BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/16784 21. Wahlperiode 12.04.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 05.04.19 und Antwort des Senats Betr.: Dealer-Paradies und Straftaten aus der Justizvollzugsanstalt Glasmoor heraus? (II) Die kriminellen Aktivitäten, die Freigänger der JVA Glasmoor immer wieder an den Tag legen, waren bereits Gegenstand meiner Schriftlichen Kleinen Anfrage Drs. 21/11186. Einem Bericht des „Hamburger Abendblatts“ vom 5. April 2019 zufolge wurde am 3. April 2019 der Insasse der JVA Glasmoor Kwadowo B., der als Freigänger im offenen Vollzug draußen unterwegs war, mit 2 Kilogramm Marihuana festgenommen. Kwadowo B. ist bereits seit Ende 2017 Freigänger. Auch wenn der offene Vollzug ein Baustein der Resozialisierung ist, ist es absolut inakzeptabel, dass dort untergebrachte Gefangene dies ausnutzen, um Straftaten zu begehen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Aus der JVA Glasmoor heraus sind bei einer Kapazität von 209 Haftplätzen und regelmäßiger Vollbelegung in den Jahren 2018 und 2019 durchschnittlich 125 bis 130 Gefangenen Freigang gewährt worden, was 60 bis 63 Prozent entspricht. Gemäß § 11 des Hamburgischen Strafvollzugsgesetzes (HmbStVollzG) sollen Gefangene im offenen Vollzug untergebracht werden, wenn sie hierfür geeignet sind. Der offene Vollzug bietet die besten Voraussetzungen für eine an den Lebensverhältnissen in Freiheit orientierte Vollzugsgestaltung. Er fördert zugleich die Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Gefangenen und erleichtert ihnen den Übergang in die Freiheit. Insbesondere sollen durch eine schrittweise Überleitung in die Freiheit ein mögliches „Entlassungsloch“ vermieden und die Rückfallgefahr vermindert werden. Bei der Prüfung der Eignung der Gefangenen für den offenen Vollzug wird ein strenger Maßstab angelegt. Gefangene, bei denen eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr angenommen werden muss, sind von einer Verlegung ausgeschlossen. Im Rahmen der Eignungsprüfung muss darüber hinaus auch festgestellt werden, dass der jeweilige Gefangene voraussichtlich den Anforderungen des offenen Vollzugs gewachsen ist. Kriterien wie zum Beispiel Zuverlässigkeit, ein angemessenes Sozialverhalten und die Bereitschaft, die geplanten entlassungsvorbereitenden Maßnahmen umzusetzen, gehören dazu. Die Prüfung und Genehmigung von Freigang zum Zweck einer Arbeitsaufnahme außerhalb der Anstalt erfolgt gesondert, wobei sich die Eignungskriterien für den offenen Vollzug und den Freigang grundsätzlich überschneiden. Bei einem Straftatverdacht gegen Gefangene informiert die Polizei den Justizvollzug unverzüglich, sofern nicht im Einzelfall ermittlungstaktische Gründe entgegenstehen. Drucksache 21/16784 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Im Fall eines Straftatverdachts werden sämtliche Lockerungen sofort widerrufen. Der Anstalt und der zuständigen Behörde liegen keine Hinweise vor, die sich mit den öffentlichen Darstellungen decken. Im Übrigen siehe Drs. 21/11186. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Am 3. April 2019 wurde Kwadowo B. festgenommen. Wie stellt sich der Sachverhalt nach derzeitigem Ermittlungsstand im Einzelnen dar? Der Beschuldigte wurde am 3. April 2019 festgenommen und am 4. April 2019 dem Amtsgericht Hamburg zugeführt, welches antragsgemäß Haftbefehl gegen den Beschuldigten erließ. Im Übrigen siehe Presseerklärung der Polizei vom 4. April 2019, https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/6337/4237201. Darüber hinaus sieht der Senat im Hinblick auf die Möglichkeit der Beeinträchtigung von Ermittlungen von einer Antwort ab. 2. Welche Informationen liegen über den am 3. April 2019 festgenommenen Kwadowo B. vor? Bitte Alter, Herkunft, aufenthaltsrechtlichen Status und rechtskräftige Verurteilungen