BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/1701 21. Wahlperiode 02.10.15 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Deniz Celik (DIE LINKE) vom 24.09.15 und Antwort des Senats Betr.: Medizinisches Personal und medizinisch-psychotherapeutische Versorgung in den Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge in Hamburg Die in Hamburg Schutzsuchenden haben bei ihrer Ankunft einen in vielfacher Weise extrem strapaziösen Fluchtweg hinter sich, sind erschöpft und benötigen sofortige medizinische Versorgung, Räume zum Ausruhen und Verpflegung . Hamburger Medien berichteten von Verteilungskämpfen zwischen konkurrierenden Ärzte-/innen-Teams in den Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge. Dem Trainingszentrum für Erste Hilfe & Notfallmedizin (TEN) wird von Medizinern/-innen und einem Apotheker vorgeworfen, dass Struktur, personelle Ausstattung und fachliche Kompetenz des Zentrums nicht ausreichend für die medizinische Versorgung seien. Zudem ginge es den Medizinern /-innen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Behörden zufolge nur darum, mit den Behandlungen der Flüchtlinge Geld zu verdienen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Eingangsuntersuchung nach § 62 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) ist für den betroffenen Personenkreis gesetzlich vorgeschrieben und stellt keine medizinische Versorgung im engeren Sinne dar. Von der zuständigen Behörde werden die Kosten einer medizinischen Behandlung übernommen, die durch die vom Bezirksamt Altona koordinierte hausärztliche Versorgung an den einzelnen Standorten der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung (ZEA) entstehen . Nach der leistungsrechtlichen Erfassung werden die Flüchtlinge grundsätzlich durch die AOK Bremen/Bremerhaven betreut. Für diesen Personenkreis werden die Kosten für Krankenbehandlungen von der AOK Bremen/Bremerhaven mit der Abrechnungsstelle der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) abgerechnet. Den Flüchtlingen steht somit das Leistungsspektrum der Gesetzlichen Krankenversicherung zu. Dies umfasst auch die freie Arztwahl. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Betreiber f & w fördern und wohnen AöR und Deutsches Rotes Kreuz Kreisverband Hamburg-Harburg e.V. wie folgt: 1. Welche Organisationen werden in welchen Erstaufnahmeeinrichtungen und gegebenenfalls Folgeeinrichtungen für die medizinische Versorgung der Flüchtlinge eingesetzt? (Bitte nach einzelnen Standorten auflisten.) In den Erstaufnahmeeinrichtungen Jenfelder Moorpark, Ohlstedter Platz und den inzwischen geräumten Messehallen ist beziehungsweise war das Trainingszentrum für Erste Hilfe und Notfallmedizin (TEN) für die medizinische Versorgung der Flüchtlinge eingesetzt. In allen anderen Einrichtungen der Zentralen Erstaufnahme wird die medizinische Versorgung durch Ärztinnen und Ärzte auf Honorarbasis gewährleistet. Drucksache 21/1701 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Nach welchen Kriterien findet die Auswahl der Organisationen für die medizinische Betreuung der Flüchtlinge statt? Die Auswahl gründet sich auf fachliche Kompetenz und Verfügbarkeit. 