BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/16802 21. Wahlperiode 16.04.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Carsten Ovens (CDU) vom 08.04.19 und Antwort des Senats Betr.: Vernachlässigt der Senat die Hamburger Games-Branche? Die Hansestadt Hamburg gilt als die deutsche Hauptstadt der Games-Szene, doch verläuft die Entwicklung des Standorts laut Drs. 21/3724 in den letzten Jahren nicht mehr optimal. Umso wichtiger ist es für die handelnde Politik, die Games-Branche als relevanten Wirtschaftszweig anzuerkennen. Die staatliche Förderung von Computerspielen war in Deutschland bislang vergleichsweise niedrig. Im internationalen Wettbewerb ist das ein klarer Standortnachteil für deutsche Games-Produzenten. So fördern andere Staaten (wie etwa die USA und Großbritannien) ihre einheimische Games- Branche schon seit etlichen Jahren deutlich stärker, was dazu führt, dass die Games-Branche in diesen Ländern kontinuierlich an Stärke gewinnt. Die Bundesregierung hat dies mit dem Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD zum Ausdruck gebracht und wird unter anderem einen Investitionsfonds für Games-Produzenten auflegen. Auch einige Bundesländer haben 2018 und 2019 neue Games-Förderprogramme aufgelegt beziehungsweise bestehende Programme erweitert. Fünf der zehn größten Spielehersteller (Goodgame Studios, Bigpoint, Inno Games, Gamigo und Daedalic) haben ihren Sitz bei uns in der Hansestadt. Die Entwicklung der Branche an Alster und Elbe ist so etwas wie ein Fieberthermometer für den Rest des Landes. Großevents wie die ESL One begeisterten im letzten Jahr erneut Tausende von Gamern. Im vergangenen Jahrzehnt gab es unter den CDU-geführten Senaten mehrere Initiativen zur Stärkung der Games-Branche, unter anderem die Etablierung der gamecity:hamburg Standortinitiative sowie die sogenannte Prototypenförderung (nach dem Regierungswechsel 2011 nicht erneut aufgelegt), die bis heute großes Ansehen genießt. In Hamburg gab es unter den CDU- Senaten noch eine spezielle Förderung von Start-up-Unternehmen aus der Games-Branche. Nun kommt es darauf an, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um Hamburgs Stärken im Games-Bereich auszubauen, wie es bereits aus Drs. 21/9662 hervorgeht. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat hat die Entwicklung der Games-Branche hin zu einem relevanten Sektor der Hamburger Wirtschaft, der nicht nur hochqualifizierte Arbeitsplätze schafft, sondern auch auf das Standortimage und das Innovationsökosystem einzahlt, stets intensiv unterstützt. Dementsprechend wurde mit der Anschubfinanzierung für die Initiative Drucksache 21/16802 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 nextReality.Hamburg die für Games relevante VR/AR-Technologie am Standort gefördert und nach intensiven Gesprächen mit Vertretungen der Hamburger Games- Branche das Budget der gamecity:Hamburg signifikant erhöht. Damit verbunden ist die personelle Aufstockung des Projektteams, das ab Mitte 2019 in enger Abstimmung mit der Branche das Service- und Supportportfolio der gamecity:Hamburg weiterentwickeln wird. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften von Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter), der Hamburgischen Investitions- und Förderbank, des Statistikamtes Nord sowie der Agentur für Arbeit Hamburg (AA) wie folgt: 1. Wie hat sich die Software- und Games-Branche in Hamburg seit 2015 entwickelt? Bitte dazu die in Hamburg ansässigen Unternehmen der Games-Industrie inklusive Jahresumsätze sowie einen Vergleich zu anderen nationalen Standorten auflisten. Das Statistikamt Nord verwendet im Folgenden Daten über „steuerpflichtige Unternehmen “ und „Umsätze“ aus der Umsatzsteuerstatistik und über „sozialversicherungspflichtig Beschäftigte“ aus dem Unternehmensregister (URS). Beide Statistiken liegen aktuell