angeben. a. Seit wann befand er sich in der JVA Glasmoor? b. Inwiefern ist er dort bereits auffällig geworden? c. Welcher Arbeit ging er als Freigänger nach? Der Festgenommene ist 34 Jahre alt und deutscher Staatsbürger. Im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und die gesetzlichen Wertungen des Bundeszentralregistergesetzes sieht der Senat davon ab, etwaige Ermittlungsverfahren mitzuteilen, die durch einen Freispruch oder eine Einstellung beendet worden sind. Dasselbe gilt für Ermittlungsverfahren, die zu einem Abschluss geführt haben, der entweder nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen oder nach den Tilgungsvorschriften des Bundeszentralregistergesetzes nicht mehr zu berücksichtigen ist. Ausweislich des Bundeszentralregisters wurde er mit Urteil vom 10. Juni 2013 wegen Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten und am 12. Oktober 2016 ebenfalls wegen Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Der Gefangene befand sich seit dem 15. Dezember 2017 in der JVA Glasmoor . Auffällig ist er nicht geworden. Seit dem 26. März 2018 arbeitete der Gefangene als „Teamassistent“ in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis in einer Unternehmensgruppe mit dem Schwerpunkt Immobilien . 3. Welche aktuellen Erkenntnisse liegen der Polizei sowie der Justizbehörde darüber vor, ob von der JVA Glasmoor aus Straftaten, insbesondere im Zusammenhang mit BtM-Delikten, außerhalb der Anstalt begangen werden? Die Polizei erfasst Straftaten gemäß dem Straftatenkatalog der Richtlinien für die Erfassung und Verarbeitung der Daten in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Das Merkmal „Freigänger“ wird in der PKS nicht erfasst. Insofern ist eine Beantwortung der Fragestellung über eine Auswertung der PKS nicht möglich. Im Übrigen siehe Vorbemerkung . Straftaten von Gefangenen der JVA Glasmoor während Lockerungen führen zur Rückverlegung in den geschlossenen Vollzug. Seit Dezember 2017 sind bei einer Kapazität von 209 Haftplätzen, regelmäßiger Vollbelegung und regelmäßiger Fluktuation der Insassen sechs Gefangene durch Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz während der Unterbringung im offenen Vollzug der JVA Glasmoor auffällig geworden. Im Übrigen siehe Drs. 21/11186. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/16784 3 4. Wie viele Ermittlungsverfahren wegen jeweils welcher Delikte wurden seit Beginn des Jahres 2018 monatlich gegen Insassen aus der JVA Glasmoor eingeleitet? Im Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft Hamburg wird nicht erfasst, ob sich ein Verfahren gegen einen Gefangenen der JVA Glasmoor richtet. Es müssten daher für den abgefragten Zeitraum sämtliche Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften Hamburg beigezogen und händisch ausgewertet werden. Dies ist in der für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 5. Wie viele Rückverlegungen in den geschlossenen Vollzug hat es seit Beginn des Jahres 2018 jeweils monatlich aus der JVA Glasmoor sowie aus der Außenstelle Bergedorf der Sozialtherapeutischen Anstalt aus welchen Gründen gegeben? Rückverlegungen aus der JVA Glasmoor für 2018: Jan Feb März April Mai Juni Juli Aug Sep Okt Nov Dez 11 3 9 5 9 9 9 0 2 5 3 4 Rückverlegungen aus der JVA Glasmoor für 2019 (Stichtag: 08.04.2019): Jan Feb März April 15 5 1 4 Rückverlegungen aus der Außenstelle Bergedorf für 2018: Jan Feb März April Mai Juni Juli Aug Sept Okt Nov Dez 0 4 3 2 2 1 1 2 0 0 2 2 Rückverlegungen aus der Außenstelle Bergedorf für 2019 (Stichtag: 08.04.2019): Jan Feb März April 1 1 3 0 Die Gründe für die Rückverlegungen sind: Feststellungen über die Nichteignung für den offenen Vollzug, Suchtmittelmissbrauch in Bezug auf Alkohol und illegale Drogen, neuer Straftatverdacht, schwerwiegende Weisungsverstöße oder Nichtrückkehr nach Lockerungen.