3. Wie wird der Preis für die verschiedenen Leistungen der Organisationen festgelegt? Gibt es einheitliche Pauschalen für die verschiedenen medizinischen Leistungen der Ärztinnen- und Ärzteteams? Den Honorarverträgen liegen jeweils Stundensätze zugrunde. In den Erstaufnahmeeinrichtungen wird medizinisches Personal von den Betreibern nach einheitlichen Stundensätzen wie folgt vergütet: ‐ Ärztinnen/Ärzte: 75 Euro/Stunde ‐ Medizinische Fachangestellte: 25 Euro/Stunde Das vom Bezirksamt Altona eingesetzte Personal wird wie folgt vergütet:  Fachärztinnen und Fachärzte: Vergütung nach TV Ärzte für Festangestellte beziehungsweise Honorarordnung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV),  Gesundheits- und Krankenpfleger: E 8/E 9,  Medizinische Fachangestellte: E 5/E 8 TV-L beziehungsweise Honorarordnung der KV. 4. Wie wird der Einsatz von ausschließlich qualifiziertem Personal mit hoher Fachkompetenz durch die Organisation sichergestellt, um eine optimale medizinische Versorgung der Flüchtlinge zu gewährleisten? Die Bewerberinnen und Bewerber müssen die erforderliche medizinische Qualifikation nachweisen. 5. Wird die Notwendigkeit beziehungsweise Sinnhaftigkeit der erbrachten medizinischen Leistungen durch die Organisationen von den zuständigen Behörden überprüft? Gibt es ein und wenn ja einheitliches und verbindliches Controllingverfahren? Vor Auszahlung der Vergütung erfolgt stets eine Prüfung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit. Ein darüber hinausgehendes Controllingverfahren gibt es nicht. 6. Sind den zuständigen Behörden Fälle bekannt, bei denen überteuerte und nicht notwendige medizinische Leistungen erbracht wurden? Die Abrechnung der medizinischen Leistungen befindet sich noch in der Überprüfung. 7. Wie hoch ist die Anzahl des medizinischen Personals, das in den Erstunterkünften eingesetzt wird? (Bitte nach einzelnen Standorten, Anzahl und Qualifikation – (Fach-)Ärzte- und Ärztinnen, Sanitäter/-innen, Pflegekräfte et cetera – des medizinischen Personals auflisten.) In nachstehender Tabelle ist das Personal aufgeführt, dass bisher durch das Bezirksamt Altona eingestellt oder auf Honorarbasis stundenmäßig verpflichtet wurde (Stand 29. September 2015). Zusätzliches Personal wurde von fördern und wohnen eingestellt . Eine Personalübernahme durch das Bezirksamt Altona ist geplant. Standort Fachrichtung/Qualifikation Anzahl Schnackenburgallee Allgemeinmediziner 4 Krankenpflege 8 Dratelnstraße Allgemeinmediziner 9 Kinderärzte 5 Krankenpflege 4 Arzthelferinnen und -helfer 3 Kinderkrankenpflege 13 Grellkamp Kinderarzt 1 Internist 1 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1701 3 8. Wie ist der Einsatz der Mediziner/-innen zeitlich bemessen? Wie groß ist dabei der zeitliche Anteil der Erstuntersuchung im Vergleich zu anderweitiger medizinischer Betreuung? (Bitte nach Standort und Stunden pro Tag auflisten.) Bei der Erstuntersuchung handelt es sich nicht um eine medizinische Betreuung im engeren Sinne. Sie wird zudem nicht von den Honorarkräften in den Unterkünften durchgeführt. Eine Gegenüberstellung der aufgewendeten Zeiten entfällt daher. Das vom Bezirksamt Altona eingesetzte Personal wird anhand einer Schlüsselung von einem medizinischen Versorgungsteam (Arzt/Assistenzkraft mit 39 Wochenarbeitsstunden auf 1.000 Flüchtlinge) besetzt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 9. Sind Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen in den Erstunterkünften im Einsatz? (Bitte nach Standort, Anzahl und therapeutischer Ausrichtung – zum Beispiel Kinder- und Jugendtherapeut/-in, TraumaTherapeut /-in et cetera – auflisten.) Ja, siehe auch Antwort zu 10. und Drs. 21/1006. 