BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/16913 21. Wahlperiode 26.04.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Deniz Celik (DIE LINKE) vom 18.04.19 und Antwort des Senats Betr.: Podologen/-innen haben eine besondere medizinische Relevanz für die medizinische Versorgungssituation in Hamburg wegen der besonderen Bedeutung bei der Behandlung des diabetischen Fußsyndroms. Sieht das der Senat auch so? Bislang wurden Physiotherapeuten/-innen, Ergotherapeuten/-innen und Logopäden/-innen auf Druck der ausbildenden Schulen und der Oppositionsfraktionen wie DIE LINKE hin von einem Landeförderprogramm von einer Schulgeldfreiheit eingeschlossen. Der Senat begründet die Nicht-Übernahme einer Schulgeldbefreiung aus Landesmitteln der Podologie- (und auch medizinischen Bademeister/-innen/Masseur/-innen-)Ausbildung damit, dass ihnen keine besondere oder überhaupt Relevanz für die medizinische Versorgungssituation zukäme. In der Pressemitteilung des Hamburger Senats vom 09.04.2019 lautet es zum Beispiel: „Dabei konzentriert sich die Regelung auf die Gesundheitsfachberufe, die für das Gesundheitswesen in Hamburg relevant sind und deren Finanzierung nicht schon anderweitig geregelt ist.“ Das sagt, dass andere therapeutische Gesundheitsfachberufe nicht relevant genug für eine Landesförderung sind. Auch bei Podologen/-innen gibt es einen Fachkräftemangel. Laut einer Schriftlichen Kleinen Anfrage meiner Fraktion an den Bundestag ist gemäß der Bundesagentur für Arbeit (BA) zuletzt im Juni 2018 die berufsspezifische Arbeitslosenquote von 0,9 Prozent (Physiotherapie, Podologie) jeweils sehr gering, was auf einen Fachkräftemangel hindeutet (Drs. 19/3749). Die aktuellen Anmeldezahlen der therapeutischen Gesundheitsfachberufe in Schulen im Vergleich zeigen zudem, dass diese von 2016 bis 2017 rückläufig sind bei den Podologen/-innen, siehe Drs. 21/15113. Zudem zeigen die jährlichen Absolventen-/-innenzahlen in den therapeutischen Gesundheitsfachberufen bei den Podologen/-innen einen Rückgang (Drs. 21/15113). In einem auf den 12.03.2019 datierten offenen Brief an die Senatorin für Gesundheit und Verbraucherschutz in Hamburg fordern Schüler/-innen der maxQ. Fachschule für Podologie in Hamburg die Gesundheitssenatorin auf, sich ein adäquates Bild über den Beruf der Podologin/des Podologen zu verschaffen , da dieser entgegen der Aussagen der Senatorin eine relevante Berufsgruppe des Gesundheitswesens sei. Zudem käme eine übergroße Zahl von Patienten/-innen aufgrund einer Heilmittelverordnung in die Praxen, weshalb hier nicht von überwiegend kosmetischen Einsätzen, sondern medizinischer Relevanz gesprochen wird und die Podologie-Ausbildung ebenfalls schulgeldfrei werden sollte. Zudem gäbe es in Hamburg 150 000 an Diabetes Erkrankte, die im Zuge ihrer Folgekrankheiten eine podologische Behandlung benötigen. Erfolgt das nicht, kann es zu Amputationen des betroffenen Fußes kommen, die infolge eines diabetischen Fußsyndroms, von Polyneuropathie oder Durchblutungsstörungen notwendig werden können. „Von den 60.000 Drucksache 21/16913 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Amputationen jährlich sind ca. 40.000 die Folge von Diabetes. Damit liegt Deutschland bei der Amputationsrate international im oberen Bereich. Experten gehen davon aus, dass ca. 80 % davon vermeidbar wären. Voraussetzung dafür wäre eine optimale Blutzuckereinstellung, die frühzeitige Behandlung des diabetischen Fußsyndroms und eine bessere Vernetzung der verschiedenen ärztlichen und nichtärztlichen Spezialisten im ambulanten und stationären Sektor.