BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/16863 21. Wahlperiode 18.04.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Franziska Rath (CDU) vom 11.04.19 und Antwort des Senats Betr.: Inwiefern kooperiert der Senat bei der Bekämpfung der Obdachlosigkeit mit den Ländern Polen, Rumänien und Bulgarien? In Drs. 21/13762 stellt der Senat dar, inwiefern er beziehungsweise plata und die Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit bereits mit Vertretern der Hauptherkunftsländer der in Hamburg lebenden Obdachlosen kooperieren. plata sei beispielsweise aus einem Modellprojekt mit der polnischen Hilfsorganisation Barka entstanden. Diese hatte im Jahr 2018 23 polnischen Obdachlosen aus Berlin geholfen, in Polen wieder Fuß zu fassen. Allerdings hat der polnische Staat die Finanzierung 2019 eingestellt, wie der MDR berichtete. Das städtische Unternehmen f & w fördern und wohnen AöR (f & w) hat im am 1. April 2019 beendeten Winternotprogramm 2018/2019 erneut zahlreiche Rückfahrtickets in die Heimatländer im Rahmen seiner Beratung ausgeteilt. Allerdings kooperiert f & w nach eigenen Angaben nicht selber mit den Heimatländern , sondern verweist hier auf die Hilfsorganisation plata. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Vor dem Hintergrund der Zuwanderungsdynamik der vergangenen Jahre hat Hamburg frühzeitig auch im Bereich der Wohnungslosenhilfe entsprechende Beratungsund Hilfeangebote entwickelt. Ausgehend von der Erweiterung von Sprachkompetenzen in Angeboten der Wohnungslosenhilfe sind dabei auch spezielle Beratungseinrichtungen entstanden, die eine besondere Expertise in der Ansprache, Beratung und Unterstützung von EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern in sozialen Notlagen in Hamburg aufweisen (siehe auch Drs. 21/16801, 21/16285 und Drs. 21/16412). Mit der Verstetigung der vollständig zuwendungsgeförderten Einrichtung „plata - Anlaufstelle für wohnungslose EU-Bürger“ des Trägers hoffnungsorte hamburg sind die Sprach- und Beratungskompetenzen auch an dieser Stelle dauerhaft gesichert worden. Hierauf greifen neben den Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe auch die Standorte des Winternotprogramms von f & w fördern und wohnen AöR (f & w) zurück. Um eingehend über Rechte, Pflichten und Perspektiven beraten und Anschlusshilfen einschließlich einer Rückreise in das jeweilige Heimatland vermitteln zu können, greift wiederum die Einrichtung plata auf ein Netzwerk von Partnerorganisationen, staatlichen Stellen und weiteren beteiligten Akteuren im Kontext der Wohnungslosenhilfe zurück. Dazu gehören auch Kontakte zu den Botschaften, Konsulaten und Generalvertretungen . Diese Vernetzungen reichen bis in die Herkunftsländer. Die Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit unterhält eine Reihe von Kooperationen mit staatlichen und nicht staatlichen Stellen in den Hauptherkunftsländern der bei ihr Ratsuchenden. Diese Kooperationen tragen unter anderem dazu bei, in diesen Ländern über ausbeuterische Strukturen auf dem Hamburger Arbeitsmarkt aufzuklären und unterstützen damit die Arbeit der Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit. Die mit den jeweiligen Kontakten und Kooperationen einhergehende Vernetzung mit relevan- Drucksache 21/16863 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 ten Akteuren in den Heimatländern sowie die Kenntnis konkreter Ansprechpartnerinnen und -partner ist für die Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit und für mit ihr kooperierende Einrichtungen in Hamburg und darüber hinaus auch dann von hohem Nutzen, wenn sich aus diesen Kontakten nicht unmittelbar konkrete neue Maßnahmen ergeben. Hamburg engagiert sich darüber hinaus auch auf Bundesebene in Gesprächen mit dem Deutschen Städtetag und steht in einem Austausch mit den zuständigen Bundesministerien , um bestehende Kontakte in die Herkunftsländer zu optimieren und neue zu etablieren. