BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/16791 21. Wahlperiode 12.04.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 05.04.19 und Antwort des Senats Betr.: Drogenhandel aus der JVA Glasmoor – Wie konnte dies geschehen? Presseberichten zufolge nutzten verurteilte Drogenhändler den offenen Vollzug in Glasmoor, um weiter mit Drogen zu dealen. Ein 34-jähriger Mann soll mit zwei Komplizen bei der Übergabe von 2 kg Marihuana in Bramfeld beobachtet worden sein. In seiner Wohnung sollen 2 kg Amphetamine und 50 g Kokain gefunden worden sein. Die Drogenhändler haben tagsüber Freigang und werden nicht hinreichend kontrolliert, so die Aussagen der Polizei. Die Justizbehörde bezeichnet den Vorfall als Einzelfall. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Aus der JVA Glasmoor heraus sind bei einer Kapazität von 209 Haftplätzen und regelmäßiger Vollbelegung in den Jahren 2018 und 2019 durchschnittlich 125 bis 130 Gefangenen Freigang gewährt worden, was 60 bis 63 Prozent entspricht. Gemäß § 11 des Hamburgischen Strafvollzugsgesetzes (HmbStVollzG) sollen Gefangene im offenen Vollzug untergebracht werden, wenn sie hierfür geeignet sind. Der offene Vollzug bietet die besten Voraussetzungen für eine an den Lebensverhältnissen in Freiheit orientierte Vollzugsgestaltung. Er fördert zugleich die Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Gefangenen und erleichtert ihnen den Übergang in die Freiheit. Insbesondere sollen durch eine schrittweise Überleitung in die Freiheit ein mögliches „Entlassungsloch“ vermieden und die Rückfallgefahr vermindert werden. Bei der Prüfung der Eignung der Gefangenen für den offenen Vollzug wird ein strenger Maßstab angelegt. Gefangene, bei denen eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr angenommen werden muss, sind von einer Verlegung ausgeschlossen. Im Rahmen der Eignungsprüfung muss darüber hinaus auch festgestellt werden, dass der jeweilige Gefangene voraussichtlich den Anforderungen des offenen Vollzugs gewachsen ist. Kriterien wie zum Beispiel Zuverlässigkeit, ein angemessenes Sozialverhalten und die Bereitschaft, die geplanten entlassungsvorbereitenden Maßnahmen umzusetzen, gehören dazu. Die Prüfung und Genehmigung von Freigang zum Zweck einer Arbeitsaufnahme außerhalb der Anstalt erfolgt gesondert, wobei sich die Eignungskriterien für den offenen Vollzug und den Freigang grundsätzlich überschneiden. Bei einem Straftatverdacht gegen Gefangene informiert die Polizei den Justizvollzug unverzüglich, sofern nicht im Einzelfall ermittlungstaktische Gründe entgegenstehen. Im Fall eines Straftatverdachts werden sämtliche Lockerungen sofort widerrufen. Der Anstalt und der zuständigen Behörde liegen keine Hinweise vor, die sich mit den öffentlichen Darstellungen decken. Im Übrigen siehe Drs. 21/11186. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: Drucksache 21/16791 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Welche Kontrollmaßnahmen sind bei Insassen im offenen Vollzug durch wen üblich? a) Gab es Kontrollen der Polizei, von denen die Justizbehörde Kenntnis hatte? Wenn ja, seit wann, in wie vielen Fällen und welche Konsequenzen hat die Justizbehörde daraus gezogen? b) Inwiefern gab es Beobachtungsmomente der Polizei, von denen die Justizbehörde Kenntnis hatte? c) Wie arbeiten die zuständigen Stellen aus der Innenbehörde und Justizbehörde generell bei Kontrollen für Insassen im offenen Vollzug zusammen? d) Welche Abweichungen gab es gegebenenfalls von der gängigen Praxis oder den Regelungen im konkreten Fall? In der Justizvollzugsanstalt (JVA) Glasmoor sind zwei Mitarbeiter des allgemeinen Vollzugsdienstes täglich im Großraum Hamburg unterwegs und kontrollieren die Freigängerinnen und Freigänger an ihrem Arbeitsplatz. Diese Überprüfungen beinhalten auch Firmenerstüberprüfungen. Hierbei soll festgestellt werden, ob der Arbeitsplatz für eine Gefangene oder einen Gefangenen geeignet und für die JVA überprüfbar ist. Monatlich werden auf diese Art und Weise etwa 140 bis 150 Überprüfungen durchgeführt . In der JVA Glasmoor überwachen Bedienstete