bis zum Jahr 2017 vor. Zwar sind im URS auch die Anzahl der Unternehmen und die Umsätze enthalten, aber diese Zahlen sind nur für sogenannte vierstellige Wirtschaftszweige und bis 2013 vorhanden. Da sich das URS und die Umsatzsteuerstatistik methodisch unterscheiden, wurden für die Zahl der Unternehmen und die Umsätze nur die Angaben aus der Steuerstatistik verwendet. Games- Unternehmen sind nicht nur dem WZ „58.21 Verlegen von Computerspielen“ zugeordnet . Zum jährlichen Umsatz, zur Anzahl der Unternehmen und zur Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten: Die Aussagekraft der Umsatzsteuerstatistik ist in regionaler Sicht beeinträchtigt, weil bei Unternehmen mit mehreren, räumlich voneinander getrennten Betrieben oder bei Organkreisen (Mutter- und Tochterunternehmen) das gesamte Umsatzsteueraufkommen dem Sitz der Geschäftsleitung des Unternehmens zugerechnet wird. Steuerpflichtige und deren Umsätze in Hamburg nach ausgewählten Wirtschaftszweigen Im Jahr 2015 Wirtschaftszweig (WZ 2008) Steuerpflichtige Unternehmen1 Umsatz (Lieferungen und Leistungen) Anzahl 1 000 Euro 58.21 Verlegen von Computerspielen 10 14 716 63.12 Webportale 60 206 003 62.01.1 Entwicklung und Programmierung v. Internetpräsentationen 591 642 583 62.01.9 Sonstige Softwareentwicklung 987 564 792 58.29 Verlegen von sonstiger Software 28 11 086 Summe 1 676 1 439 180 Steuerpflichtige und deren Umsätze in Hamburg nach ausgewählten Wirtschaftszweigen im Jahr 2016 Wirtschaftszweig (WZ 2008) Steuerpflichtige Unternehmen1 Umsatz (Lieferungen und Leistungen ) Anzahl 1 000 Euro 58.21 Verlegen von Computerspielen 11 17 095 63.12 Webportale 74 188 954 62.01.1 Entwicklung und Programmierung v. Internetpräsentationen 616 1 062 749 62.01.9 Sonstige Softwareentwicklung 1 074 691 120 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/16802 3 Steuerpflichtige und deren Umsätze in Hamburg nach ausgewählten Wirtschaftszweigen im Jahr 2016 Wirtschaftszweig (WZ 2008) Steuerpflichtige Unternehmen1 Umsatz (Lieferungen und Leistungen ) Anzahl 1 000 Euro 58.29 Verlegen von sonstiger Software 25 7 231 Summe 1 800 1 967 149 Steuerpflichtige und deren Umsätze in Hamburg nach ausgewählten Wirtschaftszweigen im Jahr 2017 Wirtschaftszweig (WZ 2008) Steuerpflichtige Unternehmen1 Umsatz (Lieferungen und Leistungen ) Anzahl 1 000 Euro 58.21 Verlegen von Computerspielen 11 11.165 63.12 Webportale 79 172.208 62.01.1 Entwicklung und Programmierung v. Internetpräsentationen 630 1 189 690 62.01.9 Sonstige Softwareentwicklung 1 131 986.458 58.29 Verlegen von sonstiger Software 32 8 158 Summe 1 883 2 367 678 1) Steuerpflichtige, deren Lieferungen und Leistungen mehr als 17 500 Euro betragen. Ohne Jahreszahler. Quelle: Umsatzsteuerstatistik Voranmeldungen Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach Wirtschaftsklassen 2015 – 2017 Wirtschaftszweig Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte aus Unternehmen 1) mit steuerbarem Umsatz 2015 2016 2017 58.21 Verlegen von Computerspielen 541 428 444 58.29 Verlegen von sonstiger Software 561 643 730 63.12 Webportale 2 012 2 026 2 317 62.01 Programmierungstätigkeiten 13 070 13 502 14 557 Summe 16 184 16 599 20 065 1) Unternehmen mit steuerbarem Umsatz aus Lieferungen und Leistungen und/oder mit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Quelle: Statistikamt Nord, Unternehmensregister; Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008 (WZ 2008). Daten der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten 2018 liegen nicht vor Juni 2020 vor. Zu den Daten zu 1. für die Jahre 2015 und 2016 siehe Drs. 21/15035. Daten von anderen nationalen Standorten der Games-Branche liegen im Statistikamt Nord nicht vor. Einen Überblick gibt die vom Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware e.V. (BIU) und vom Bundesverband der deutschen Games-Branche e.V. beauftragte Studie der Hamburg Media School „Die Computer- und Videospielindustrie in Deutschland“, abrufbar unter: https://www.hamburgmediaschool.com/ assets/documents/Forschung/Abschlussbericht_Games-Studie.pdf. 2. Inwiefern teilt der Senat die Einschätzung der Bundesregierung zur Software- und Games-Branche mit Blick auf die Hamburger Wirtschaft? Siehe Vorbemerkung sowie Drs. 21/13516. 