BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/16937 21. Wahlperiode 30.04.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 23.04.19 und Antwort des Senats Betr.: Wenn Schuldner untertauchen und Melderegisterauskünfte nicht mehr helfen – Welche Informationen erteilt die Meldebehörde tatsächlich? In Deutschland gilt die allgemeine Meldepflicht, die seit dem am 1. November 2015 in Kraft getretenen Bundesmeldegesetz (BMG) bundeseinheitlich geregelt ist. Wer eine Wohnung bezieht, ist gemäß § 17 BMG verpflichtet, sich innerhalb von zwei Wochen nach dem Einzug unter Vorlage einer Wohnungsgeberbestätigung bei der zuständigen Meldebehörde anzumelden. Neben der öffentlichen Verwaltung, die die Meldedaten für Verwaltungsvorgänge und als Planungsgrundlage benötigt, sind beispielsweise auch Gläubiger regelmäßig auf Auskünfte aus dem Melderegister angewiesen. Zieht ein Schuldner etwa nach Erlass eines Urteils um, ohne seine Anschrift mitzuteilen , ist ein Gläubiger auf die Auskunft aus dem Melderegister angewiesen, damit er seinen titulierten Anspruch überhaupt durchsetzen kann. Auch dann besteht jedoch noch die Gefahr, dass sich ein Schuldner nicht ummeldet und untertaucht, um sich seiner Verpflichtung zu entziehen; ein Verstoß gegen Meldevorschriften stellt nämlich lediglich eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 54 BMG dar, die im Falle der Verletzung der Pflicht zum Anmelden mit einer Geldbuße von bis zu 1 000 Euro geahndet werden kann. §§ 44 fortfolgende BMG regeln Anspruch und Voraussetzungen auf Melderegisterauskünfte . Neuerdings sind Negativ-Antworten, die Auskunftssuchende von Hamburger Meldebehörden erhalten, so unkonkret, dass sie praktisch unbrauchbar sind. So bekommen Rechtsanwälte, die die Zwangsvollstreckung für ihre Mandantschaft einleiten, beispielsweise folgende standardisierte Antwort: „Eine Auskunft kann aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht oder derzeit nicht erteilt werden.“ „Diese Antwort wird erteilt, wenn mit den von der anfragenden Person oder Stelle gemachten Angaben im Melderegister keine Person oder mehrere Personen gefunden werden. Die Antwort wird auch erteilt, wenn eine Auskunftssperre nach § 51 Bundesmeldegesetz (BMG) oder ein bedingter Sperrvermerk nach § 52 BMG vorliegt oder sonstige schutzwürdige Interessen gemäß § 8 BMG der Erteilung einer Auskunft entgegenstehen.“ Dieser Textbaustein ist derart allgemein, dass er dem Rechtssuchenden nicht weiterhilft. Früher erteilte die Meldebehörde die Auskunft: „Familienname, Vorname, ist gemeldet in…, verzogen nach…“ oder: „Person ist mit den angegebenen Drucksache 21/16937 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Daten nicht aufzufinden“ oder „es besteht eine Auskunftssperre. Bitte wenden Sie sich an das Bezirksamt …“. Auch die Staatsanwaltschaft benötigt immer wieder Auskünfte aus dem Melderegister , um die Strafverfolgung effektiv betreiben zu können. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Ein Verstoß gegen Meldevorschriften stellt (lediglich) eine Ordnungswidrigkeit dar, § 54 BMG. a. Gemäß § 54 Absatz 2 Nummer 1 BMG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 17 Absatz 1 sich nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig anmeldet. Wie viele Ordnungswidrigkeitenverfahren wurden jährlich seit dem Jahr 2016 bis zum 1. Quartal 2019 eingeleitet? Ordnungswidrigkeitenverfahren nach § 54 Absatz 2 Nummer 1 Bundesmeldegesetz (BMG) für den erfragten Zeitraum sind der nachstehenden Tabelle zu entnehmen. Nicht enthalten sind die Angaben der Kundenzentren Walddörfer und Bramfeld, die in der für die Beantwortung dieser Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht ermittelt werden konnten. 2016 633 2017 1 049 2018 1 277 1. Quartal 2019 303 b. Welche Geldbußen wurden im Rahmen von Ordnungswidrigkeitenverfahren gemäß § 54 Absatz 2 Nummer 1 BMG durchschnittlich und maximal seit dem Jahr 2015 jährlich festgesetzt? Geldbußen im Rahmen von Ordnungswidrigkeitenverfahren nach § 54 Absatz 2 Nummer 1 BMG für den erfragten Zeitraum sind der nachstehenden Tabelle zu entnehmen . Nicht enthalten sind die Angaben der Kundenzentren Walddörfer und Bramfeld , die in der für die Beantwortung dieser Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht ermittelt werden konnten. Jahr Durchschnittlich* Maximal* 2015 65 € 300 € 2016 99 € 500 € 2017 111 € 529 € 2018 120 € 500 € 1. Quartal 2019 113 € 430 € * Auf volle Euro-Beträge gerundet c. In welcher Höhe wurden die unter 1. b. insgesamt p.a. festgesetzten Geldbußen seit dem Jahr 2016 jährlich beglichen? Für die Beantwortung im Sinne der Fragestellung müssten mehrere Tausend Ordnungswidrigkeitsverfahren händisch ausgewertet werden. