erhaltenswert erkannten Grabmale erhalten eine entsprechende Kennzeichnung im Friedhofs-Informations-System, in der Regel mit kurzer Begründung im Bemerkungsfeld der Bearbeitungsmaske. Siehe dazu auch Antwort zu 1. e) und 1. f). d) Welche rechtlichen, organisatorischen und finanziellen Maßnahmen hat die zuständige Behörde getroffen zur Sicherstellung des geordneten Vollzuges der Unterschutzstellung des gesamten Ohlsdorfer Friedhofs seit dem 01.05.2013? Siehe Antwort zu Drs. 21/1236. e) Haben der Senat beziehungsweise die zuständigen Behörden der Hamburger Friedhofe AöR (HF) in diesem Sinne Handlungsanweisungen gegeben? Wenn ja: wann? Nein. f) Hat das Amt für Denkmalschutz seit dem 01.05.2013 Förderanträge von Verfügungsberechtigten an Stiftungen o.ä. durch fachliche Stellungnahmen unterstützt? Wenn ja: Wie und wie viele? Wenn nein: Warum nicht? Dem Denkmalschutzamt lagen seit dem 1. Mai 2013 keine Förderanträge von Verfügungsberechtigten vor. Drucksache 21/1660 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 4. In der Schriftlichen Kleinen Anfrage 21/1236 erklärt die zuständige Behörde unter Frage 8., dass zu Grabmalen der 1950er bis 1980er Jahre Kenntnisse „bundesweit sehr gering ausgeprägt“ sind. a) Ist angesichts dieser Sachlage die teilweise vorgenommene großflächige Abräumung von Grabmalen aus dem genannten Zeitraum verantwortbar? Wenn ja: warum? Wenn nein: warum nicht? Die Räumung von Grabmalen erfolgte auf der Grundlage der geltenden gesetzlichen Regelungen. Geräumt wurden einzelne Grabmale von Grabstätten, deren Nutzungsdauer endgültig abgelaufen ist. Gleichwohl erfolgt die Räumung sektionsweise. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. e) und 1. f). b) Ist diese Abräumung in Abstimmung mit dem Amt für Denkmalschutz erfolgt? Wenn ja: wann, in welcher Art und Weise und mit welchem Ergebnis ? Nein, siehe Antwort zu 1. d). 5. In welcher Art und Weise wird die Tagung der Arbeitsgruppe Inventarisation der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland im Oktober 2015 an der Frage der Schutzwürdigkeit der nach 1950 aufgestellten Gräber beteiligt, und in welcher Form? Im Rahmen der Tagung wird auch über die Frage, wie eine Bewertung der nach 1950 entstandenen Grabmäler erfolgen kann, diskutiert werden. Es wird angestrebt, einen Überblick über den diesbezüglichen Kenntnisstand bei den anderen Landesdenkmalämtern zu erhalten. 6. a) Hält der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde es für sachgerecht, wenn vor Klärung und Bewertung der Fragen zukünftiger Änderungen die flächige Abräumung und Zerstörung von Grabmalen vorgenommen wird? Wenn ja: warum? Wenn nein: warum nicht? Siehe Antwort zu 4. a). Eine flächige Abräumung findet nicht statt. b) Inwieweit will sich der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde dafür einsetzen, dass erhaltenswerte Grabmale entweder an einem Ort museal zusammengefasst werden oder auch in künftig parkartig genutzten Flächen am Orte verbleiben? Erhaltenswerte Grabmäler bleiben an ihrem Originalplatz. In Einzelfällen kann eine Versetzung erfolgen, wenn es dem Erhalt dienlich ist. c) Plant der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde in diesem Sinne vor der endgültigen Entscheidung über den Umgang mit den erhaltenswerten Grabmalen ein Moratorium? Wenn ja: in welchem Umfang? Wenn nein: warum nicht? Nein. Es liegen derzeit keine Hinweise darauf vor, dass erhaltenswerte Substanz in erheblichem Umfang zerstört werden könnte. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1660 5 d) Welche anderen Maßnahmen will die zuständige Behörde über den Umgang mit erhaltenswerten Grabmalen ergreifen? Die Bewertung erhaltenswerter Grabmale soll künftig unter Einbeziehung des Förderkreises Ohlsdorfer Friedhof e.V. erfolgen. Dazu erhält der Förderkreis Listen der zur Räumung anstehenden Grabmale und sichert diese gegebenenfalls auf eigene Kosten .