BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/16728 21. Wahlperiode 09.04.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider und Martin Dolzer (DIE LINKE) vom 01.04.19 und Antwort des Senats Betr.: Tod eines Gefangenen in der JVA Kleve Im September 2018 hat es in der JVA Kleve (NRW) einen Zellenbrand gegeben , bei dem der Gefangene A. A. zur Tode kam. Wie sich erst nach seinem Tod herausstellte, saß die Person aufgrund einer Identitätsverwechselung fälschlicherweise in Haft. Wie das Magazin „Panorama 3“ berichtete, wurde A. A. – von der Polizei Kleve als A. A. bezeichnet – von der Polizei Kleve fälschlicherweise als A. G. identifiziert. Gegen diese Person lag ein Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Hamburg vor, aufgrund derer „A. A.“ dann in der JVA Kleve inhaftiert wurde. Trotz Schriftwechsel zwischen der Staatsanwaltschaft Hamburg und der Polizei beziehungsweise JVA Kleve über die Identität des Inhaftierten wurde die Verwechslung nicht aufgeklärt. Am 12. Februar hat sich der Ausschuss für Justiz und Datenschutz mit dem Tod von „A. A.“ befasst. In der Sitzung berichtete der Generalstaatsanwalt Dr. Fröhlich davon, dass es ebenfalls einen Austausch zwischen der Polizei Kleve und dem Landeskriminalamt (LKA) Hamburg gegeben hat. Dabei sei wohl auch der Geburtsort von „A. A.“ – der sich von dem des eigentlich gesuchten A. G. unterscheidet – an das LKA Hamburg übermittelt worden. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: In Nordrhein-Westfalen werden im Zusammenhang mit dem Tod des syrischen Staatsangehörigen A. A. verschiedene Strafverfahren unter Einbeziehung möglicher Verantwortlichkeiten der beteiligten Einsatz- und Ermittlungsbeamten geführt. Sofern die Fragen vorstehend genannte Strafverfahren zum Gegenstand haben, obliegt die Auskunft dazu der sachleitenden Staatsanwaltschaft in Nordrhein-Westfalen. Im Übrigen handelt es sich um Ermittlungsverfahren der Polizei und Staatsanwaltschaft Nordrhein -Westfalen, deren Tätigkeit außerhalb der Kontrolle der Hamburgischen Bürgerschaft liegt, weshalb hierzu von Angaben abgesehen wird. Dies vorausgeschickt beantwortet der Senat die vorliegende Schriftliche Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Daten werden im Regelfall bei Haftsachen oder Haftanfragen zwischen unterschiedlichen Polizeidienststellen ausgetauscht? a. Gibt es dafür in Hamburg oder bundesweit eine Norm oder Dienstanweisung ? Wenn ja, welche und wie ist der Wortlaut? b. Sind in den Daten Geburtsdatum und Geburtsort enthalten? Drucksache 21/16728 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Welche Daten im Sinne der Fragestellung ausgetauscht werden, ist nicht geregelt. Unter dem Gesichtspunkt der Identitätsfeststellung hat die Polizei die zur Feststellung der Identität erforderlichen Maßnahmen zu treffen; ein Austausch von Daten erfolgt unter dieser Prämisse. Die strafprozessuale Maßnahme der Identitätsfeststellung ist im § 163b Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Darüber hinaus gelten die im achten Buch der StPO (Schutz und Verwendung von Daten) dargelegten Normen der §§ 474 und 477 StPO. Das Anfordern von Haftbefehlen setzt die einwandfreie Identifizierung der festgenommenen Person voraus. Die Identifizierung obliegt den vor Ort ermittelnden Polizeibeamten unter Nutzung der ihnen dazu im konkreten Einzelfall zur Verfügung stehenden Möglichkeiten. Zur Anforderung von Haftbefehlen werden durch die anfordernde Stelle in der Regel Name, Vorname und Geburtsdatum des Gesuchten übersandt. Die Übermittlung des Geburtsortes erfolgt nicht in jedem Fall, da dieser in Einzelfällen nicht feststeht. 2. Welche Daten wurden in dem konkreten oben genannten Fall „A. A.“ von der Polizei Kleve an das LKA Hamburg übermittelt beziehungsweise angefragt? a. An welchem Datum beziehungsweise Daten gab es Kontakt zwischen der Polizei Kleve und dem LKA Hamburg? b. In welcher Form fand der Kontakt statt (telefonisch, per E-Mail, schriftlich et cetera)? c. Welchen Inhalt hatte der Kontakt jeweils? 