(…) Die medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft zertifiziert seit fast zehn Jahren Kliniken und Praxen für die Behandlung des diabetischen Fußsyndroms. Seitdem gibt es dort eine konstant niedrige Rate von unter vier Prozent der hohen (oberhalb des Sprunggelenkes) Amputationen . Diese Ergebnisse haben auch dazu geführt, dass das Versorgungsmodell der DDG exemplarisch in die nationale Versorgungsleitlinie aufgenommen wurde.“ (Pressemitteilung der Deutschen Diabetes Gesellschaft e.V. vom 28.09.2012.)1 „Durch die sogenannte Zuckerkrankheit werden unter anderem Nerven an den Füßen geschädigt. Da die Betroffenen keine Schmerzen haben, erkennen sie Verletzungen oft zu spät und es kann zu einer Infektion oder Blutvergiftung kommen. Im schlimmsten Fall müssen betroffene Gliedmaße abgenommen werden“, lautet es in der „Deutschen Apotheker Zeitung“ vom 15.06.2018, die Erkenntnisse der Deutschen Diabetes Gesellschaft e.V. aufgriff.2 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche Bedeutung hat der Beitrag der Podologen/-innen zur Vermeidung von Amputationen im Zuge des diabetischen Fußsyndroms nach Einschätzung des Senats? Im Vordergrund der Versorgung von Menschen mit Diabetes steht die laufende medizinische Versorgung vorrangig durch die Diabetes-Schwerpunktpraxen in Hamburg. Bestandteil der umfassenden Versorgung ist auch die medizinische Fußpflege. Maßnahmen der podologischen Therapie sind laut Heilmittel-Richtlinie ein verordnungsfähiges Heilmittel, wenn sie zur Behandlung krankhafter Schädigungen am Fuß infolge Diabetes mellitus (diabetisches Fußsyndrom) dienen. Hierzu zählen Schädigungen der Haut und der Zehennägel bei nachweisbaren Gefühls- und/oder Durchblutungsstörungen der Füße (Makro-, Mikroangiopathie, Neuropathie, Angioneuropathie). Die podologische Therapie kommt nur in Betracht bei Patientinnen und Patienten mit einem diabetischen Fußsyndrom, die ohne diese Behandlung unumkehrbare Folgeschädigungen der Füße, wie Entzündungen und Wundheilungsstörungen erleiden würden. Ziel der podologischen Therapie ist die Wiederherstellung, Verbesserung und Erhaltung der physiologischen Funktion von Haut und Zehennägeln an den Füßen bei diabetischem Fußsyndrom. 2. Im offenen Brief der Podologie-Schüler/-innen lautet es, dass eine „übergroße Zahl unserer Patienten aufgrund einer Heilmittelverordnung in die Praxen“ kommt. Podologiepraxen mit Kassenzulassung müssen laut Zulassungsempfehlung für Heilmittelerbringende 30 Stunden pro Woche für GKV-Versicherte geöffnet haben. Hat der Senat Kenntnisse über die Entwicklung der Anzahl von Heilmittelverordnungen bei Podologie -Patienten/-innen in den letzten fünf Jahren? Wenn ja, bitte nach Jahren aufschlüsseln. Wenn nein, warum nicht? Dem Senat liegen dazu keine Erkenntnisse vor. Diese Gesundheitsdaten werden dezentral bei den jeweiligen Krankenkassen der Podologie-Patientinnen und Patienten gespeichert und stehen für eine zentrale Auswertung nicht zur Verfügung. 1 https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/presse/ddg-pressemeldungen/meldungendetailansicht /article/die-meisten-amputationen-in-deutschland-sind-folge-von-diabetes-undliessen -sich-verhindern.html. 2 https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2018/06/15/experten-amputationenbei -diabetes-liessen-drastisch-reduzieren. