BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/16987 21. Wahlperiode 30.04.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Daniel Oetzel (FDP) vom 24.04.19 und Antwort des Senats Betr.: Missbrauchsbeauftragter in Hamburg überflüssig? Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung wurde geschaffen, um als Ansprechpartner für die Anliegen von Betroffenen und deren Angehörigen, für Expertinnen und Experten aus Praxis und Wissenschaft sowie für alle Menschen in Politik und Gesellschaft, die sich gegen sexuelle Gewalt engagieren, zu fungieren. Einem Artikel der dpa war zu entnehmen, dass Hamburg keine Notwendigkeit für ein solches Amt sähe. So sagte der Sprecher der Sozialbehörde der Deutschen Presse-Agentur. „Hamburg hat ein seit Mitte der Neunzigerjahre gut ausgebautes Netz von Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt.“1 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Kinder- und Opferschutz, präventive Maßnahmen, die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen sowie die Weiterentwicklung des Hilfesystems haben für den Senat hohe Priorität. Vielfältige Angebote werden zum Schutz und zur Unterstützung der Betroffenen vorgehalten. Die zuständigen Fachbehörden sorgen für gute Rahmenbedingungen , indem sie unter anderem Informationen zum Kinder- und Opferschutz systematisch für Betroffene, Angehörige und Fachkräfte aufbereiten (siehe hierzu https://www.hamburg.de/opferschutz/), Schutzeinrichtungen und Fachberatungsstellen fördern sowie die Qualifizierung und Vernetzung der unterschiedlichen Akteure in diesem Handlungsfeld durch Fachgespräche und öffentlichkeitswirksame Maßnahmen unterstützen. Die zuständigen Fachbehörden stehen zudem mit den Schutzeinrichtungen, den Fachberatungsstellen und den Allgemeinen Sozialen Diensten der Bezirksämter in einem regelmäßigen fachlichen Austausch über (weitere) Handlungsnotwendigkeiten im Kinder- und Opferschutz. Sie bringen sich zudem aktiv in die Weiterentwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen ein (zum Beispiel psychosoziale Prozessbegleitung, Soziales Entschädigungsrecht). Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welche expliziten Aufgaben hat der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung nach Kenntnis des Senats? Zu den Aufgaben des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung sowie zur Arbeit der Unabhängigen Kommission 1 Vergleiche https://www.zeit.de/news/2019-04/21/kaum-interesse-der-laender-an-eigenenmissbrauchsbeauftragten -190421-99-905175. Drucksache 21/16987 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs siehe https://beauftragtermissbrauch .de/der-beauftragte/das-amt sowie https://www.aufarbeitungskommission.de/wp-content/uploads/2019/04/Bilanzbericht- 2019_Band-I.pdf. 2. Welche der unter 1. genannten Aufgaben werden explizit durch welche Fachberatungsstelle durch welche Maßnahmen und in welchem Umfang wahrgenommen (bitte einzeln aufschlüsseln)? 3. Werden originäre Aufgaben des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung durch die Fachberatungsstellen nicht abgedeckt? Wenn ja, warum nicht? Die Fachberatungsstellen sind eines der zentralen Elemente des Hilfesystems im Kinder- und Opferschutz. Die fachliche Sicherung und Weiterentwicklung des Hilfesystems obliegt jedoch den zuständigen Fachbehörden, siehe Vorbemerkung. Die Fachberatungsstellen Allerleirauh e.V., Zornrot e.V., Zündfunke e.V., Dunkelziffer e.V. und basis-praevent bieten Beratung und Hilfe für Kinder und Jugendliche, die sexuelle Gewalt erleben mussten. Auch werden Betroffene bei Bedarf durch eine psychosoziale Begleitung stabilisiert und