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Ungeachtet dessen werden alle infrage kommenden Maßnahmen ausgeschöpft , um ausstehende Bußgelder für die Freie und Hansestadt Hamburg zu vereinnahmen . d. Auf welche Weise beziehungsweise in welchen Fällen wird von der Meldebehörde festgestellt, dass Personen ihrer Pflicht aus § 17 BMG nicht beziehungsweise nicht rechtzeitig nachgekommen sind? Die zuständige Meldebehörde erhält insbesondere über unzustellbare amtliche Schriftstücke oder aufgrund von Hinweisen anderer Behörden Kenntnis davon, dass eine Person möglicherweise nicht ihrer Pflicht aus § 17 BMG nachgekommen ist. In diesen Fällen wird der Sachverhalt gemäß § 6 Absatz 3 BMG ermittelt und der oder Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/16937 3 die Meldepflichtige wird zur An-/Ummeldung aufgefordert beziehungsweise wird gegebenenfalls die Abmeldung von Amts wegen veranlasst. 2. Liegen den zuständigen Behörden Informationen darüber vor, wie viele Personen sich in Hamburg aufhalten, die nicht ordnungsgemäß an ihrer aktuellen Anschrift gemeldet sind? Falls ja, welche? Der zuständigen Meldebehörde liegen keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor. 3. Wie viele Anträge auf einfache Melderegisterauskünfte gemäß § 44 BMG wurden in Hamburg seit 2016 jährlich gestellt? Eine statistische Erfassung liegt für online gestellte Anträge auf Melderegisterauskunft gemäß § 44 BMG ab 2017 vor. Diese sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen: 2017 169 089 2018 158 275 1. Quartal 2019 44 279 Darüber hinaus liegt für manuell gestellte Anträge keine statistische Erfassung im Sinne der Fragestellung vor. 4. Wie viele Anträge auf erweiterte Melderegisterauskünfte gemäß § 45 BMG wurden in Hamburg seit 2016 jährlich gestellt? Eine statistische Erfassung im Sinne der Fragestellung liegt nicht vor. 5. Welche Maßnahmen werden seitens der Meldebehörde ergriffen, wenn sich im Rahmen der Bearbeitung einer Melderegisterauskunft herausstellt , dass die Person unbekannt verzogen ist? Siehe Antwort zu 1.d. 6. Wie viele Auskunftsersuchen zu Angaben aus dem Melderegister wurden von der Staatsanwaltschaft seit dem Jahr 2016 jährlich gestellt? Eine Beantwortung ist nicht möglich, da Abfragen von Melderegisterauskünften durch die Staatsanwaltschaft weder gesondert statistisch erfasst noch im Vorgangsverwaltungs - und -bearbeitungssystem MESTA dokumentiert werden. 7. „Eine Auskunft kann aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht oder derzeit nicht erteilt werden. Diese Antwort wird erteilt, wenn mit den von der anfragenden Person oder Stelle gemachten Angaben im Melderegister keine Person oder mehrere Personen gefunden werden. Die Antwort wird auch erteilt, wenn eine Auskunftssperre nach § 51 Bundesmeldegesetz (BMG) oder ein bedingter Sperrvermerk nach § 52 BMG vorliegt oder sonstige schutzwürdige Interessen gemäß § 8 BMG der Erteilung einer Auskunft entgegenstehen. (…)“, lautet die Mitteilung des Bezirksamtes auf ein Auskunftsersuchen gemäß § 44 Absatz 1 BMG. a. Gibt es Standardantworten der Bezirksämter auf Anfragen gemäß § 44 Absatz 1 BMG? Falls ja, welche? Falls ja, wann wurden diese aus welchen konkreten Gründen letztmalig geändert? b. Weshalb wird nicht angegeben, ob die Auskunft aus „tatsächlichen“ oder aus „rechtlichen“ Gründen nicht erteilt werden kann und welche Gründe es sind? c. Was bedeutet, dass die Auskunft „nicht oder derzeit nicht erteilt werden kann“? Drucksache 21/16937 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Maßgeblich hierfür sind die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des BMG (BMGVwV), erlassen vom Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat am 28. Oktober 2015. Danach stehen der Meldebehörde folgende Möglichkeiten zur Verfügung: Die Auskunft wird erteilt. Die Auskunft wird abgelehnt. Eine neutrale Antwort wird erteilt. Die neutrale Antwort ist durch die BMGVwV vorgegeben und lautet: Eine Auskunft kann aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht oder derzeit nicht erteilt werden . d. Welche Möglichkeiten hat ein Gläubiger, der die aktuelle Anschrift des Schuldners zur Einleitung/Fortsetzung der Zwangsvollstreckung dringend benötigt, im Falle i. einer Auskunftssperre nach § 51 BMG? ii. eines bedingten Sperrvermerks nach § 52 BMG? iii. sonstiger schutzwürdiger Interessen gemäß § 8 BMG? Bei einer Anfrage auf Erteilung einer Melderegisterauskunft, der eine Auskunftssperre oder bedingter Sperrvermerk zugrunde liegt, erfolgt für die Meldebehörde ein verpflichtendes Anhörungsverfahren nach § 51 Absatz 2 und 3 und § 52 Absatz 2 BMG. Wird nach Auffassung der Meldebehörde durch die Auskunft der Schutzzweck der Auskunftssperre beziehungsweise des Sperrvermerks nicht berührt und sind auch sonstige schutzwürdige Interessen der betroffenen Person im Sinne des § 8 BMG gewahrt, kann die Auskunft erteilt werden.