3. Insgesamt elf Bundesländer verfügen über dezidierte Förderprogramme zur Stärkung der Games-Szene. Dabei kamen Hessen und das Saarland im letzten Jahr neu hinzu. Alleine Bayern hat im Haushalt 2018 einen Drucksache 21/16802 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Etat von 1,8 Millionen Euro zur Förderung von Games, NRW sind 1,5 Millionen und Berlin/Brandenburg 1,2 Millionen Euro budgetiert. a. Welche Games-Projekte wurden seit 2015 durch die FHH gefördert ? Seit 2015 wurde ein Unternehmen aus der Games-Branche über das Programm InnoFounder durch die Hamburgische Investitions- und Förderbank Hamburg (IFB) gefördert. Ein weiteres Unternehmen hat in diesem Zeitraum eine Bürgschaft über die Bürgschaftsgemeinschaft Hamburg (BG) erhalten. 2013 wurde einem Unternehmen ein Zuschuss über die Kreditkommission gewährt, der erst 2016 in Anspruch genommen wurde. b. Wie hoch ist das Budget zur expliziten Förderung von Games- Produktionen in Hamburg in 2018, 2019 und 2020? c. Plant der Senat den Aufbau einer eigenen, dezidierten Games- Förderung, wie sie bereits in elf Bundesländern besteht? Wenn ja, inwiefern? Wenn nein, warum nicht? Neben dem aktuell angekündigten Bundesprogramm stehen Unternehmen beziehungsweise Gründerinnen und Gründern aus der Games-Branche grundsätzlich alle Förderprogramme der IFB sowie BG offen, sodass eine Förderung über die jeweiligen Produkte (Zuschüsse, Beteiligungen, Darlehen und Bürgschaften) passend zu den jeweiligen Phasen im Entwicklungsprozess der Unternehmen erfolgen kann. Siehe darüber hinaus die Drs. 21/15035 sowie 21/3724. 4. Überregionale Konferenzen und Großevents wie die ESL One sind geeignete Instrumente, um den Games-Standort Hamburg sichtbarer zu machen. Welche (ähnlichen) Konferenzen oder Großevents sind 2019 und 2020 in Hamburg geplant? Mit Ausnahme der für den November 2019 avisierten Gamevention sind der zuständigen Behörde bislang keine Planungen für entsprechende Veranstaltungen bekannt. 5. Ist dem Senat der Fachkräftemangel in der Hamburger Games-Branche bekannt? Was tut er konkret, um diesem Fachkräftemangel entgegenzutreten ? Inwieweit hat sich dabei die Fachkräftestrategie des Senats bewährt (vergleiche Drs. 21/3724)? Für die unterschiedlichen Berufe in der Games-Branche gibt es keine eigenständige Berufsausbildung nach dem Berufsausbildungsgesetz (BBiG). Der Zugang erfolgt in der Regel nach einem Studium der Informatik-, Informations- und Kommunikationstechnologieberufe (IKT) beziehungsweise im sogenannten Quereinstieg. Gemäß Auswertung der Statistik der Bundesagentur für Arbeit bestehen in Hamburg Engpässe bei Experten in der Software-Entwicklung und Programmierung sowie IT- Anwenderberatung, siehe: https://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Arbeitsmarktberichte/ Fachkraeftebedarf-Stellen/Fachkraefte/Regionale-Engpaesse-Landkarten.pdf. Belastbare Daten für den Teilbereich der Games-Branche liegen nicht vor. Die Arbeitsverwaltung fördert und berät Kundinnen und Kunden mit entsprechender Eignung und Neigung im Hinblick auf die Games-Branche. Gesonderte Programme gibt es aufgrund der begrenzten Anzahl an Potenzialträgern nicht. Im Rahmen der Fachkräftestrategie werden Maßnahmen in den Handlungsfeldern „Fachkräfte qualifizieren“, „Erwerbspersonenpotenzial sichern und ausschöpfen“, „Fachkräfte aus dem In- und Ausland gewinnen“ sowie „Attraktive Arbeitsbedingungen “ entwickelt und koordiniert. Diese kommen grundsätzlich auch Unternehmen und Beschäftigten in der Games-Branche zugute. So plant der Senat zum Beispiel die konkrete Unterstützung von Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU) bei der Akquisition von Fachkräften im Ausland durch ein Fachkräftebüro. Darüber hinaus setzt sich Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/16802 5 der Senat laufend weiter dafür ein, die Rahmenbedingungen für die Beschäftigung von Fachkräften aus dem Ausland zu verbessern, zum Beispiel durch die Ausgestaltung der rechtlichen Regelungen (vergleiche Drs. 21/3724). 