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf Grundlage von Angaben der Träger „hoffnungsorte hamburg“ sowie Arbeit und Leben e.V. wie folgt: 1. Wieso verfügt f & w als Träger des Winternotprogramms und zahlreicher Obdachlosenhilfsprogramme nicht über eigene Kontakte in die drei Hauptherkunftsländer der in Hamburg lebenden Obdachlosen? Sind entsprechende Kontakte geplant? Wenn nein, warum nicht? f & w verfügt über Arbeitsbeziehungen zu Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe, die sich der gezielten Ansprache, Beratung und Unterstützung von EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern einschließlich der Vernetzung mit Herkunftsländern widmen, allen voran die Einrichtung plata. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Inwiefern arbeitet plata mit Barka beziehungsweise welchen anderen osteuropäischen Hilfsorganisationen oder staatlichen Stellen der Länder Polen, Bulgarien und Rumänien zusammen? Die Einrichtung plata verfügt über Kontakte und Partnerschaften zu Einrichtungen, Trägern und Projekten in den genannten Herkunftsländern, insbesondere: Polen (Barka, Monar, Brata Alberta, Otwarte drzwi, Caritas, Diakonie Polen, kommunale Sozialämter); Bulgarien (Kontakte zu Frauenhäusern, Altenheimen und Therapieeinrichtungen in Varna und Ruse sowie zu Sozialeinrichtungen der Bulgarischen Orthodoxen Kirche ); Rumänien (Casa Ioana, Amurt, Aliat, samusocial, Sozialministerium in Bukarest, Zentrale Notunterkunft in Bukarest). Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. In Drs. 21/13762 betont der Senat, er verfüge über regelmäßige Arbeitskontakte mit dem Generalkonsulat der Republik Polen. a) Welche Maßnahmen konnten bisher durch diese regelmäßigen Gespräche in Umsetzung gebracht werden? b) Warum gibt es keine entsprechenden Kontakte für die Länder Rumänien und Bulgarien? Die Arbeitskontakte dienen der Wegbereitung für die tägliche Arbeit der Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe, soweit sie sich auch auf Leistungen der Botschaften, Konsulaten und Generalvertretungen beziehen (zum Beispiel Ausstellung von Ersatzpapieren ). Zu vergleichbaren Arbeitsbeziehungen mit anderen Landesvertretungen ist es bisher aus vorwiegend organisatorischen Gründen nicht gekommen. Sowohl der Träger der Einrichtung plata, hoffnungsorte hamburg, als auch Vertreterinnen und Vertreter der zuständigen Behörde unterhalten jedoch Kontakte auch zu diesen Vertretungen, unter anderem im Rahmen der Teilnahme an Veranstaltungen der Vertretungen. 4. Seit dem Jahr 2016 soll es laut Drs. 21/13762 auch eine Kooperation mit der polnischen Arbeitsinspektion über die Servicestelle Arbeitnehmer- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/16863 3 freizügigkeit geben. Wie oft gab es bisher wann jeweils Treffen zum Informationsaustausch und welche Maßnahmen sind daraufhin ergriffen worden? Treffen mit der polnischen Arbeitsinspektionsbehörde fanden am 02.06.2016 in Hamburg und am 06.10.2016 in Wroclaw statt und dienten dem Austausch über Fragen des Arbeitsschutzes und der rechtlichen Einordnung von Arbeitsverhältnissen (Entsendung , Vermittlung, Arbeitnehmerüberlassung, selbständige Tätigkeit) sowie dem Aufbau eines Kontaktnetzwerkes. Neben Arbeit und Leben Hamburg war das Amt für Arbeitsschutz der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz an den Treffen beteiligt, auf polnischer Seite neben dem Arbeitsamt der Woiwodschaft Niederschlesien die Gewerkschaft Solidarność sowie der Gesamtpolnische Gewerkschaftsverband (OPZZ). Bei diesen Terminen wurden den beteiligten polnischen Einrichtungen Informationsmaterialien für die