BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/16601 21. Wahlperiode 29.03.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Kazim Abaci und Ekkehard Wysocki (SPD) vom 21.03.19 und Antwort des Senats Betr.: Weiterentwicklung des Religionsunterrichts für alle Rund ein Drittel aller Hamburgerinnen und Hamburger haben familiäre Wurzeln im Ausland. Entsprechend vielfältig ist ihr religiöser Hintergrund. Der Senat legt deshalb sehr viel Wert auf einen Religionsunterricht für alle, der die religiöse und konfessionelle Vielfalt der Hamburger Schülerinnen und Schüler berücksichtigt. Die Rahmenpläne für das Fach Religion sehen seit 2004 vor, alle Themen interreligiös zu gestalten und in einem dialogischen Lernprozess im Unterricht zu bearbeiten. Der Religionsunterricht für alle wird auf Grundlage von Artikel 7 Absatz 3 GG i.V.m. § 7 Hamburgisches Schulgesetz als ordentliches Lehrfach in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Die Übereinstimmung mit den Grundsätzen der verschiedenen Religionsgemeinschaften im Religionsunterricht für alle wurde ursprünglich durch eine sogenannte Gemischte Kommission nur aus Vertretern der evangelischen Kirche und der zuständigen Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) gewährleistet. Parallel zu der dieser evangelischen und der jüdischen Gemischten Kommission wurden inzwischen auch solche für die muslimischen Religionsgemeinschaften und die Alevitische Gemeinde eingerichtet. Mitglieder weiterer Religionen – vor allem Buddhisten, Hindus und Bahai – sind in beratender Funktion beteiligt. Die Grundlage für die Beteiligung auch der islamischen Religionsgemeinden sind die 2012 abgeschlossenen Verträge der Freien und Hansestadt Hamburg mit den islamischen Gemeinschaften DITIB, SCHURA und VIKZ einerseits und mit der Alevitischen Gemeinde andererseits. Nach Gesprächen dieser Religionsgemeinschaften mit der evangelischen Kirche bekundeten die fünf Kooperationspartner dem Senat ihr gemeinsames Interesse an einer Weiterentwicklung des Religionsunterrichts für alle. Diese Absicht ist auch so in der Protokollerklärung zu Artikel 6 Absatz 1 der Verträge ausdrücklich festgehalten. In der Protokollerklärung wurden folgende Bereiche genannt, die im Rahmen von Artikel 7 Absatz 3 GG weiterentwickelt werden sollen: Schulpraxis, Didaktik und Rahmenpläne, Lehrerbildung und -zulassung sowie der institutionelle Rahmen. Die Vertragspartner haben sich auf eine Zwischenbilanz fünf Jahre nach Abschluss der Verträge zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und den islamischen Gemeinden und der Alevitischen Gemeinde zu diesem Thema geeinigt. Wir fragen den Senat: Drucksache 21/16601 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Wann sind entsprechende Lehramts-Studiengänge an der Universität Hamburg eingerichtet worden, damit auch muslimische und alevitische Lehrkräfte zukünftig den Religionsunterricht für alle erteilen können? 2. Sind diese Lehramtsstudiengänge für die Primar- und Sekundarstufe sowie für Stadtteilschulen/Gymnasien eingerichtet worden? Wenn nein, warum nicht? Die Universität Hamburg hat die Bachelorteilstudiengänge „Alevitische Religion“ und „Islamische Religion“ im Lehramt der Primar- und Sekundarstufe I 2015 eingerichtet. Die Masterteilstudiengänge „Alevitische Religion“ und „Islamische Religion“ im Lehramt der Primar- und Sekundarstufe I wurden 2018 eingerichtet. Die Einrichtung von entsprechenden Studiengängen im Lehramt an Gymnasien war bisher nicht vorgesehen , wird aber derzeit im Rahmen der Umsetzung der Reform der Lehrerbildung und der damit verbundenen Umgestaltung der Lehramtsstudiengänge (siehe Drs. 21/11562) geprüft. 3. Wann werden die ersten Studierenden der Lehramtsstudiengänge für islamische und alevitische Religion ihr Studium beenden und den Vorbereitungsdienst beginnen? Die ersten Studierenden haben ihr Studium zum Wintersemester 2015/2016 aufgenommen . Studierende, die in Regelstudienzeit gemäß Prüfungsordnung abschließen (sechs Semester Bachelor und vier Semester Master), werden ihr Studium zum Ende des Sommersemesters 2020 beenden. 