die Gehaltseingänge und Stundenzettel der Gefangenen. Darüber hinaus sind Bedienstete im regelmäßigen telefonischen Kontakt zu den Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern in den jeweiligen Firmen. Jeder Arbeitgeber unterschreibt eine Vereinbarung, bevor ein Gefangener zur Arbeit eingesetzt wird. In dieser Vereinbarung ist die Kooperation mit der Anstalt geregelt, insbesondere auch, wie sich der Arbeitgeber zu verhalten hat, wenn der Gefangene nicht am Arbeitsplatz erscheint oder diesen ohne Genehmigung vorzeitig verlässt. Die Justizvollzugsanstalten teilen der Polizei schriftlich Aufnahmen, Entlassungen, Verlegungen, Vollzugslockerungen und Widerrufe von Vollzugslockerungen mit. Die Polizei stellt die Mitteilungen im polizeilichen Auskunftssystem ein. Die Mitteilung über die Eignung von Vollzugslockerungen beinhaltet das Datum und den Hinweis, dass die Person ab einem bestimmten Zeitpunkt grundsätzlich Freistellung von der Haft bzw. Ausgang erhalten kann. Diese Mitteilung wird durch die Justiz gegebenenfalls noch um den Hinweis ergänzt, dass es sich um unbegleiteten Ausgang handelt. Sofern bei der Überprüfung einer Person über die polizeilichen Auskunftssysteme festgestellt wird, dass diese als inhaftiert beziehungsweise als Freigängerin oder Freigänger verzeichnet ist, wird mit der zuständigen JVA der weitere Verfahrensablauf abgesprochen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Zeigten sich Auffälligkeiten im Verhalten bei dem Inhaftierten 34- Jährigen, als dieser noch im geschlossenen Vollzug war? Wenn ja, seit wann, welche und durch wen wurden diese dokumentiert? Nein. 3. Nach welchen Kriterien wird entschieden, dass ein Inhaftierter in den offenen Vollzug verlegt wird? Warum ist der Inhaftierte 34-Jährige in den offenen Vollzug verlegt worden? Bitte Datum der Verlegung und Gründe benennen. Siehe Vorbemerkung. Der Gefangene wurde am 15. Dezember 2017 in den offenen Vollzug verlegt. 4. Wo und wie wurde durch die Drogenhändler mit den Drogen gedealt? a) Gibt es einen Verdacht, dass aus der JVA Glasmoor heraus mit Drogen gehandelt wurde? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/16791 3 b) Wenn ja, seit wann, durch wie viele Personen und wie oft gab es Kontakte zu Drogen durch weitere Insassen in der JVA? c) Wenn ja, seit wann war dies welchen zuständigen Stellen der Justiz bekannt gewesen? d) Wenn nein, inwieweit wurde der 34-Jährige außerhalb der JVA Glasmoor in wie vielen konkreten Situationen des Drogenhandels beobachtet und dann wann festgenommen? Siehe Presseerklärung der Polizei vom 4. April 2019, https://www.presseportal.de/ blaulicht/pm/6337/4237201. Darüber hinaus sieht der Senat im Hinblick auf die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der noch laufenden Ermittlungen von einer Antwort ab. 5. Wie viele und welche vergleichbaren Vorfälle von Drogenhandel hat es in den Jahren 2011 bis März 2019 in Hamburger Justizvollzugsanstalten gegeben (bitte Angaben in Jahren, unter Angabe der Straftaten der Inhaftierten und der Angabe der Justizvollzugsanstalt darstellen)? In der JVA Glasmoor werden entsprechende Fälle erst seit 2014 in besonderen Akten erfasst. Dort wurden seit 2014 sieben Fälle erfasst. In den anderen Anstalten des Hamburger Vollzuges sind Drogen aus der Anstalt heraus nicht gehandelt worden. Hinsichtlich der Jahre 2011 bis 2013 müssten daher über hundert Akten durchgesehen werden. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Jahr Anzahl Delikte, wegen denen die oder der Gefangene verurteilt wurde 2014 1 Gefährliche Körperverletzung, Raub 2015 1 Trunkenheit im Verkehr, gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr 2016 1 Gefährliche Körperverletzung, Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz 2017 1 Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer, falsche uneidliche Aussage , Betrug 2018 1 Diebstahl, Hehlerei, Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz 2018 1 Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz, Urkundenfälschung 2019* 1 Verstoß gegen die Abgabenordnung * bis 31. März 2019