gegebenenfalls in weitergehende Hilfesysteme vermittelt. Die Fachberatungsstellen bieten zudem Fortbildungs- und Fachberatungsangebote für haupt- und ehrenamtlich Tätige in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen an. Mit dem Notruf für vergewaltigte Frauen und Mädchen e.V. existiert darüber hinaus eine weitere Fachberatungsstelle speziell für Frauen und Mädchen. Die Fachberatungsstelle Opferhilfe e.V. bietet insbesondere männlichen Erwachsenen Beratung und Hilfe, die als Kinder oder Jugendliche Opfer von sexuellem Missbrauch geworden sind (siehe hierzu opferhilfe-hamburg.de). Keine Entsprechung auf Landesebene hat die Aufgabe des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, eine systematische und unabhängige Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs in Deutschland sicherzustellen, siehe auch Antwort zu 1. 4. Strebt der Senat in Hamburg die Einführung eines Landesbeauftragten im Sinne der Empfehlung des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung an? Wenn ja, zu wann? Wenn nein, warum nicht? Die vorhandenen Strukturen im Kinder- und Opferschutz werden als ausreichend und effektiv bewertet. Im Übrigen siehe Vorbemerkung sowie Antwort zu 2. und 3. 5. Wie viele Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch gab es in der Freien und Hansestadt Hamburg seit dem Jahr 2000 nach Kenntnis des Senats (bitte jahresweise aufschlüsseln)? Die Polizei erfasst Straftaten gemäß dem Straftatenkatalog für die Erfassung und Verarbeitung der Daten in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Der sexuelle Missbrauch von Kindern wird in der PKS unter dem Summenschlüssel 894000 erfasst, dieser umfasst die PKS-Schlüsselnummern: 131010 Sexuelle Handlungen § 176 Absatz 5 Strafgesetzbuch (StGB) 131100 Sexuelle Handlungen, § 176 Absatz 1 und 2 StGB 131200 Exhibitionistische/sexuelle Handlungen vor Kindern § 176 Absatz 4 Nummer 1 StGB 131300 Sexuelle Handlungen § 176 Absatz 4 Nummer 2 StGB 131400 Einwirken auf Kinder § 176 Absatz 4 Nummer 3 und 4 StGB 131500 Vollzug des Beischlafs mit einem Kind oder Vornahme einer ähnlichen sexuellen Handlung nach § 176a Absatz 2 Nummer 1 StGB Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/16987 3 131600 Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern zur Herstellung und Verbreitung pornographischer Schriften § 176a Absatz 3 StGB 131700 Sonstiger schwerer sexueller Missbrauch von Kindern § 176a StGB 131800 Sexueller Missbrauch von Kindern mit Todesfolge § 176b StGB Zu den im erfragten Zeitraum erfassten Fallzahlen siehe nachfolgende Tabelle: Jahr 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Anzahl 402 294 298 334 346 315 321 299 263 222 Jahr 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Anzahl 189 179 211 196 216 214 234 221 252 Quelle: PKS In der nachfolgenden Tabelle ist die Anzahl der Verurteilten in Hamburg nach §§ 176, 176a, 176b StGB ausgewiesen: Jahr StGB § 176 Abs. 1, 2 u. 3 § 176 Abs. 4 StGB § 176 Abs. 5 StGB § 176 a StGB § 176 b 2000 42 0 0 12 0 2001 35 0 0 9 0 2002 45 0 0 17 0 2003 27 0 0 15 1 2004 32 0 0 8 0 2005 36 2 0 7 0 2006 53 2 0 18 1 2007 26 4 0 20 0 2008 32 1 0 16 0 2009 14 6 0 10 0 2010 23 2 0 15 0 2011 19 5 0 12 0 2012 17 5 0 13 0 2013 11 9 0 13 0 2014 18 8 0 7 0 2015 18 10 1 10 0 2016 15 5 0 4 0 2017 10 9 0 7 0 2018 14 4 0 8 0 Quelle: PKS 6. Wie viele Fälle von bereits verjährtem Kindesmissbrauch wurden in den Jahren 2000 bis 2018 bekannt? Eine statistische Erfassung der Verjährung erfolgt nicht. Hierzu müssten sämtliche Akten der Staatsanwaltschaft für den erfragten Zeitraum händisch ausgewertet werden . Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.