präventive Aufklärung polnischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Verfügung gestellt, umgekehrt flossen Ergebnisse dieser Treffen in die Informationsmaterialien der Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit und des Amtes für Arbeitsschutz ein. Die unter anderem im Rahmen dieses Fachaustausches mit der polnischen Arbeitsinspektionsbehörde gewonnenen Informationen werden in den regelmäßigen Seminarveranstaltungen der Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit für polnische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genutzt. Pro Jahr werden – zum Teil mit Unterstützung des polnischen Generalkonsulates – zwei bis drei Seminare zu arbeitsrechtlichen Themen oder zu Fragen selbständiger Tätigkeit durchführt. Weitere Treffen zum Fachaustausch mit Vertreterinnen und Vertretern der polnischen Arbeitsinspektionsbehörde ebenso wie mit denen anderer EU-Mitgliedsländer finden im Rahmen des europäischen Projektes „Eurodetachement“ zu regelmäßigen Anlässen statt: 2016 in Den Haag und Lissabon, 2017 in Dublin, 2018 in Brüssel sowie 2019 in Brüssel, Riga und Bukarest. Im Übrigen siehe Drs. 21/13762. 5. Auch habe die Servicestelle dem polnischen Ministerium für Arbeit, Soziales und Familie seine Unterstützung bei präventiven Maßnahmen in Polen angeboten. In Drs. 21/13762 hieß es noch, die konkrete Ausgestaltung befände sich noch in Planung. Seit wann sind die Planungen mit welchem Ergebnis und welchen Maßnahmen abgeschlossen? Sollten die Planungen noch nicht abgeschlossen sein, warum nicht? Anlass für die Kontaktaufnahme zum Polnischen Ministerium für Arbeit und Soziales war eine deutliche Zunahme von Anfragen polnischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer seit Sommer 2018, die bereits von Polen aus an die Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit gerichtet wurden. Die Servicestelle regte deshalb gegenüber dem Ministerium die Intensivierung des Austausches über präventive Maßnahmen an, um polnische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bereits vor ihrer Ausreise umfassend über Rechte und Pflichten zu informieren. Auf Hamburger Ebene wurde das polnische Generalkonsulat mit der weiteren Umsetzung dieser Angelegenheit befasst. Im Jahr 2018 fanden zwei Treffen mit Vertretern des Generalkonsulats und weiteren Hamburger Beratungsstellen statt. Pro Quartal ist ein Treffen geplant, um konkrete Schritte einzuleiten, das nächste soll im Mai 2019 stattfinden. Dabei sollen zukünftig auch die Deutsche Rentenversicherung und Krankenversicherungsträger einbezogen werden. 6. Des Weiteren kooperiere die Servicestelle mit den bulgarischen Gewerkschaften CITUB und Podkrepa. Welche Maßnahmen sind aus dieser Kooperation entstanden? 7. Auch habe es Gespräche mit bulgarischen Behörden und Sozialpartnern gegeben. Welche Maßnahmen sind aus diesen Gesprächen außer der erwähnten offenbar einmaligen Infoaktion am Hauptbahnhof in Sofia entstanden? Die Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit war in den Jahren 2013 und 2014 Partner der bulgarischen Gewerkschaft Podkrepa bei den Projekten „BEGIN – Bulgarian- Drucksache 21/16863 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 German Information Network for Labour Mobility and Social Security Rights“ und „OSEM – United Social Security European Network“. Die Ergebnisse aus einer vergleichenden Analyse des Rechtsrahmens und der Systeme für die soziale Sicherung in beiden Ländern wurden von Podkrepa in einer Broschüre zusammengefasst. Weitere Informationen wurden auf der Gewerkschaftswebsite und auf einer eigens eingerichteten Facebook-Seite verbreitet. Juristen der Gewerkschaft Podkrepa, wurden mit der deutschen Rechtslage bekannt gemacht. Anschließend wurden durch diese in sieben bulgarischen