BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/16710 21. Wahlperiode 05.04.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Franziska Rath (CDU) vom 29.03.19 und Antwort des Senats Betr.: Krank und obdachlos – Wie mangelhaft ist die Gesundheitsversorgung Obdachloser wirklich? Wer krank und obdachlos ist, scheint in Hamburg sehr schlechte Karten zu haben. Vor einigen Tagen berichtete der Kältebus, dass er verzweifelt versucht habe, einen kranken Obdachlosen, der nach einer frischen Operation mit Drainage vom Krankenhaus auf die Straße entlassen worden war, in einer staatlichen Hilfseinrichtung unterzubringen. Ohne die Hilfe durch den Kältebus wären viele dieser Menschen ihrem Schicksal allein überlassen. Obwohl das Winternotprogramm Ende März endet, wird der Kältebus seine Arbeit, die am 3. April im Rahmen eines Senatsempfanges geehrt wird, fortsetzen . Doch wie es dann mit der Versorgung der kranken Menschen auf der Straße weitergehen soll, ist noch unklarer als jetzt schon. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die medizinische Versorgung ist auch für wohnungs- und obdachlose Menschen über das Regelversorgungssystem vorgesehen und grundsätzlich gewährleistet. Für Betroffene, deren Zugang in das Regelsystem nach ihrer Anspruchslage objektiv erschwert ist oder die diesen Zugang subjektiv als zu hochschwellig erleben, werden niedrigschwellige Einrichtungen und Angebote der Gesundheitsversorgung vorgehalten , um auch hier die notwendige ärztliche Behandlung sicherzustellen. Hamburg verfügt auch in diesem Bereich seit vielen Jahren über ein ausdifferenziertes und niedrigschwelliges Hilfesystem für wohnungs- und obdachlose Menschen. Dazu gehören insbesondere die drei Schwerpunktpraxen, mobile Angebote der medizinischen Notversorgung wie beispielsweise das Krankenmobil sowie die Krankenstube für obdachlose Menschen. Während der Laufzeit des Winternotprogramms hat der Standort Friesenstraße aufgrund der lagebedingt tendenziell höheren Frequentierung regelhaft die koordinierende Zuteilung der schutzsuchenden Menschen zu den weiteren städtischen Notübernachtungsstätten übernommen, wozu neben den Winternotprogrammstandorten Kollaustraße und Wärmestube Hinrichsenstraße auch die ganzjährigen Einrichtungen Pik As und Frauenzimmer gehörten. Nach Ende des Winternotprogramms ist diese Koordinierung nicht mehr notwendig, sodass wieder eine direkte Kontaktaufnahme zu den letztgenannten ganzjährigen Notübernachtungsstätten erfolgt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Anfrage teilweise auf Grundlage von Angaben des Caritasverbandes für das Erzbistum Hamburg e.V. (Caritas Hamburg) wie folgt: 1. Der Kältebus berichtete, eine Aufnahme in der Krankenstube sei nicht möglich gewesen, da dort Renovierungsarbeiten durchgeführt würden. Drucksache 21/16710 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 a) Wie viele Plätze gibt es aktuell und wie viele grundsätzlich in der Krankenstube? b) Wie viele Mitarbeiter sind vor Ort und wie viele davon haben jeweils welche medizinische Ausbildung? c) Welche Renovierungsarbeiten werden aktuell durchgeführt? d) Von wann bis wann dauern die Arbeiten an? e) Welche Auswirkungen haben diese auf den laufenden Betrieb? f) Welche Ersatzanlaufstelle gibt es während dieser Zeit? g) Wieso werden die Arbeiten während des laufenden Winternotprogramms durchgeführt? Siehe Vorbemerkung. Die Plätze in der Krankenstube für obdachlose Menschen wurden zum 1.1.2019 von 18 auf 20 Plätze aufgestockt, es stehen regulär 16 Plätze zur allgemeinen pflegerischen Versorgung von Patientinnen und Patienten sowie vier Plätze zur abschließenden Behandlung von TBC zur Verfügung. Insgesamt sind in der Krankenstube aktuell 13 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit unterschiedlichen Stellenanteilen (insgesamt 7,5 Stellen) im Einsatz, ergänzt um eine Person im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes. Im Bereich der Pflege gibt es 5,5 Stellen sowie für die Sozialarbeit und die Leitung je eine weitere Stelle. In der Krankenstube arbeitet ein multiprofessionelles Team, bestehend aus Krankenpflegerin oder Krankenpfleger (eine Person) beziehungsweise Gesundheits- und Krankenpflegerin oder Gesundheits- und Krankenpfleger (drei Personen), Altenpflegerin oder Altenpfleger (zwei Personen), Krankenschwester oder Krankenpfleger (zwei Personen), staatlich anerkannte Pflegedienstleitung (eine Person), Pflegeberaterin oder Pflegeberater (eine Person), Sozialarbeiterin oder Sozialarbeiter beziehungsweise Sozialpädagogin oder Sozialpädagoge (vier Personen).1 Die Krankenstube ist ganzjährig für die pflegerische Versorgung kranker obdachloser Menschen zuständig. Die Nachfrage der Betten in der Krankenstube ist konstant hoch, sodass sich keine Zeiträume bestimmen lassen, die als besonders geeignet