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/16913 3 3. Wie viele Diabetiker/-innen mit diabetischem Fußsyndrom gibt es seit 2015 in Hamburg? Bitte nach Jahren aufschlüsseln. Siehe Diabetesbericht (https://www.hamburg.de/contentblob/12186100/ 3328c8a0b570a44eeaeb647bdaaec0aa/data/download-diabetesbericht.pdf). Weitere Daten liegen der zuständigen Behörde hierzu nicht vor. 4. Wie viele „Amputationen der unteren Extremität“ gemäß dem Operationen - und Procedurenschlüssel (OPS) gab es in Verbindung mit einer Diabetes-Mellitus-Diagnose seit 2015? Bitte nach Jahren aufschlüsseln.3 Diese Zahlen werden nicht zentral erhoben. Sie können in der zuständigen Behörde nur durch eine zeitaufwändige Einzelabfrage ermittelt werden, die im Rahmen der für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist. 5. Wie viele Blutvergiftungen im Zuge von aszendierenden Sepsisquellen gab es im Zuge der Folge des diabetischen Fußsyndroms in Hamburg (seit 2015)? Bitte jährlich und nach Anzahl der Blutvergiftungen aufgliedern . Dem Senat liegen dazu keine Erkenntnisse vor. Diese Gesundheitsdaten werden dezentral bei den jeweiligen Krankenkassen der Podologie-Patientinnen und Patienten gespeichert und stehen für eine zentrale Auswertung nicht zur Verfügung. 6. Auch bei Podologen/-innen gibt es einen Fachkräftemangel. Welche Maßnahmen unternimmt der Senat auf Landesebene, um dem Fachkräftemangel in der Podologie in Hamburg entgegenzuwirken? Der Koalitionsvertrag auf Bundesebene sieht vor, im Rahmen eines Gesamtkonzepts für die Gesundheitsfachberufe das Schulgeld für alle Ausbildungen abzuschaffen. Ein solches Gesamtkonzept für die Gesundheitsfachberufe wird der Bund unter Mitwirkung der Länder voraussichtlich bis Ende 2019 erarbeiten. 7. Sind dem Senat zertifizierte Kliniken und Praxen zu Behandlung des diabetischen Fußsyndroms für Hamburg bekannt und wenn ja, welche Kliniken und Praxen? Auf der Internetseite der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) finden sich die zertifizierten Arztpraxen für die Behandlung des Diabetischen Fußsyndroms (Diabetes- Schwerpunktpraxen) und Kliniken in Hamburg. Siehe dazu https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/nc/zertifiziertearztpraxenkliniken /deutschlandkarte.html. 8. Was tut der Senat, um die Versorgungssituation von Menschen mit diabetischem Fußsyndrom zu verbessern und Amputationen zu vermeiden? In Hamburg existieren zahlreiche Angebote im Bereich der Aufklärung, Früherkennung und Beratung von Diabetes (siehe dazu https://www.hamburg.de/diabetes). Im März 2019 hat der Senat den Gesundheitsbericht zu Risikofaktoren und Prävention von Diabetes in Hamburg herausgegeben (https://www.hamburg.de/contentblob/ 12186100/3328c8a0b570a44eeaeb647bdaaec0aa/data/downloaddiabetesbericht .pdf). Damit sollen das Bewusstsein der Menschen über ernährungsund verhaltensbedingte Gesundheitsrisiken weiter verbessert und Lebensbedingungen geschaffen werden, die ein gesundheitsförderndes Verhalten erleichtern. Das Hamburger Gesundheitssystem ist hier in vielen Bereichen bereits gut aufgestellt. Außerdem bietet Hamburg durch seine zertifizierten Kliniken und Praxen im Bereich des diabetischen Fußsyndroms eine sehr gute Versorgungssituation für die Betroffenen . 3 https://www.zhb.uni-luebeck.de/epubs/ediss1285.pdf.