Städten Informationskampagnen durchgeführt. Im Rahmen des Projektes OSEM wurden außerdem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vor Ort beraten. Die entwickelten Materialien werden dort weiterhin genutzt. Darüber hinaus fand im Mai 2014 eine von Arbeit und Leben Hamburg organisierte Expertenreise nach Varna statt, in deren Verlauf es zu mehreren Treffen mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedener städtischer, staatlicher und sozialer Einrichtungen kam. Wesentliches Ziel dieser Treffen war die Vermittlung von Informationen über arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen, Rechte und Pflichten und über soziale Standards auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Außerdem wurden die Themen Arbeitsausbeutung und Menschenhandel in diesem Kontext besprochen. Ein Ergebnis war zudem die Erstellung und Verbreitung eines Flyers mit Informationen zu Arbeitsbedingungen in Deutschland. Die Gespräche mit bulgarischen Behörden und Sozialpartnern erfolgten im Mai 2018 im Rahmen einer Traineeship-Aktion des Projektes „Fair Posting“, an der auch eine Mitarbeiterin der Servicestelle beteiligt war. Partner auf bulgarischer Seite war die Gewerkschaft CITUB. Neben der Infoaktion am Hauptbahnhof Sofia fanden mehrere Treffen mit staatlichen Einrichtungen, Gewerkschaften und Arbeitsagenturen zu Themen wie Anwerbung mit falschen Versprechungen, Arbeitnehmerentsendung und Änderungen in Tarifverträgen statt. Im Übrigen siehe Drs. 21/13762. 8. Welche Maßnahmen sind aus dem Kontakt der Servicestelle mit der rumänischen und polnischen Arbeitsinspektion infolge der Zusammenarbeit an einem europäischen Projekt entstanden? Das europäische Projekt „Eurodetachement“ besteht seit 2011 und wird vom Institut National du Travail, de l’Emploi et de la Formation Professionnelle (INTEFP) in Lyon koordiniert. Die Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit ist in dem Projekt seit 2015 als assoziierter Partner vertreten. Neben der Förderung des gegenseitigen Verständnisses der jeweiligen Verwaltungsstrukturen , der rechtlichen Kompetenzen, der Vorgehensweisen und Instrumente dienen die Treffen des Netzwerkes der Erörterung von Herausforderungen im Zusammenhang mit der Entsendung von Arbeitnehmern, insbesondere der Rolle von Vermittlungsagenturen und Arbeitnehmerüberlassungsfirmen. Die Aktivitäten zielen auch auf die Durchführung gemeinsamer länderübergreifender Inspektionen und eine effektivere Nutzung des europäischen Binnenmarktinformationssystems IMI. Die rumänische Arbeitsinspektionsbehörde hat im April 2016 ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit bekundet und dies insbesondere mit dem Wunsch verbunden, Unterstützung bei den Bemühungen um eine engere transnationale Zusammenarbeit mit den deutschen Zollbehörden zu erhalten und die Information und Unterstützung entsandter Arbeitnehmer/-innen zu intensivieren. Ein Ergebnis dieser Zusammenarbeit war die Erstellung eines Papiers mit Vorschlägen zur Verbesserung der länderübergreifenden Zusammenarbeit. Seitdem erfolgen fortlaufende Bemühungen, die deutschen Zollbehörden in den Fachaustausch einzubeziehen. Im Übrigen siehe Drs. 21/13762 und Antwort zu 4. 9. In Drs. 21/13762 ist von regelmäßigen Treffen zwischen der Servicestelle mit den Sozial- und Arbeitsattachés der Botschaften Rumäniens und Bulgariens die Rede. Welche Maßnahmen konnten aufgrund dieses regelmäßigen Austausches ergriffen werden? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/16863 5 Die Servicestelle organisiert unter Beteiligung der Sozial- und Arbeitsattachés der Botschaften Rumäniens und Bulgariens und unter Einbeziehung weiterer Beratungsstellen ein bis zwei regelmäßige Infotage pro Jahr zu arbeits- und sozialrechtlichen Fragen in Hamburg.