10. Wie ist die zeitliche Bemessung der psychotherapeutischen Versorgung? (Bitte auch hier nach Standort und Stunden pro Tag auflisten.) Der zeitliche Einsatz von Trauma-Therapeutinnen und -Therapeuten an den einzelnen Standorten kann der folgenden Übersicht entnommen werden: Standort Stunden/Woche Neuland 4 Karl-Arnold-Ring 4 Geutensweg 4 Sportallee 4 (für Erwachsene), 1,5 bis 2 (für Kinder) Schnackenburgallee 7 Dratelnstraße 4 Schwarzenberg 4 Holstenhofweg 4 Niendorfer Straße 4 11. Wie lang ist die Wartezeit neu ankommender Flüchtlinge bis zur leistungswirksamen Registrierung? (Bitte nach einzelnen Standorten und Wartezeit auflisten.) Die Bearbeitung erfolgt grundsätzlich in der Reihenfolge der Antragstellung. Der Antrag kann nach der asylverfahrensrechtlichen Verteilungsentscheidung für Hamburg mithilfe eines Dolmetschers gestellt werden. Schwer oder chronisch kranke Personen sowie Schwangere werden vorgezogen, sobald die Verwaltung davon Kenntnis erlangt. Im Übrigen findet eine statistische Erfassung an den Standorten in Bezug auf die leistungsrechtliche Erfassung nicht statt. 12. Wie ist die medizinische Versorgung der auf die Registrierung wartenden Flüchtlinge, auch im Hinblick auf die besonders Schutzbedürftigen unter ihnen, gewährleistet? (Bitte detailliert berichten – zum Beispiel unbegleitete Minderjährige oder Menschen mit Behinderungen.) Die medizinische Versorgung erfolgt in jeder Einrichtung unabhängig davon, ob die Patientinnen und Patienten registriert sind. Für Personen mit besonderem medizinischem Betreuungsbedarf stehen rund 90 Plätze in der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung in der Asklepios Klinik Harburg zur Verfügung . Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Drs. 20/11112, 21/548, 21/947, 21/973, 21/1116, 21/1132, 21/1259. 13. Für welche Aufgaben wird der öffentliche Gesundheitsdient in den Erstunterkünften für die medizinische Versorgung der Flüchtlinge eingesetzt ? Drucksache 21/1701 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die medizinische Versorgung wird in allen Erstaufnahmen durch das Vorhalten von allgemeinmedizinischen Sprechstunden und notfallärztlicher Kompetenz gewährleistet , deren Einrichtung und Betriebsorganisation das Bezirksamt Altona übernimmt. Dem öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) obliegt in den Erstaufnahmeeinrichtungen die infektionshygienische Überwachung. In den Räumlichkeiten des Fachamtes Gesundheit des Bezirksamtes Hamburg-Mitte werden außerdem regelhaft Flüchtlinge im Rahmen der Tuberkulosebekämpfung einer Röntgen-Thorax-Untersuchung unterzogen. Ferner wird der ÖGD im Rahmen der psychiatrischen Krisenintervention tätig und hält beispielsweise Angebote der Mütterberatung vor. Bei den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen führt der ÖGD (Fachamt Gesundheit des Bezirksamtes Altona) die Erstuntersuchung nach § 62 AsylVfG durch. 14. In den kommenden Wochen wird das Gesundheitsamt Altona die Koordinierung des medizinischen Personals übernehmen. Welche Veränderungen sind bei der Steuerung und Auswahl des medizinischen Personals zu erwarten? Aufgabe des ÖGD ist es, in den Zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen allgemeinmedizinische Sprechstunden zu organisieren. Es handelt sich um eine Basisversorgung mit dem Ziel, die Flüchtlinge ins Regelsystem überzuleiten. Der ÖGD greift dabei sowohl auf festangestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auf Ehrenamtliche und auf Honorarkräfte zurück und arbeitet teilweise auch mit Krankenhäusern zusammen. In den Unterkünften Dratelnstraße und Schnackenburgallee gibt es bereits täglich feste Sprechstunden durch den ÖGD. In den übrigen Einrichtungen wird die allgemeinmedizinische Versorgung durch variable Sprechstunden – abhängig von Größe und Belegung und den besonderen Verhältnissen vor Ort – oder durch ein mobiles Team sichergestellt.