oder ungeeignet für bauliche Arbeiten eingestuft werden können. Derzeit wird in der Krankenstube eine dem modernen Standard und den Anforderungen der Krankenstube entsprechende EDV- und Telefonanlage installiert. Die Bauphase wird genutzt, um notwendige Maler- und Renovierungsarbeiten durchzuführen. Die Arbeiten haben Ende des Jahres 2018 begonnen und bisher keinen Einfluss auf die Belegbarkeit der Einrichtung gehabt. Während der abschließenden zweiwöchigen Bauphase von Anfang bis Mitte April können zwei Patientenzimmer mit jeweils vier Betten nicht genutzt werden, sodass aktuell zwölf der 20 Plätze in der Krankenstube zur Verfügung stehen. Vorausschauend auf diesen Zeitpunkt konnte die Behandlung einiger Patientinnen und Patienten rechtzeitig abgeschlossen werden. Weitere Auswirkungen auf die Versorgung der Menschen haben die Arbeiten nicht. Eine unmittelbare Kompensation der vorübergehend eingeschränkten Belegbarkeit der Krankenstube gibt es an anderer Stelle nicht und ist voraussichtlich auch nicht erforderlich. Da Patientinnen und Patienten häufig aus zuvor behandelnden Krankenhäusern in einen Anschlussaufenthalt in der Krankenstube wechseln, erfolgt regelhaft eine vorherige Kontaktaufnahme seitens des Entlassungsmanagements der Krankenhäuser zur Krankenstube. In dem überschaubaren Zeitraum von rund zwei Wochen wird es hier zu individuellen Absprachen über den Zeitpunkt des Übergangs zwischen den Einrichtungen kommen. 2. Dem Kältebus zufolge sei eine Aufnahme in die Krankenzimmer des Pik As schwierig. 1 In einem Fall liegen zwei medizinische Qualifikationen vor. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/16710 3 a) Wieso musste der Patient erst in der Friesenstraße vorgestellt werden ? b) Was passiert mit Ende des Winternotprogramms bezüglich Voranmeldung , da die Friesenstraße dann nicht mehr in Betrieb ist? Siehe Vorbemerkung. c) Wie viele Mitarbeiter sind vor Ort und wie viele davon haben jeweils welche medizinische Ausbildung? d) Wieso können nur Menschen ins Pik As, die eigenständig laufen können? Da das Pik As derzeit weder über einen ebenerdigen Zugang noch einen Fahlstuhl verfügt, ist zum Erreichen der Schlafräume über die Treppenstufen ein Mindestmaß entsprechender körperlicher Fähigkeiten notwendig. Nach den besonderen Umständen des Einzelfalls sind Unterstützungen durch das Personal vor Ort möglich, die sich jedoch zum Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch an deren gesundheitlichen Belastungsgrenzen ausrichten müssen. Eine vorherige telefonische Kontaktaufnahme mit dem Pik As wird daher empfohlen, um die näheren Umstände der Aufnahme klären und notwendige Vorbereitungsmaßnahmen in der Einrichtung rechtzeitig einleiten zu können. Es sind in der Regel eine Teamleiterin beziehungsweise ein Teamleiter, vier Sozialarbeiterinnen beziehungsweise Sozialarbeiter, vier Mitarbeiterinnen beziehungsweise Mitarbeiter der Technischen Dienste sowie vier Angestellte mit Betreuungsaufgaben vor Ort. Die medizinische Versorgung der Übernachtenden wird insbesondere über die beim Pik As angesiedelte Schwerpunktpraxis für obdachlose Menschen sichergestellt . Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Pik As verfügen – auch deshalb – nicht über eine medizinische Ausbildung. e) Welche alternativen Anlaufstellen gibt es für kranke Personen, die nicht eigenständig laufen können? Die medizinisch/pflegerische Behandlung erkrankter Menschen erfolgt in den Regelsystemen der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung (Krankenhäuser, Pflegeheime ). Dies gilt auch und gerade dann, wenn eine erfolgreiche Genesung obdachloser Menschen infolge körperlicher Einschränkungen nach ihrer Entlassung nicht sichergestellt wäre. Soweit sich Hamburger Plankrankenhäuser hier im Einzelfall an die Krankenstube für Obdachlose wenden, werden bei der Frage eines möglichen Anschlussaufenthalts in der Krankenstube auch die individuellen körperlichen Einschränkungen der Patientinnen und Patienten und die jeweils aktuellen Kapazitäten und Versorgungsmöglichkeiten der Krankenstube abgeglichen. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. f) Wie sind die aktuellen Planungen für den Neubau Pik As beziehungsweise wann ist mit ersten Ergebnissen der Überlegungen zu rechnen? Hiermit hat sich der Senat bisher nicht befasst. g) Gibt es Überlegungen, den Neubau Pik As in die neue Tagesaufenthaltsstätte in Altona zu integrieren? Nein. 3. Welche Absprachen gibt es zwischen dem Senat und den Hamburger Krankenhäusern, wie mit aus dem Krankenhaus zu entlassenden Obdachlosen zu verfahren ist? Wenn es keine Absprachen gibt: warum gibt es keine? Siehe Drs. 21/12386. 4. An welche Stelle können sich Hamburger Krankenhäuser wenden, wenn sie frisch operierte Obdachlose nicht auf die Straße entlassen wollen? Siehe Antwort zu 2.e).