6. Inwiefern wird eSports derzeit in Hamburg gefördert? Welche Strategie verfolgt der Senat hier 2019 und 2020? Eine finanzielle Förderung des eSports erfolgt durch die für Sport zuständige Behörde derzeit nicht. Im Übrigen siehe Drs. 21/12627. 7. Inwiefern ist es aus Sicht des Senats möglich, eSports zum Beispiel in den Unterricht an Hamburger Schulen zu integrieren? eSport ist das wettbewerbsmäßige Spielen von Computer-, Video- oder Konsolenspielen . Die Spiele umfassen Individual- und Mannschaftsportarten und werden sowohl auf Individual- als auch auf Mannschaftssportebene gespielt. Die Art der Spiele ist mannigfaltig, von der Fußballsimulation bis hin zu populären Ego- und Taktik Shootern . Besonders beliebt sind derzeit Echtzeit-Strategiespiele, bei denen zwei Teams in einer virtuellen Arena gegeneinander antreten und verschiedene Aufgaben erfüllen müssen. eSport versteht sich als eigene Sportdisziplin. Der Beliebtheitsgrad von eSport steigt kontinuierlich. Ansatzpunkte im Unterricht sind vielfältig. Aus dem Bereich Sport ist die Förderung überfachlicher und fachlicher Kompetenzen, besonders in den Kompetenzbereichen Leisten und Üben, Erkunden und Wagen, Wettkämpfen und Kooperieren denkbar. eSport ist wie der gesamte Bereich des digital game based learning im schulischen Bereich erst im Entstehen. Die Berufliche Schule für Medien und Kommunikation in Hamburg bietet seit 2017 eSport-Kurse als eine der ersten Schulen in Deutschland in Kooperation mit der DGS (Deutsche Games Schulmeisterschaft) an. 8. Die Bundesregierung wird einen 50-Millionen-Fonds zur Förderung der Games-Branche auflegen. Bislang scheint nicht entschieden, wo dieser Fonds angesiedelt wird. Hat der Senat die Freie und Hansestadt Hamburg gegenüber der Bundesregierung als Standort ins Spiel gebracht? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? Nach Kenntnis der zuständigen Behörde ist keine klassische Fondslösung geplant. In Vorbereitung sind vielmehr drei Förderprogramme (FuE-, de Minimis- sowie Produktionsförderung ), die nach derzeitigem Sachstand durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur verwaltet werden sollen. 9. Die Bundesregierung plant den Aufbau eines eigenen deutschen Museums für Computerspiele. Bislang scheint nicht entschieden, wo dieses Museum angesiedelt wird. Hat der Senat die Freie und Hansestadt Hamburg gegenüber der Bundesregierung als Standort ins Spiel gebracht? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2013 ausgeführt, dass sie „das digitale Spiel für nachfolgende Generationen erhalten“ mochte und es daher galt „geeignete Archivierungsmöglichkeiten zu prüfen.“ Anfang April wurde bekannt gegeben, dass die „Internationale Computerspielesammlung (ICS)“, ein gemeinsames Projekt der Stiftung Digitale Spielekultur, des Computerspielemuseums, der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle, des DIGAREC – Zentrum für Computerspielforschung der Universität Potsdam sowie des game – Verbands der deutschen Games-Branche, eine Datenbank mit rund 40 000 Datensätzen über Computer- Spiele-Titel online verfügbar gemacht hat. Inwieweit hieraus ein zusätzliches physisches Museum für Computerspiele – neben dem schon bestehenden Computerspielemuseum – entwickelt werden soll, ist nicht bekannt.