4. Stellt die Stadt Hamburg muslimische und jüdische Religionslehrkräfte ein, die ihre Ausbildung in einem anderen Bundesland gemacht haben? Wenn ja, wie viele Lehrkräfte sind seit wann eingestellt worden? Wenn nein, warum nicht? Ja, seit 2013 wurden eine Lehrkraft für jüdische und sechs Lehrkräfte für muslimische Religion in den Hamburger Schuldienst eingestellt, die ihre Ausbildung nicht in Hamburg absolviert haben. 5. Wie viele muslimische, jüdische und alevitische Lehrkräfte haben im Rahmen der Lehrerweiterbildung einen Qualifizierungskurs für das Fach Religion absolviert? Seit 2013 haben in bisher drei zweijährigen Durchgängen 16 Lehrkräfte für muslimische und fünf Lehrkräfte für alevitische Religion den Qualifizierungskurs Religion absolviert. 6. Wer bietet am LI Fortbildungen im Bereich Religion an? Am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) der zuständigen Behörde sind drei abgeordnete Fachlehrkräfte tätig: zwei Personen mit Fakultas in evangelischer Religion und eine Person mit Fakultas in islamischer Religion. Darüber hinaus werden eine Lehrkraft für jüdische und eine Lehrkraft für alevitische Religion aus dem staatlichen Schuldienst in einzelnen Fortbildungsveranstaltungen eingesetzt. 7. In welchen Gremien wird die Weiterentwicklung des Religionsunterrichts für alle fortgeführt? In den Verträgen mit den muslimischen Gemeinschaften beziehungsweise der Alevitischen Gemeinde sowie in gleichlautenden Vereinbarungen mit der Evangelisch- Lutherischen Kirche in Norddeutschland und der Jüdischen Gemeinde wurde 2012 beziehungsweise 2014 die Einrichtung einer „Arbeitsgruppe zur Weiterentwicklung des Religionsunterrichts für alle“ beschlossen, die auf Arbeitsebene in der Regel monatlich, auf Leitungsebene halbjährlich tagt. Sie koordiniert den Entwicklungsprozess und setzt Unterarbeitsgruppen ein, die sich mit spezifischen Aufgaben beschäftigen . Dazu zählen zum Beispiel die Entwicklung von Unterrichtsmaterialien und didaktischen Konzepten, die in der Regel von schulischen Lehrkräften aus den jeweiligen Religionen erarbeitet werden. Die Arbeitsgruppe legt den „Gemischten Kommissio- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/16601 3 nen“ der für Bildung zuständigen Behörde und der einzelnen Religionsgemeinschaften ihre Ergebnisse zur Beschlussfassung vor, damit die erforderliche Übereinstimmung des Religionsunterrichts mit den Grundsätzen jeder beteiligten Religionsgemeinschaft sichergestellt ist. Darüber hinaus koordinieren die Religionsgemeinschaften ihre Positionen in gemeinsamen Gremien, in denen die für Bildung zuständige Behörde nicht vertreten ist. Schließlich befasst sich jede Religionsgemeinschaft intern in ihren jeweiligen Gremien mit Fragen des Religionsunterrichts. Dazu gehören auch regelmäßige Gespräche mit Lehrkräften der jeweiligen Religion mit dem Ziel, deren Praxiserfahrungen aus den Schulen und dem Religionsunterricht in den Weiterentwicklungsprozess einfließen lassen zu können. 8. Wie gut funktioniert aus Sicht der Behörde für Schule und Berufsbildung die Kooperation der drei muslimischen Religionsgemeinschaften untereinander , mit anderen Religionsgesellschaften und mit der Behörde für Schule und Berufsbildung? Die Zusammenarbeit zwischen allen an der Weiterentwicklung des Religionsunterrichts beteiligten Religionsgemeinschaften ist kooperativ und konstruktiv. Die drei muslimischen Gemeinschaften – DITIB-Nord, SCHURA und VIKZ – geben ihre Position in ihrer gemischten Kommission mit der zuständigen Behörde einheitlich ab und koordinieren sich hierfür intern im Vorfeld. Die Gemeinschaften bringen ihre spezifischen Sichtweisen in die Gespräche ein und sind bereit, sie in gemeinsame didaktische Konzeptionen einzubinden und zu realisieren. Wahrnehmbar sind eine gemeinsame Wertebasis und gemeinsame Ziele zum Beispiel bei der Bekämpfung von Antisemitismus , Islamophobie oder der Ausgrenzung von Minderheiten.