3. Hat das LKA Hamburg Maßnahmen ergriffen, um die Identität des in Kleve verhafteten Menschen zweifelsfrei aufzuklären? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? 4. Konnte das LKA Hamburg zum Zeitpunkt der Anfrage von der Polizei Kleve auf ein Foto von A. G. zugreifen? 5. Konnte das LKA Hamburg zum Zeitpunkt der Anfrage von der Polizei Kleve auf ein Foto von „A. A.“ zugreifen? 6. Laut dem Bericht im Justizausschuss waren in den staatsanwaltschaftlichen Datenbanken drei Aliasnamen für A. G. verzeichnet, von denen keiner „A. A.“ oder „A. A.“ lautete. Welche Aliasnamen (inklusive Geburtsdatum und -ort) waren zum Zeitpunkt der Anfrage von der Polizei Kleve in den polizeilichen Datenbanken verzeichnet? Siehe Vorbemerkung und Antwort zu 1. a. In welchen Datenbanken waren diese Aliasnamen gespeichert? b. Auf welche Erkenntnisgrundlage wurden die Aliasnamen eingetragen ? Sofern dies im Einzelfall nicht rekonstruiert werden kann, bitte angeben, welche Erkenntnisse im Regelfall zur Eintragung eines Aliasnamen in den polizeilichen Datenbanken führen. c. Inwieweit wurden die eingetragenen Aliasnamen verifiziert? Sofern dies im Einzelfall nicht rekonstruiert werden kann, bitte angeben, welche Erkenntnisse im Regelfall zur Eintragung eines Aliasnamen in den polizeilichen Datenbanken führen. d. Welche Dienststelle(n) haben die Aliasnamen im konkreten Fall eingetragen ? Aliaspersonalien werden aus unterschiedlichsten Gründen angelegt und grundsätzlich in den polizeilichen Auskunftssystemen gespeichert. Dieses erfolgt zum Beispiel aufgrund polizeilicher Ermittlungsergebnisse, einer Neuausschreibung mit abweichenden Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/16728 3 Daten zur Führungspersonalie oder einer Mitteilung bei Namensänderung durch das Einwohnermeldeamt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 7. Welche Daten werden im Regelfall bei Haftsachen zwischen den Polizeidienststellen und der Staatsanwaltschaft Hamburg ausgetauscht? a. Gibt es dafür bei Polizei und/oder Staatsanwaltschaft Hamburg eine Norm oder Dienstanweisung? Wenn ja, welche und wie ist der Wortlaut? b. Sind in den Daten Geburtsdatum und Geburtsort enthalten? Die Polizei Hamburg erhält von der Staatsanwaltschaft Hamburg Ausschreibungen zur Festnahme grundsätzlich schriftlich auf dem Vordruck „Antrag auf Ausschreibung“ sowie durch Übersendung des Haftbefehls. Mit dem Vordruck werden Daten von der Staatsanwaltschaft Hamburg an die Polizei Hamburg übermittelt (Familienname, Vorname , Geburtsdatum, Aktenzeichen, Zweck der Ausschreibung), darüber hinaus, wenn bekannt, Daten wie die Anschrift, Geburtsort, Staatsangehörigkeit und andere Personalien. Im Gegenzug werden polizeiliche Erkenntnisse zu Ausschreibungen (zum Beispiel Festnahmeort und Festnahmezeit) von der Polizei an die Staatsanwaltschaft Hamburg übersandt. In der Verfügung des Leitenden Oberstaatsanwalts vom 28. April 2008 (in der Fassung vom 22. April 2014) zur Vollstreckung von Haftbefehlen und Durchführung der Fahndung (national) wird ausgeführt: „In den Fällen, in denen das LKA 273 eine örtliche oder überörtliche Fahndung nach einer Person im System veranlasst hat, erfolgt nach erfolgreicher Vollstreckung eines Haftbefehls oder nach Zahlung einer Geldstrafe zur Abwendung einer Ersatzfreiheitsstrafe auch die Löschung der Fahndung durch das LKA 273. Eine entsprechende Verfügung des zuständigen Dezernenten oder Rechtspflegers (Vordruck KP 24) ist in diesen Fällen nicht mehr zwingend. Die Fahndungslöschung wird vom LKA 273 zur Akte mitgeteilt. In allen Fällen wird gewährleistet, dass die Staatsanwaltschaft von der Polizei eine Rückmeldung erhält, ob ein Haftbefehl vollstreckt oder abschließend nicht vollstreckt werden konnte.“ 8. Welche Daten wurden in dem konkreten oben genannten Fall „A. A.“ vom LKA Hamburg an die Staatsanwaltschaft Hamburg übermittelt? a. Waren darin das Geburtsdatum und der Geburtsort benannt? Auf das Protokoll des Justizausschusses der Bürgerschaft vom 12. Februar 2019 wird Bezug genommen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.